Nord-Nordwest mit halber Kraft. Arno Alexander

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Nord-Nordwest mit halber Kraft - Arno Alexander

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es wurde immer gewisser, dass nichts, nicht das kleinste Steinchen gestohlen worden war.

      Eine halbe Stunde verbrachte Prochorow in dumpfem Nachgrübeln über den Anlass dieses Einbruchs. Er sass auf dem frischbezogenen Bett, rauchte eine Zigarette nach der anderen und zermarterte sein Hirn. Sollte es möglich sein, dass er gerade im richtigen Augenblick gekommen war und den Einbrecher gestört hatte? Dieser Zufall war sehr unwahrscheinlich. Was aber hatte hier jemand zu suchen, der nicht stehlen wollte?

      Prochorow grübelte und grübelte, aber es wollte ihm nichts einfallen. Endlich stand er auf und begann, sich zu entkleiden. Sein Blick fiel dabei in den Spiegel über dem einfachen Waschgestell. Er erschrak über sein Aussehen. Sein Gesicht war grünlich-blass, und nur auf den Wangen glühten zwei rote Flecke. So sah ein Mensch aus, der wusste, ganz genau wusste, was dieser Einbruch zu bedeuten hatte; der nur sich selbst betrog und krampfhaft nach einer anderen Erklärung suchte.

      Mit einem Gefühl, als sei er am Ersticken, schraubte Prochorow das kleine Bullauge auf und atmete in tiefen Zügen die Nachtluft ein. Er starrte hinaus in die Nacht. Wie gleichgültig war es ihm jetzt, dass ihn die deutschen Behörden suchten und dass ihn heute drei Leute beleidigt hatten! Deutschland war noch weit, und diese drei Menschen — was lag schon daran, wenn sie ihn beleidigten! Etwas viel Schlimmeres war geschehen. Sein Gepäck war von Scotland Yard durchsucht worden! In Deutschland drohte ihm für Devisenvergehen eine schwere Zuchthausstrafe, in England drohte ihm dieselbe Strafe wegen Hehlerei von gestohlenen Edelsteinen. Aber da war noch der Totschlag ... man würde es Mord nennen ... Dieser verhängnisvolle Totschlag eines englischen Polizeibeamten. ... Wenn Scotland Yard wusste, dass er der Leiter der berüchtigten Hehlerbande war, so musste Scotland Yard ja auch wissen, dass er den Sergeanten Biltmore erschlagen hatte, den Mann, der unglücklicherweise ein Gespräch belauschte ... Prochorow kannte Scotland Yard und wusste, dass ein Mann, der einen englischen Polizeibeamten erschlug, nirgends in der Welt vor der Verfolgung Scotland Yards mehr sicher war. Und er befand sich auf einem englischen Dampfer, auf englischem Gebiet!

      Ein heftiges Klopfen riss Prochorow aus seinen Gedanken. Wollte man ihn schon festnehmen? Wie eine Maus in der Falle begann er plötzlich auf und ab zu laufen. Er hielt sich die Ohren zu, um das andauernde Klopfen nicht zu hören; er stolperte, fiel auf sein Gesicht, stand wieder auf. Dann — mit einem verzweifelten Entschluss — riss er die Tür auf.

      Ein Mann in einer abgetragenen Uniform, blass, im Gesicht zahlreiche Pockennarben, stand vor ihm. Er zwängte sich, ohne zu fragen, durch die Tür und riegelte sie von innen ab. Dann wandte er sich an Prochorow.

      „Sie haben für mindestens zwanzigtausend Pfund Juwelen bei sich“, sagte er, und es klang halb wie eine Feststellung, halb wie eine Frage.

      Prochorow setzte sich stöhnend auf den Bettrand.

      „Ja ... aber ... ja ...“

      „Ich ...“ begann der Mann stockend aufs neue. „Ich ...“

      Prochorow sah auf. Der Mann zitterte ja! Seine Stimme klang unsicher ... Er fürchtete sich. Er hatte genau solche Angst wie Prochorow.

      „Was wollen Sie von mir?“ presste Prochorow hervor.

      „Steine!“ antwortete der Mann fest, aber man spürte, was für eine Anstrengung ihn schon dieses eine Wort kostete. „Mindestens den zehnten Teil Ihrer Steine.“

      „Sie sind ... verrückt ...“ murmelte Prochorow.

      „Nein!“ stiess der Mann erregt hervor. „Es ist die Chance meines Lebens, meine einzige Chance .. Man wird mich lebenslänglich einsperren, wenn man erfährt ... Man wird auch Sie verurteilen ...“

      Prochorow hob entsetzt die Hand.

