Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo
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14.
„Sie antworteten und sagten zu ihm: Du bist ganz in Sünden geboren.“ „Ganz“ ― was heißt das? Mit geschlossenen Augen. Allein der die Augen erschloß, heilt auch das Ganze; der wird die Auferstehung zur Rechten geben, der im Gesichte das Sehen gegeben. „Du bist ganz in Sünden geboren und du lehrst uns? Und sie stießen ihn hinaus.“ Sie selbst haben ihn zum Lehrmeister gemacht; sie selbst haben ihn, um zu lernen, so oft gefragt, und in ihrer Undankbarkeit stießen sie den Lehrer hinaus.
15.
Allein, wie schon vorhin bemerkt, Brüder, jene stoßen aus, der Herr nimmt auf; denn um so mehr ist er ein Christ geworden, weil er ausgestoßen wurde. „Jesus hörte, daß sie ihn ausgestoßen hatten, und da er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Sohn Gottes?“ Jetzt wäscht er ihm das Gesicht des Herzens. „Jener antwortete und sagte“ ― gleichsam wie ein vorerst bloß Gesalbter ―: „Wer ist es, Herr, daß ich an ihn glaube? Und Jesus sagte zu ihm: Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist es.“ Gesandt wurde dieser, jener wusch sich sein Gesicht im Siloe, was verdolmetscht wird: der Gesandte. Endlich, nachdem bereits das Gesicht des Herzens gewaschen und das Gewissen gereinigt war, erkannte er ihn nicht mehr bloß als Menschensohn, an den er schon vorher geglaubt hatte, sondern auch als den Sohn Gottes, der Fleisch angenommen hatte, und „sprach: Ich glaube, Herr“. „Ich glaube“, ist zu wenig. Willst du sehen, an wen er glaubt? „Er fiel nieder und betete ihn an.“
16.
„Und Jesus sprach zu ihm“ ― jetzt ist jener Tag, der Licht und Finsternis scheidet ―: „Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen, sehen, und die sehen, blind werden“. Was heißt das, o Herr? Eine schwierige Frage hast du den bereits Ermüdeten vorgelegt, aber richte unsere Kräfte auf, damit wir verstehen können, was Du gesagt hast. Du bist gekommen, damit „die nicht sehen, sehen“; richtig, denn Du bist das Licht; richtig, denn Du bist der Tag; richtig, denn Du befreist von der Finsternis: das versteht jede Seele, das sieht jeder ein. Was heißt aber das, was folgt: „und die sehen, blind werden“? Also weil Du gekommen bist, werden die blind, die sehen? Höre, was folgt, und vielleicht wirst du es erfassen.
17.
Bei diesen Worten nun entrüsteten sich „einige aus den Pharisäern und sagten zu ihm: Sind etwa auch wir blind?“ Höre nun, was sie entrüstete: „Damit, die sehen, blind werden“. „Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr blind wäret, hättet ihr keine Sünden“, obwohl die Blindheit selbst schon Sünde ist. „Wenn ihr blind wäret“, d. h. wenn ihr euch als blind erkennen, wenn ihr euch als blind bekennen und zum Arzte eilen würdet, „wenn“ ihr also so „blind wäret, hättet ihr keine Sünde“, weil ich gekommen bin, die Sünde hinwegzunehmen. „Nun aber sagt ihr: Wir sehen: eure Sünde bleibt.“ Warum? Weil ihr, sprechend: „Wir sehen“, den Arzt nicht suchet und so in eurer Blindheit verbleibet. So also ist zu verstehen, was wir vorher nicht verstanden hatten, wo er sagt: „Ich bin gekommen, damit, die nicht sehen, sehen“. Was heißt das: „Damit, die nicht sehen, sehen“? Damit die, welche bekennen, daß sie nicht sehen, und den Arzt suchen, sehen. „Und die sehen, blind werden.“ Was heißt das: „Damit, die sehen, blind werden“? Damit die, welche zu sehen meinen und den Arzt nicht suchen, in ihrer Blindheit verbleiben. Also diese Scheidung nannte er Gericht, da er sprach: „Ich bin zum Gerichte in diese Welt gekommen“, womit er die Sache derjenigen, die glauben und bekennen, von den Stolzen scheidet, die da meinen, daß sie sehen, und die darum um so mehr verblendet werden; gleich als ob der bekennende und den Arzt suchende Sünder zu ihm sprechen würde: „Richte mich, o Gott, und scheide meine Sache von dem unheiligen Volke“1252, derer nämlich, welche sagen: „Wir sehen“, und ihre Sünde bleibt. Nicht aber hat er jetzt schon jenes Gericht über die Welt verhängt, das er über die Lebendigen und Toten am Ende der Welt abhalten wird. Im Sinne dieses Gerichtes hatte er gesagt: „Ich richte niemand“1253, weil er zuerst kam, „nicht um die Welt zu richten, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde“1254.
