Brentanos Märchen. Clemens Brentano

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Brentanos Märchen - Clemens Brentano

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Puppe, spinn!

      Spinn ein königliches Kleid,

      Zwanzig Ellen lang und breit!

      Und wird dir der Faden brechen,

      Will ich dich mit Nadeln stechen,

      Spinn, Puppe, spinn!

      Da spann die kleine Puppe immer emsiger und emsiger. Da Russika sie aber immer noch mehr antrieb und endlich eine Nadel hervorzog, guckte die kleine Puppe sie zornig an und sprach:

      Russika, dụ treibst’s zu toll;

      Wenn ich immer spinnen soll,

      Musst du Märchen mir erzählen

      Und nicht schmähen stets und quälen;

      Willst du nicht in zehen Tagen

      Fünfzig Märchen her mir sagen,

      So will ich dem Röhropp klagen,

      Dass du ihn so grob belogen,

      Dass Liebseelchen du betrogen;

      Denn du stahlst den Tränenkrug.

      Merk dir das und werde klug!

      Als die Mohrin dies gehört hatte, ward es ihr angst und bang; denn sie wusste auch gar keine einzige Geschichte als eine, die erzählte sie gleich:

      Es war einmal ein Mann,

      Der hiess Pumpam,

      Pumpam hiess er,

      An einen Stein stiess er

      Und fiel dann in ein Loch,

      Ich glaub, da liegt er noch!

      Die Puppe aber sagte, dies Märchen sei sehr dumm, sie wolle etwas Besseres hören, und wenn nicht gleich eine ganze Spinnstube voll Erzählerinnen herbeigeschafft werde, so wolle sie gleich dem Prinzen Röhropp alles sagen; denn hören müsste sie oder schwätzen. Da wünschte Russika die Puppe über alle Berge und rief: „Röhropp!“ Der kam und ward von ihr mit den Worten empfangen:

      Röhropp, such zehn Spinnerinnen,

      Die auf fünfzig Märchen sinnen,

      Sonst bring ich dir grosse Not,

      Steche mit dem Messer das Prinzchen tot!

      Da liess Prinz Röhropp voll Herzensangst in der Stadt und auf dem Lande durch Trompeter bekanntmachen, alle alte Mütterchen, welche schöne Geschichten erzählen könnten, sollten sich morgen abend mit ihren Spinnrädern vor dem Schlosse einstellen. Da entstand eine Bewegung im ganzen Land; aus allen Winkeln, hinter allen Öfen hervor, aus allen Bodenkammern, von allen Kirchentüren weg kamen die alten Mütterchen zusammengelaufen. Sie wuschen und trockneten und flickten und plätteten alle ihre schönsten Kleider. Da rasselten die Schlüssel, da knackten die alten Kastendeckel, da knarrten die alten Schranktüren im ganzen Land, als sie ihren alten Putz hervorsuchten; dabei war ein Geplapper und Geschnatter und Gezische und ein Spektakel ohne Ende. Sie wuschen die alten Spinnräder und schmierten sie mit Öl und legten den schönsten Flachs um die Rocken, und so ging der Zug von allen Seiten auf die Stadt und den Schlossplatz zu.

      Da liess sie der Prinz Röhropp in einen grossen Kreis setzen mit ihren Spinnrädern, und die zehn, welche zuerst ihren Rocken abgesponnen, die sollten die Ehre haben, der Prinzessin Russika Märchen zu erzählen. Kaum war dies bekanntgemacht, als alle im Kreis geschwind wie der Wind die Brillen auf der Nase hatten, und nun ging es an ein Schnurren von einigen hundert Rädern, und die zehn, welche zuerst fertig wurden, waren nach der Reihe die lange Jungfer Elsefinger, die magere Fräulein Klarefädchen, die muntere Frau Zipflore, die bucklichte Jungfer Radebärbl, die witzige Fräulein Spulendoris, die scharfsinnige Frau Hecheltonie, die Jungfer Weifenseppel, die eifrige Fräulein Haspelrosa, die emsige Frau Spindelmarthe und die zierliche Jungfer Kunkelrieke.