      „Wer sind Sie? So erklären Sie doch endlich ...“

      Der Mann lehnte sich gegen den Waschtisch. Er nahm die Mütze ab und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

      „Ich bin der Funker“, sagte er. „Ich heisse Toole. Ja ... Und hier ist die Nachricht, die ich nach London funken soll ... Hier ...“

      Prochorow griff nach dem Blatt Papier, das ihm der andere reichte. Er begann zu lesen, aber es wollte ihm nicht gleich gelingen, denn die Buchstaben tanzten vor seinen Augen. Endlich hatte er sich soweit gefasst, dass er lesen konnte:

      „Scotland Yard, London. An Bord des ‚Cardigan’ befindet sich Ossip Prochorow, von Deutschland steckbrieflich wegen Devisenverbrechens verfolgt. Durchsuchung seines Gepäcks ergab, dass er für mindestens zwanzigtausend Pfund gestohlene Edelsteine mit sich führt. Vermute, dass er der Mörder Biltmores ist und der langgesuchte Hehler der Dixon-Hehlerbande. Inspektor Leith.“

      4.

      Prochorows Verstand arbeitete träge. Es waren nicht Gedanken, die ihn beschäftigten; es waren Vorstellungen, sprunghafte, blitzartig wechselnde Bilder. Londons Hafen, drei, vier Polizisten, ein schwarzer Wagen mit vergitterten Fenstern. ... Nein, nein! Es würde nicht so kommen! Noch war nicht alles verloren: Er hatte ja Steine, für weit mehr als zwanzigtausend Pfund Steine ... Wer war Leith? Ein Inspektor Scotland Yards? Aber er war ja auch ein Mensch — ein Mensch, der genau wie dieser Funker bereit sein würde, um der Steine willen alles zu tun, was man von ihm verlangte.

      „Wer ist Leith?“ fragte Prochorow. Im selben Augenblick begriff er, dass der Funker ihm diese Frage nicht beantworten durfte, wenn er — klug war. Kannte er einmal diesen Leith, so bestand die Möglichkeit, den Funker völlig auszuschalten.

      „Sie haben noch nie von Leith gehört?“ fragte Toole erstaunt. „Von Leith — dem Kopfjäger, wie man ihn nennt? Von dem Mann, der die meisten Fangprämien erhielt, dem Mann, der ...“

      „Nein, nein!“ rief Prochorow bestürzt. „Und dieser Mann. — Grosser Gott! ...“

      „Niemand kennt ihn, niemand weiss, wie er aussieht. Er arbeitet immer unerkannt, und wenn er sich einem Verbrecher zu erkennen gibt, dann hat er ihn bereits festgenommen. Fast immer ist er hinter Leuten her, denen die Todesstrafe sicher ist. Solche Verbrecher schiessen schnell. Wohl ein dutzendmal aber hat Leith noch schneller geschossen ...“

      „Hören Sie auf, hören Sie auf!“ stöhnte Prochorow und hielt sich die Ohren zu. „Aber dieser Kerl ... Wenn er Ihnen die Funknachricht gab, müssen Sie doch wissen, wie er aussieht...“

      „Leith hat mir den Auftrag ja gar nicht gegeben. Er hat das Blatt einfach auf meinen Tisch gelegt ... als ich den Funkraum für einen Augenblick verliess ... Leith ist natürlich unter anderem Namen hier. Er beobachtet die Passagiere, er verfolgt jemanden .. Wie könnte er das, wenn jeder wüsste, wer er ist?“

      „Aber irgend jemand wird es doch wissen! Der Kapitän, die Offiziere ...“

      Toole schüttelte heftig den Kopf.

      „Nein, Sie wissen es bestimmt nicht. Leith fährt oft diese Strecke. Er kommt unerkannt an Bord, geht unerkannt wieder an Land.... Die nächste Reise macht er unter einem anderen Namen mit ... Leith kann einer von den Passagieren sein, es kann auch ein Maschinist oder ein Matrose sein ...“

      „Und Sie glauben, es sei unmöglich, festzustellen, wer dieser Leith ist? Ganz unmöglich? Sie müssen ihm doch irgendwie die Antwort aus London übergeben?“

      „Dafür ist ein Briefkasten da. Er hängt neben der Kapitänskajüte. Man könnte Leith auflauern, wenn er sich die Nachricht holen will ... Man könnte ... ja ... Aber

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