Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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3. Saras Unfruchtbarkeit und ihre Befruchtung durch Gottes Gnade.

      

      Sara war bekanntlich unfruchtbar, und da sie die Hoffnung auf Nachkommenschaft aufgegeben hatte, wollte sie das, was sie aus sich selbst nicht gewinnen konnte, wenigstens durch ihre Magd gewinnen und gab sie daher zur Befruchtung dem Manne, von dem sie selbst hatte gebären wollen, aber nicht können. Sie forderte also auch da von ihrem Gemahl nur die eheliche Pflicht, indem sie von ihrem Recht Gebrauch machte in einem fremden Schoße. Und so ward Ismael nach Menschenart geboren durch Vereinigung der beiden Geschlechter, nach dem gewöhnlichen Gesetz der Natur. Deshalb heißt es von ihm, er sei „nach dem Fleische“ geboren. Natürlich handelt es sich auch hier um Wohltaten von seiten Gottes und Gott wirkt dies, dessen allwaltende Weisheit, wie geschrieben steht[172] , „von einem Ende zum andern reicht in Kraft und alles lieblich ordnet“; aber wo es Gottes Gabe vorzubilden galt, das Geschenk freier Gnade an die Menschen über alle Schuldigkeit hinaus, da mußte in einer Weise, die dem Verlauf der Natur nicht geschuldet ward, der Sohn geschenkt werden. Die Natur versagt Kinder einer solchen Vereinigung von Mann und Weib, wie sie zwischen Abraham und Sara sein konnte in jenem vorgeschrittenen Alter, wozu auch noch die Unfruchtbarkeit des Weibes kam, das selbst zu einer Zeit nicht gebären konnte, da nicht der Fruchtbarkeit die Jahre entgegenstanden, sondern den Jahren die Fruchtbarkeit mangelte. Wenn nun ihrer also beschaffenen Natur keine Frucht der Nachkommenschaft beschieden sein konnte, so bedeutet dies, daß die menschliche Natur, durch die Sünde verderbt und darum mit Recht verdammt, kein wahres Glück weiterhin mehr verdiente. Mit Recht also sinnbildet Isaak, der auf Verheißung hin Geborene, die Kinder der Gnade, die Bürger des freien Staates, die Genossen eines ewigen Friedens, wo nicht die Liebe zum eigenen und sozusagen selbstischen Willen herrscht, sondern eine Liebe, die sich des gemeinsamen und zugleich unwandelbaren Gutes freut und aus vielen ein Herz und eine Seele macht, d. i. ein vollkommen einträchtiger Liebesgehorsam.

      

       4. Des irdisch gesinnten Staates (Im ganzen Kapitel ist nicht vom politischen Staat an sich die Rede, sondern von Strebungen der „Erdenbündler“, wie Scholz einmal die Gesamtheit der irdisch gesinnten Menschen nennt. Nur soweit es sich um Staaten handelt, in denen die Erdenbündler den Ausschlag geben, also nur unter ganz bestimmter Voraussetzung, nicht als solcher ist der politische Staat mitverstanden.) Kampf und Friede.

      

      Der irdisch gesinnte Staat, der nicht von ewiger Dauer sein wird[173] , hat hienieden sein Gut und freut sich der Teilnahme daran mit einer Freude, wie man sie eben an solchen Dingen haben kann. Und da dieses Gut nicht von der Art ist, daß es seinen Liebhabern keine Beengungen verursachte, so ist dieser Staat zumeist wider sich selbst geteilt durch Streit, Krieg und Kampf und durch das Verlangen nach verderbenbringenden oder doch vergänglichen Siegen. Denn so oft er sich in einem Teil von sich wider einen andern Teil von sich im Krieg erhebt, sucht er Besieger von Völkern zu sein, obwohl Sklave von Lastern; und wenn er sich als Sieger hochmütig übernimmt, so ist der Sieg auch verderbenbringend; wenn er dagegen in Erwägung der Lage und der Wechselfälle, wie sie sich immer wieder begeben, eher sich beunruhigt über das Unheil, das eintreten kann, als sich aufbläht über den Erfolg des Augenblickes, so ist ein solcher Sieg nur vergänglich. Denn nicht ewig wird die Herrschaft dauern über die durch Sieg Unterworfenen. Unrichtig wäre es indes, den Dingen, wonach dieser Staat verlangt, die Eigenschaft von Gütern abzusprechen, wenn nur er selbst, soweit er das Menschengeschlecht umfaßt[174] , nicht zu schlecht ist. Er verlangt nämlich nach einer Art irdischen Friedens im Bereich selbst der niedrigsten Dinge; nur zum Frieden will er gelangen, wenn er Krieg führt[175] ; und Friede eben wird sein, wenn er gesiegt und allen Widerstand beseitigt hat, während solchen die Parteien nicht hatten, die einander widerstrebten und aus unseliger Dürftigkeit sich um Dinge stritten, die ihnen zumal nicht eigen sein konnten. Diesen Frieden erstreben mühevolle Kriege, ihn erringt der vermeintlich glorreiche Sieg. Wofern nur indes die den Sieg davontragen, denen für den Kampf der gerechtere Grund zur Seite stand, so ist ein solcher Sieg gewiß begrüßenswert und erwünschter Friede ist sein Erfolg. Das sind Güter, sind ohne Zweifel Gaben von Gott. Wenn man jedoch unter Hintansetzung der besseren Güter, die dem oberen Staat angehören, wo der Sieg durch ewigen und tiefsten Frieden gesichert sein wird, nach derlei Gütern verlangt, in einer Weise, daß man sie für die einzigen hält oder doch mehr liebt, als die, die man für besser hält, dann wird Elend die unausbleibliche Folge sein und das schon vorhandene sich verschärfen.

