Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Ihrerseits kommt die Abteilung II durch den Verkauf der zuschüssigen Lebensmittel von 100 in die Lage, um denselben Betrag mehr als bis jetzt von der Abteilung I Produktionsmittel zu erwerben. In der Tat sind von dem Gesamtüberschuß des Produkts in der Abteilung I gerade 100 noch übriggeblieben. Diese erwirbt nun die Abteilung II, um auch ihrerseits eine Erweiterung der Produktion vorzunehmen. Aber auch hier kann mit mehr Produktionsmitteln allein nicht viel ausgerichtet werden, um sie in Bewegung zu setzen, sind zuschüssige Arbeitskräfte nötig. Nehmen wir auch hier an, daß die bisherige Zusammensetzung des Kapitals beibehalten wird, also das Verhältnis des konstanten zum variablen Kapital 2:1 ist, dann bedarf es zur Betätigung der zuschüssigen Produktionsmittel von 100 neuer Arbeitskräfte für 50. Für diese neuen Arbeitskräfte bedarf es aber auch im Betrage ihrer Löhne neuer Lebensmittel, welche die Abteilung II ja selbst liefert. Von dem Gesamtprodukt der Abteilung II müssen demnach außer den zuschüssigen Lebensmitteln von 100 für die neuen Arbeiter der Abteilung I noch Lebensmittel für 50 für die eigenen Arbeiter der Abteilung II mehr als bisher verwendet werden. Die zweite Abteilung beginnt also die erweiterte Reproduktion mit folgenden Verhältnissen: 1.600 c + 800 v.
Jetzt ist das Gesamtprodukt der Abteilung I (6.000) in der Zirkulation glatt draufgegangen: 5.500 waren nötig zur bloßen Erneuerung der alten verbrauchten Produktionsmittel in beiden Abteilungen, 400 wurden zur Erweiterung der Produktion der Abteilung I, 100 zum gleichen Zweck in der Abteilung II gebraucht. Was das Gesamtprodukt der Abteilung II (3.000) betrifft, so sind davon 1.900 für den gewachsenen Stab der Arbeitskräfte in beiden Abteilungen verwendet. Die übrigen 1.100 an Lebensmitteln dienen dem persönlichen Konsum der Kapitalisten, dem Verzehr ihres Mehrwertes, und zwar: 500 in der Abteilung I, 600 für die Kapitalisten der Abteilung II, die ja von ihrem Mehrwert 750 nur 150 kapitalisiert haben (100 für Produktionsmittel und 50 für Arbeiterlöhne).
Jetzt kann die erweiterte Reproduktion vonstatten gehen. Behalten wir den Ausbeutungsgrad = 100 Prozent, wie beim Originalkapital, dann wird sich in der nächsten Periode ergeben:
I. 4.400 c + 1.100 v + 1.100 m = 6.600 | } Summa 9.800 |
II. 1.600 c + 800 v + 800 m = 3.200 |
Das Gesamtprodukt der Gesellschaft ist gewachsen von 9.000 auf 9.800, der Mehrwert in der ersten Abteilung von 1.000 auf 1.100, in der zweiten Abteilung von 750 auf 800, der Zweck der kapitalistischen Erweiterung der Produktion: die gesteigerte Mehrwerterzeugung, ist erreicht. Zugleich ergibt die sachliche Zusammensetzung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts wieder einen Überschuß der Produktionsmittel (6.600) über die tatsächlich verbrauchten (4.400 + 1.600) um 600 sowie ein Defizit der Lebensmittel (3.200) im Vergleich mit den bisher gezahlten Löhnen (1.100 v + 800 v) und erzieltem Mehrwert (1.100 m + 800 m). Damit ist bereits wieder eine sachliche Grundlage wie eine Notwendigkeit gegeben, einen Teil des Mehrwerts nicht zur Konsumtion der Kapitalistenklasse, sondern zur erneuten Erweiterung der Produktion zu verwenden.