      Als diese zuerst fertig waren, wurden sie in das Schloss geführt; die andern aber, welche aus der Stadt waren, wurden auch reichlich beschenkt nach Hause geschickt; die aber vom Lande wurden auch reichlich beschenkt, auf mehrere Wurstwagen mit ihren Spinnrädern gesetzt und wieder nach Haus gefahren.

      Die zehn Auserwählten mussten sich im Schlossgarten mit ihren Spinnrocken im Halbkreis setzen. In der Mitte sass döse Mohrin Russika; auf dem Schosse hatte sie das mit roten Windeln zugedeckte Prinzchen, auf dem Arm die goldspinnende Puppe, zur Linken sass der schöne Papagei auf einer Stange, zu ihren Füssen, in einem silbernen Hühnerkorb, aber die goldne Glucke mit den zwölf Küchlein, und über die ganze Gesellschaft war ein Teppich gegen die Sonne gespannt; und damit die Gesellschaft recht vollkommen sei, hatten sich ein Klapperstorch und ein Gockelhahn und ein Pfau oben auf den Baldachin gesetzt; auch viele Vögel, Katzen, Kaninchen und Hündchen fanden sich ein, und einige Edelknaben trugen mancherlei Zuckerwerk, eingemachte, getrocknete und frische Früchte umher, und auch süsse Weine wurden im Überfluss gereicht, nach welcherlei Leckereien die alten Spinnerinnen sehr lecker sind und die Finger darnach lecken, was zum Spinnen sehr nötig ist.

      Sie hatten sich alle erquickt und wollten soeben den nahen Springbrunnen, der wie ein Schulmeister solcher Gesellschaft ihnen unermüdet vorplauderte, plätscherte und murmelte, mit Geschwätz und Rädergeschnurr überlärmen, als Röhropp sich erhob und sprach: „Tugendbare, wehrlose Jungfern, ehegeborne lehnreiche Fräulein und hochachtzigbare und hochwürdige Matronen des edlen Spinnerordens, kunkelhafte Spuldamen, Spindelfräulein und Rockenmägdlein! Sie haben sich hier versammelt, um die grosse Begierde meiner teuern Russika nach Märchen zu stillen. Wir werden also alle Abend hier beisammensitzen und der Reihe nach die schönsten Geschichten hören, welches meiner Russika zum Trost, allen Zuhörern zum Vergnügen und der Erzählerin zur Ehre gereichen wird; denn nichts ziert einen erfahrnen Menschen so sehr, als wenn er schöne Geschichten zu erzählen weiss, Geschichten, bei deren Anhörung der Weber sein Schiff, der Advokat seine Feder, der Apotheker seinen Mörser, der Scherenschleifer sein Rad und Kinder ihr Butterbrot ruhen lassen, um besser zuhören zu können. Es ist die Neugierde meiner Russika sehr wohl zu entschuldigen; denn es sprechen grosse Philosophen: Wie uns an der Wiege gesungen wird, so werden wir wieder singen, und so erzählt dann nach der Reihe schöne Geschichten, damit mein schönes Prinzchen, welches so munter unter der Purpurdecke im Schosse Russikas schnarchet, sich etwas Angenehmes träumen lasse!“

      Nach diesen Worten sagte die neugierige Frau Spindelmarthe, ob es dann nicht erlaubt sei, den kleinen allerliebsten Prinzen ein wenig zu betrachten, worauf Russika befehlend antwortete:

      Mein schönes Kind,

      Das zeig ich nicht,

      Es wird mir blind

      Vom Sonnenlicht.

      Da versetzte Fräulein Spulendoris: „Die Sonne ist schon unter, es kann ihm gar nichts schaden.“ Russika aber en machte ein so zorniges Gesicht, dass Prinz Röhropp sagte: „Meine Damen, beunruhigen. Sie meine Russika nicht! Habe ich doch das Glück selbst noch nicht gehabt, das Prinzchen zu sehen. Lassen Sie uns zu unsren Erzählungen schreiten! Fünf Geschichtchen an jedem Abend, so sind wir in zehn Tagen mit den fünfzig Märchen fertig. Wohlan, Jungfer Elsefinger“ — welche ihren Rocken zuerst abgesponnen hatte — „Sie haben die erste Stimme.“

      Jungfer Elsefinger rückte sich zurecht, nahm eine frische Feige in den Mund, damit er ihr beim Erzählen und Fingerlecken nicht trocken

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