Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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Das Fleisch erfreute sich höchster Gesundheit, der Geist vollster Ruhe. Wie es im Paradiese weder Hitze gab noch Kälte, so erfuhr im Paradiesesbewohner der gute Wille keine Gefährdung weder von Seiten der Begehrlichkeit noch von Seiten der Furcht. Alles Traurige war völlig ausgeschlossen, aus der Fröhlichkeit alles Nichtige verbannt. Wahre Freude strömte ununterbrochen zu aus Gott, gegen den „die Liebe“ entbrannte „aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“[154] , und die Genossenschaft zwischen den Gatten war treu aus reiner Liebe, die Sorgfalt für Geist und Leib einträchtig, die Beobachtung des Gebotes mühelos. Keine Ermüdung verdarb die Feiertagsstimmung, kein Schlaf drängte sich auf wider Willen. So günstig war die ganze Lage, so glücklich der Mensch selbst, daß wir nicht wähnen dürfen, es hätte nur unter dem Fieber der Lust Nachkommenschaft gezeugt werden können; vielmehr würden sich dazu die Zeugungsglieder auf den Wink des Willens angeschickt haben wie die übrigen Glieder zu ihren Verrichtungen, und ohne den verführerischen Anreiz der Begier, mit voller Ruhe des Geistes und des Leibes, ohne Verletzung der Unversehrtheit, hätte sich der Gatte in den Schoß der Gemahlin ergossen[155] . Läßt es sich auch nicht durch Erfahrung beweisen, so ist doch anzunehmen, daß, da ja nicht ungestüme Hitze diese Körperteile regiert, sondern frei herrschender Wille sie in Dienst genommen hätte, wie es nötig gewesen, der männliche Same sich in den Schoß der Gattin damals so gut unbeschadet der leiblichen Unversehrtheit hätte ergießen können, wie jetzt ebenfalls unbeschadet dieser Unversehrtheit aus dem Schoße der Jungfrau der monatliche Fluß sich ergießen kann. Auf demselben Wege hätte ja der eine eingebracht werden können, auf dem der andere abgeht. Denn wie zum Gebären nicht die Geburtswehen den Mutterschoß geöffnet hätten, sondern der Antrieb der Reife, so würde zur Befruchtung und Empfängnis nicht das Begehren der Lust, sondern frei gewollte Ausübung die beiden Naturen verbunden haben. Wir sprechen da von Dingen, die jetzt Gegenstand der Scham sind, und deshalb müssen wir uns, obwohl unser Versuch deren mögliche Beschaffenheit, ehe sie das noch waren, ins Auge faßt, doch aus Schamgefühl Grenzen setzen, um so mehr, als wir von der Rede, über die wir ohnehin nur in unzureichendem Maße verfügen, keine weitere Förderung zu erwarten haben. Denn was hier zur Behandlung steht, sind die, die es hätten inne werden können, selbst nicht inne geworden [die Sünde kam ihnen zuvor, und sie zogen sich die Vertreibung aus dem Paradiese zu, ehe sie sich noch zu dem Werke der Erzeugung von Nachkommenschaft in ruhigem Willensentscheide zusammentaten]; und so steht jetzt erst recht den menschlichen Sinnen, wenn von diesen Dingen die Rede ist, lediglich die Erfahrung stürmischer Lust zu Gebote, nicht aber die Vorstellung gelassenen Wollens. Daher kommt es, daß Scham die Rede hemmt, selbst wenn es dem Nachsinnenden an Gedanken nicht gebräche. Aber dem allmächtigen Gott, dem höchsten und höchst guten Schöpfer aller Naturen, der den guten Willen unterstützt und belohnt, den bösen verläßt und verdammt und den einen wie den andern einzuordnen weiß, gebrach es selbstverständlich nicht an Rat, die festbegrenzte und in seiner Weisheit vorherbestimmte Zahl der Bürger des Gottesstaates aus dem Menschengeschlecht vollzumachen auch nach der Verdammung, indem er diese Bürger nun nicht mehr nach ihrem Verdienst — die gesamte Masse ist ja verdammt worden als in der sündhaften Wurzel enthalten —, sondern durch Gnade auswählt und den Erlösten nicht nur an sich selber, sondern auch an den Nichterlösten vor Augen führt, was er ihnen Großes spendet. Denn aus freier, nicht aus geschuldeter Güte fühlt und bekennt sich jeder den Übeln entrissen, wenn er herausgenommen wird aus einer Genossenschaft von Menschen, mit denen er von rechtswegen gemeinsame Strafe teilen sollte. Warum also hätte Gott nicht Wesen erschaffen sollen, von denen er sich des Sündigens zum voraus versah, da er doch in und an ihnen zeigen konnte, was deren Schuld nach sich zog und was seine Gnade frei gewährte? Die rechte Ordnung der Dinge würden ja die Sünder durch ihre ungeordnete Verkehrtheit ohnehin nicht stören können, auch ihrerseits abhängig von ihm als dem Schöpfer und Lenker.

