Abteilung G.. Arno Alexander

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Abteilung G. - Arno Alexander

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ist Chefinspektor der Kriminalpolizei. Und jetzt bin ich müde von Ihrem Geschwätz. Ich möchte schlafen. Wecken Sie mich, wenn die Kalesche hält. Das wird ja wieder mal ein teurer Spaß … Und alles wegen Eurer gestohlenen Papiere … Paßt doch nächtens auf, wenn man Euch bestehlen will. Legt Selbstschüsse, Fußangeln, haltet bissige Hunde! Also jetzt gute Nacht.“

      „Wir sind da“, erklärte der Fahrer.

      „Was?“ rief Hearn böse. „Ausgerechnet jetzt sind wir da! Wieviel kostet denn das Vergnügen? Aha, zeigen Sie mal die Uhr! Das ist schandhaft teuer, lieber Kaleschenlenker. Einfach schandhaft! …“

      „Es ist die vorgeschriebene Taxe“, antwortete der Fahrer und hob die Schultern.

      „Darf ich vielleicht einen Teil der Kosten beisteuern?“ erkundigte sich William höflich.

      „Aber natürlich!“ rief Hearn freudig. „Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an. Bitte, zahlen erst Sie einen Teil. Was übrig bleibt, begleiche dann ich.“

      V

      Der Dampfer hatte Verspätung. Am Kai standen eifrig plaudernd Gruppen feingekleideter Menschen, deren Gesichter im weißen Licht der großen Bogenlampen deutlich die Vorfreude des Wiedersehens mit einem lieben Menschen widerspiegelten. Hearn mit seinem abgetragenen Mantel und dem schon seit geraumer Zeit ausgedienten steifen Hut stach gegen alle diese Menschen gewaltig ab, zumal seine Miene mürrisch und unzufrieden war und durchaus nichts von seiner Freude aufs Wiedersehen mit einem lieben Menschen verriet. Man hätte ihn eher mit einem von den gähnenden Zollbeamten vergleichen können, die träge umherstanden und ab und zu bekümmert nach der Uhr sahen.

      „Verspätung!“ knurrte Hearn und schüttelte tadelnd den Kopf. „Am Nachmittag sollte der Dampfer eintreffen. Dann hieß es, er hat Verspätung und kommt um zehn Uhr an. Jetzt ist es halb elf … Da haben nun die Gelehrten und Ingenieure Erfindungen über Erfindungen gemacht, sozusagen Wunderwerke von Dampfern geschaffen, und was erleben wir? So ein Dampfer hat genau so Verspätung wie die Postkutsche, mit der mein Großvater zu reisen beliebte.“

      „Mit der Postkutsche wären Sie aber nicht über den Ozean gekommen“, widersprach William lächelnd.

      „Erstens ist das auch gar nicht nötig“, versetzte Hearn bissig. „Wo man geboren ist, da soll man auch bleiben. Zweitens kam man früher auch über den Ozean — mit Segelschiffen, wenn ich nicht irre. Zum Beispiel Kolumbus …“ Er unterbrach sich: „Hm … Wie gefällt Ihnen der Herr dort?“

      William sah flüchtig zu dem Mann hinüber, der groß und stattlich und sehr elegant gekleidet, etwas abseits von den übrigen einsam seine Zigarette rauchte.

      „Ich finde nichts Auffallendes an ihm“, meinte er achselzuckend.

      „Nicht? Nun, das ist Ben Hawick, ein Filmschauspieler. Keine Größe, o nein! Etwas über Mittelmaß, könnte man sagen. Und doch rennen ihm die Backfische nach, als sei er ein Weihnachtsmann. Nicht, daß ich ihn darum beneide … Mir ist im Leben nur eine nachgerannt, und da habe ich Beine gemacht, mein Freund! Es war ein scharfes Rennen, aber ich habe gesiegt: sie heiratete einen Kolonialwarenhändler … Übrigens hat dieser Hawick noch einen Nebenberuf … Entschuldigen Sie, da fällt mir etwas ein …“ Er griff hastig in seine Rocktasche und brachte einen Haufen von etwa zwanzig verknitterten Briefen zum Vorschein. Darin begann er mit beängstigender Hast zu wühlen und zu suchen.

      „Was ist denn los?“ erkundigte sich William verwundert.