      

       5. Von dem ersten Gründer des Weltstaates, einem Brudermörder, dessen Ruchlosigkeit ein Gegenstück fand an dem Gründer der Stadt Rom durch dessen Brudermord.

      

      Der erste Gründer des Weltstaates also war ein Brudermörder; er hat, von Neid übermannt, seinen Bruder getötet, den auf Erden pilgernden Bürger des ewigen Staates. Es ist daher nicht zu verwundern, daß lange hernach bei der Gründung jenes Staates, der das Haupt dieses Weltstaates, von dem wir sprechen, werden und über so viele Völker herrschen sollte, diesem Urbilde oder Archetyp, wie die Griechen sagen, ein Abbild der Art nach entsprach. Denn auch hierbei hat, wie einer der Dichter dieses Staates[176] die Schandtat bezeichnet, „Bruderblut die ersten Mauern gerötet“. So ward Rom gegründet; die römische Geschichte bezeugt es, daß Remus von seinem Bruder Romulus ermordet wurde; nur daß hier der Ermordete ebenso wie der Mörder Bürger des Weltstaates war. Beide gingen auf Ruhm aus mit der Gründung des Römerstaates, aber jeder auf so großen, daß nur einer daran teilhaben konnte. Denn wer seinen Ruhm im Herrschen zu suchen entschlossen war, hätte natürlich nur in beschränkterem Maße geherrscht, wenn seine Gewalt eingeengt geblieben wäre dadurch, daß ein Teilhaber lebte. Damit also einer die ganze Herrschaft in seine Gewalt bekäme, wurde der Gefährte beseitigt, und was bei Enthaltung von Blutschuld beschränkter und besser gewesen wäre, mehrte sich so durch Frevel zum Schlimmeren. Dagegen das Brüderpaar Kain und Abel hegte nicht gemeinsam miteinander das gleiche Verlangen nach irdischen Dingen, und der, der den andern ermordete, war ihm nicht deshalb neidisch, weil seine Herrschaft eingeengt worden wäre, wenn beide herrschten [Abel ging ja gar nicht auf eine Herrschaft aus in dem Staate, der von seinem Bruder gegründet wurde], sondern dieser Neid war teuflisch, wie ihn die Bösen auf die Guten haben lediglich deshalb, weil diese gut sind und sie selber böse. Denn keineswegs wird der Besitz an Gutheit verringert, wenn ein Mitteilhaber dazu tritt oder dabei bleibt; im Gegenteil, die Gutheit ist ein Besitz, den, je einträchtiger, in um so weiterem Umfang ungeteilte Liebe von Genossen ihr eigen nennt. Kurz, ein Besitz, den man überhaupt nicht sein eigen nennen kann, wenn man ihn nicht als Gemeingut haben möchte, und den man um so größer finden wird, je größer die Liebe ist, die ihr Besitz dem Teilhaber zuzuwenden verstattet. Das nun, was zwischen Remus und Romulus vorging, hat gezeigt, wie der Weltstaat wider sich selbst uneins ist; was sich dagegen zwischen Kain und Abel zutrug, hat die Feindschaft zwischen den beiden Staaten selbst, dem Gottesstaat und dem Menschenstaat, vor Augen geführt. Kampf also herrscht zwischen Bösen und Bösen untereinander und ebenso zwischen Bösen hier und Guten dort; Kampf aber zwischen Guten und Guten, wenn sie vollkommen sind, ist ausgeschlossen. Dagegen solang die Guten noch erst im Voranschreiten begriffen und noch nicht zur Vollkommenheit gelangt sind, ist Kampf unter ihnen möglich; es kann jeder Gute wider den andern in der Richtung ankämpfen, in der er gegen sich selbst ankämpft; auch im Einzelmenschen ja „begehrt das Fleisch wider den Geist und der Geist wider das Fleisch“[177] . Geistiges Begehren kann also in Kampf treten wider fleischliches beim Nächsten und fleischliches Begehren wider geistiges beim Nächsten, so wie Gute und Böse widereinander kämpfen; oder wenigstens fleischliches Begehren zweier Guten, natürlich noch nicht Vollkommenen, kann so, wie Böse und Böse widereinander kämpfen, aufeinander stoßen, bis etwa Heilung eintritt und schließlich die Gesundheit den letzten Sieg davonträgt.

      

      

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