      

       27. Die Sünder, ob Engel oder Menschen, vermögen durch ihre Verkehrtheit die Vorsehung nicht zu beirren.

      

      Demnach vermögen die Sünder, Engel wie Menschen, mit ihrem Treiben nicht zu behindern „die großen Werke des Herrn, die er sich aussucht ganz nach seinem Willen“[156] ; denn er, der mit vorsehender Weisheit und allmächtigem Willen jedem das Seine zuteilt, weiß sich nicht nur der Guten, sondern auch der Bösen zum Guten zu bedienen[157] . Und indem er sich also des bösen Engels, der wegen des Mißverdienstes des ersten bösen Willens in einer Weise mit Verhärtung bestraft wurde, daß er ferner überhaupt keinen guten Willen mehr hatte, zum Guten bedient, konnte er recht wohl zulassen, daß von ihm der erste Mensch versucht wurde, der aufrecht, d. i. als ein Wesen von gutem Willen erschaffen war. War er doch so eingerichtet, daß er den bösen Engel hätte überwinden können, wenn er als guter Mensch der göttlichen Hilfe vertraute, dagegen freilich überwunden werden sollte, wenn er Gott, seinen Schöpfer und Helfer, in stolzem Selbstgefallen verlassen würde; sein Verdienst sollte bestehen in einem geraden, von Gott unterstützten Willen, sein Mißverdienst in einem verkehrten, von Gott sich abwendenden Willen. Denn ohne Gottes Hilfe hätte er eben jenes Vertrauen auf Gottes Hilfe nicht zuwege gebracht, aber deshalb stand es doch in seiner Gewalt, sich dieser göttlichen Gnadenhilfe durch Wohlgefallen an sich selber zu begeben. Denn wie man es nicht in seiner Gewalt hat, im Fleische hienieden zu leben ohne Zuhilfenahme von Nahrungsmitteln, dagegen es allerdings in seiner Gewalt hat, im Fleische nicht zu leben, wie das Beispiel der Selbstmörder zeigt, so hatte man es auch im Paradiese nicht in seiner Gewalt, gut zu leben ohne Gottes Hilfe, wohl aber hatte man es in seiner Gewalt, schlecht zu leben, wobei dann jedoch die Glückseligkeit nicht andauern, sondern die gerechte Strafe eintreten sollte. Da nun Gott um diesen künftigen Fall des Menschen genau wußte, hätte er ihn deshalb nicht versuchen lassen sollen durch die Bosheit des neidischen Engels? er, der durchaus nicht im Ungewissen darüber war, daß der Mensch besiegt würde, aber ebenso klar vorhersah, daß von dem Samen des Menschen mit Hilfe der göttlichen Gnade derselbe Teufel in den Heiligen um so rühmlicher besiegt werden sollte! Die Sache stand demnach so, daß Gott nichts verborgen war von den kommenden Dingen, daß er aber durch sein Vorherwissen niemand zum Sündigen nötigte und durch die nachfolgende Erfahrung seiner vernunftbegabten Schöpfung in Engel- und Menschenwelt den gewaltigen Unterschied vor Augen führte zwischen vermessener Selbstüberhebung und göttlichem Schutz. Es wäre natürlich in Gottes Macht gelegen gewesen zu bewirken, daß weder Engel noch Mensch gefallen wäre. Aber er zog es vor, das ihrer Macht anheimzustellen und auf diesem Wege zu zeigen, wieviel Schlimmes ihr Hochmut und wieviel Gutes seine Gnade vermöge.

      

       28. Der Unterschied der beiden Staaten, des Weltstaates und des himmlischen Staates.

      

      Zweierlei Liebe also hat die beiden Staaten gegründet, und zwar den Weltstaat die bis zur Verachtung Gottes gesteigerte Selbstliebe, den himmlischen Staat die bis zur Verachtung seiner selbst gehende Gottesliebe. Kurz gesagt: der eine rühmt sich in sich selbst, der andere im Herrn[158] . Der eine sucht Ruhm bei den Menschen, für den andern ist der höchste Ruhm Gott, der Zeuge des Gewissens. Der eine hebt sein Haupt empor in eigenem Ruhm, der andere spricht zu seinem Gott[159] : „Du bist mein Ruhm und hebst mein Haupt empor“. Jenen beherrscht in seinen Fürsten oder in den von ihm unterjochten Völkern die Herrschsucht; in diesem sind sich gegenseitig in Liebe dienstbar die Vorgesetzten durch Fürsorge, die Untergebenen durch Gehorsam. Jener liebt in seinen Mächtigen seine eigene Stärke; dieser spricht zu seinem Gott[160] : „Ich will Dich lieben, Herr, meine Stärke“. In jenem haben daher dessen Weise, nach dem Menschen lebend, die Güter des Leibes oder die ihres Geistes oder die des einen wie des andern angestrebt, oder die unter ihnen, die[161] „Gott erkannt haben, haben ihn doch nicht wie Gott geehrt oder Dank gesagt, sondern sind eitel geworden in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ward verfinstert; sie sagten, sie seien die Weisen“[162] , „und sind zu Toren geworden und vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit dem Gleichnis und Bilde des vergänglichen Menschen, auch der Vögel und vierfüßigen und kriechenden

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