      „Los … los …“ murmelte Hearn und suchte emsig weiter. „Leider ist gar nichts los … Wenn ich den Brief in meiner Wohnung liegen gelassen habe, können wir ohne Nichte nach Hause fahren … Ah, hier ist er! Mir fällt ein Stein vom Herzen. Also … da steht es: Erkennungszeichen große, weiße Blume im Knopfloch … Schön, was? Im Winter, wo die Blumen so teuer sind! Und wo zum Kuckuck bekomme ich jetzt eine so große, weiße Blume her? Raten Sie mir mal! Dazu sind Sie doch hier, junger Mann.“

      „Wir hätten daran denken sollen …“

      „Diese Bemerkung zeugt von tiefem Geist, mein Herr!“ rief Hearn giftig. „Aber sie nützt uns nichts, nein, gar nichts …“

      „Sie haben also Ihre Nichte noch nie gesehen?“

      Hearn blieb stehen und starrte William böse an.

      „Wie schnell Sie das gemerkt haben! Ich bin erstaunt … Na, gut, wenn Ihnen nichts einfällt, muß ich selbst über den Fall nachdenken … Können Sie mir wenigstens sagen, wozu diese Kameramänner dort herumstehen?“

      William lächelte plötzlich.

      „Ich würde sagen, sie wollen hier etwas filmen, aber ich fürchte, mit dieser Antwort wieder Ihr Mißfallen zu erregen.“

      „Sie fürchten richtig“, sagte Hearn und stapfte entschlossen auf einen jungen Mann zu, der eben seine Filmkamera richtete. William folgte ihm nicht, denn er war nicht im mindesten neugierig darauf, was hier gefilmt werden sollte. Hearn dagegen schien sich über diese Frage sehr genau unterrichten zu wollen; es dauerte eine geraume Weile, bis er sein Gespräch mit dem Filmoperateur beendete.

      „Irgendein afrikanischer Würdenträger kommt an“, erklärte er William triumphierend, als er endlich zurückkam. „Ein Fürst eines halbwilden Negerstammes oder so etwas Ähnliches …“

      William zuckte nur die Achseln. Er begriff Hearns Eifer nicht und konnte sich dessen frohes, zufriedenes Gesicht nicht deuten.

      „Nebenbei bemerkt“, sagte Hearn jetzt sehr lebhaft, „habe ich unsere weiße Blume gefunden …“

      „Wieso … wo … ich habe nichts gesehen …“

      „Sehen Sie, dort, die etwas dickliche Dame mit dem zitronenfarbenen Hut … ja, dort, sie schnattert gerade … die hat gelbe Rosen, einen ganzen Strauß davon … gelb, beinah weiß … Gehen Sie bitte hin, und holen Sie mir eine …“

      „Wie stellen Sie sich das vor?“ fragte William verblüfft. „Die Dame ist in Gesellschaft, und sie verkauft doch keine Blumen; sie will sie jemandem schenken …

      „Ich stelle mir das ganz einfach vor“, unterbrach ihn Hearn. „Sie gehen hin, schlagen die Absätze recht laut zusammen und schmettern heraus, Sie seien der und der, und sie sehe bezaubernd und so weiter aus, und aus diesem begreiflichen Grunde wünschten Sie eine Rose …“

      „Inspektor, das müssen Sie mir schon vormachen. Tut mir leid, aber etwas Derartiges bringe ich nicht fertig. Außerdem würde ich die Rose auch gar nicht bekommen.“

      „So? Würden sie nicht bekommen? Wetten, daß ich sie bekomme?“ rief Hearn eigensinnig.

      Mißtrauisch und etwas besorgt blickte William dem kleinen Mann nach, wie er sich mit entschlossenen Schritten der eleganten Gesellschaft näherte. Jetzt stand er vor der Dame mit den Blumen, jetzt lüftete er seinen ausgedienten Hut und sprach auf sie ein. Sie hörte ihm aufmerksam zu, und einmal blickte sie schnell auf und sah William an. Daraufhin wandte er sich hastig um und wagte nicht mehr, hinüberzublicken. Er atmete erst erleichtert auf, als Hearn neben ihm stand, im Knopfloch eine gelbe Rose.

      „Was habe ich Ihnen gesagt?“ fragte der Inspektor mit einem zufriedenen Lächeln. „Die Rose ist da!“

      „Wie haben Sie das gemacht?“

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