45. Vortrag
Einleitung.
Fünfundvierzigster Vortrag.
Von da an: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer nicht durch die Türe in den Schafstall eingeht, sondern anderswo hineinsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber“, bis dahin: „Ich bin gekommen, daß sie das Leben haben und es im Überflusse haben“. Joh. 10, 1―10.
1.
Der sehend gewordene Blindgeborene hat den Ausgangspunkt der Rede des Herrn an die Juden gebildet. Von dem Zusammenhang dieses Lesestückes mit dem heutigen mußte eure Liebe Kenntnis haben und daran erinnert werden. Als nämlich der Herr gesagt hatte: „Ich bin zum Gerichte in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen, sehen, und die sehen, blind werden“, was wir anläßlich der letzten Lesung nach Vermögen erklärten, sagten einige aus den Pharisäern: „Sind etwa auch wir blind?“ Er antworte ihnen: „Wenn ihr blind wäret, würdet ihr keine Sünde haben; nun aber sagt ihr: Wir sehen; eure Sünde bleibt“1255. Diesen Worten fügte er das bei, was wir bei der heutigen Lesung vernommen haben.
2.
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer nicht durch die Türe in den Schafstall eingeht, sondern anderswoher hineinsteigt, der ist ein Dieb und Räuber.“ Sie sagten nämlich, daß sie nicht blind seien; sehen aber könnten sie dann, wenn sie Schafe Christi wären. Woher nahmen sie für sich das Licht, die gegen den Tag wüteten? Wegen ihrer eitlen, stolzen und unheilbaren Anmaßung also reihte der Herr dieses an, wodurch er uns, wenn wir es verstehen, auf heilsame Weise eine Mahnung gegeben hat. Es gibt ja viele, die im Sinne einer gewissen Führung des gegenwärtigen Lebens gute Menschen, gute Männer, gute Frauen, unsträflich genannt werden und das, was im Gesetze vorgeschrieben ist, so gut wie beobachten: sie erweisen ihren Eltern Ehre, lassen sich keinen Ehebruch zu Schulden kommen, begehen keinen Totschlag, stehlen nicht, geben kein falsches Zeugnis gegen jemand und erfüllen die übrigen Vorschriften des Gesetzes in ihrer Weise, aber sie sind keine Christen und brüsten sich gemeiniglich wie jene: „Sind etwa auch wir blind?“ Weil sie aber dies alles, was sie tun, ohne zu wissen, auf welches Ziel sie es beziehen sollen, vergebens tun, so hat der Herr in der heutigen Lesung von seiner Herde und von der Türe, durch die man in den Schafstall eingeht, ein Gleichnis vorgelegt. Mögen also die Heiden immerhin sagen: Wir leben gut. Wenn sie nicht durch die Türe eingehen, was nützt ihnen das, dessen sie sich rühmen? Denn dazu soll einem ein gutes Leben nützen, daß ihm das ewige Leben gegeben wird; denn wenn nicht das ewige Leben verliehen wird, was nützt dem ein gutes Leben? Kann man ja nicht einmal von einem guten Leben bei denjenigen reden, die das Ziel eines guten Lebens entweder aus Blindheit nicht kennen oder aus Dünkel verachten. Es gibt aber für niemand eine wahre und sichere Hoffnung auf das ewige Leben, wenn er nicht das Leben, welches Christus ist, erkennt und durch die Türe in den Schafstall eingeht.
3.
Es suchen nun gewöhnlich solche Menschen auch andere zu bereden, daß sie gut leben und keine Christen sein sollen. Sie wollen von einer anderen Seite einsteigen, rauben und töten, nicht wie der Hirt bewahren und retten. Es gab also gewisse Philosophen, die über die Tugenden und Laster sorgfältige Untersuchungen in großer Fülle anstellten, einteilten,