Die zweite Erweiterung der Produktion und gesteigerte Mehrwerterzeugung ergibt sich so von selbst mit ihren mathematisch exakten Verhältnissen aus der ersten. Die einmal begonnene Akkumulation des Kapitals fuhrt mechanisch immer weiter über sich selbst hinaus. Der Kreis hat sich in eine Spirale verwandelt, die sich immer höher windet wie unter dem Zwang eines mathematisch meßbaren Naturgesetzes. Nehmen wir in folgenden Jahren immer dieselbe Kapitalisierung des halben Mehrwertes bei der Abteilung I an, wobei wir die Zusammensetzung des Kapitals und den Ausbeutungsgrad beibehalten, so ergibt sich die folgende Progression in der Reproduktion des Gesamtkapitals:
Zweites Jahr
I. 4.840 c + 1.210 v + 1.210 m = 7.260 | } Summa 10.780 |
II. 1.760 c + 880 v + 880 m = 3.520 |
Drittes Jahr
I. 5.324c + 1.331 v + 1.331 m = 7.986 | } Summa 11.858 |
II. 1.936 c + 968 v + 968 m = 3.872 |
Viertes Jahr
I. 5.856 c + 1.464 v + 1.464 m = 8.784 | } Summa 13.033 |
II. 2.129 c + 1.065 v + 1.065 m = 4.249 |
Fünftes Jahr
I. 6.442 c + 1.610 v + 1.610 m = 9.662 | } Summa 14.348 |
II. 2.342 c + 1.172 v + 1.172 m = 4.686 |
So wäre nach fünf Jahren der Akkumulation das gesellschaftliche Gesamtprodukt von 9.000 auf 14.348 gewachsen, das gesellschaftliche Gesamtkapital von 5.400 c + 1.750 v = 7.150 auf 8.784 c + 2.782 v = 11.566 und der Mehrwert von 1.000 m + 500 m = 1.500 auf 1.464 m + 1.065 m = 2.529, wobei der persönlich verzehrte Mehrwert von 1.500 vor Beginn der Akkumulation auf 732 + 958 (im letzten Jahre) = 1.690 gestiegen ist.38 Die Kapitalistenklasse hat also mehr kapitalisiert, mehr "Enthaltsamkeit" geübt und doch zugleich flotter leben können. Die Gesellschaft ist reicher geworden, in sachlicher Beziehung reicher an Produktionsmitteln, reicher an Lebensmitteln, und zugleich in kapitalistischem Sinne: Sie produziert immer größeren Mehrwert. Das Gesamtprodukt geht in der gesellschaftlichen Zirkulation glatt auf, es dient teils zur Erweiterung der Reproduktion, teils zu Konsumtionszwecken. Die Akkumulationsbedürfnisse der Kapitalisten decken sich zugleich mit der sachlichen Zusammensetzung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts; es ist, wie Marx im ersten Band des "Kapitals" gesagt hat: Der gewachsene Mehrwert kann eben deshalb zum Kapital geschlagen werden, weil das gesellschaftliche Mehrprodukt von vornherein in der sachlichen Gestalt von Produktionsmitteln zur Welt kommt, in einer Gestalt, die eben keinen anderen Gebrauch zuläßt als die Verwendung im Produktionsprozeß. Zugleich vollzieht sich die Erweiterung der Reproduktion unter strenger Einhaltung der Zirkulationsgesetze: Die gegenseitige Versorgung der beiden Abteilungen der Produktion mit zuschüssigen Produktionsmitteln und Lebensmitteln vollzieht sich als Austausch von Äquivalenten, als Warenaustausch, wobei die Akkumulation in der einen Abteilung gerade die Akkumulation der anderen ermöglicht und bedingt. Das komplizierte Problem der Akkumulation ist so in eine schematische Progression von erstaunlicher Einfachheit verwandelt. Man kann die oben begonnene Kette von Gleichungen ins unendliche fortführen. Man braucht nur die folgenden einfachen Regeln zu beobachten: Der Vergrößerung des konstanten Kapitals in der ersten Abteilung muß stets eine bestimmte Vergrößerung ihres variablen Kapitals entsprechen, mit dieser letzteren ist aber von vornherein gegeben, wie stark die Vergrößerung des konstanten Kapitals in der zweiten Abteilung sein kann; dieser wiederum muß eine entsprechende Vergrößerung