77 versteckte Orte in Berlin. Johannes Wilkes

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77 versteckte Orte in Berlin - Johannes Wilkes

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      Hat der Berliner aber einmal gelobt, dann gibt’s keine Widerrede und vor allem nichts mehr am Ort, was nun noch des Lobes wert wäre. ›Wenn Se den nich jesehn ham, ham Se übahaupt nischt jesehn –! Dixit.‹

      Die Form des Berliner Lobes lässt deutlich erkennen, wie sehr der Tadel in dieser Stadt das Primäre ist – es wirkt immer wie ein ins Freundliche umgebogener, für dieses Mal nicht anwendbarer Tadel. ›Das ist schon sehr begabt!‹ – wieviel Huld, wieviel Leutseligkeit steckt darin! Dies Lob grüßt wie eine dicke Hand aus einer hochherrschaftlichen Limousine.

      Bevor der Berliner aber tadelt oder lobtadelt, setzt er sich gestrafft aufs Richterstühlchen, und niemals, unter keinen Umständen, ist er locker und unbefangen. Er will diss nu mal genau feststellen – und die eingezogenen Lippen und das leicht zurückgenommene Kinn demonstrieren, wessen sich das Objekt der Kritik zu gegenwärtigen hat. ›Na, nu zeijen Sie mal, was Sie könn!‹ Worauf sich Notre-Dame, Sacha Guitry, die Seine und die Sonne von Chantilly abzuschwitzen haben.

      Und ewig werde ich an das Wort eines Landsmanns denken, der nach vierwöchigem Aufenthalt das Wort der Worte über Paris gesprochen hat. Dieses: ›Paris – wat ist denn det für ne Stadt! Hier jibts ja nich mah Schokoladenkeks –!‹«

      Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 in Moabit geboren. An seinem Geburtshaus in der Lübecker Straße 13 erinnert eine Tafel an den großen Publizisten, dessen großes Vorbild Heinrich Heine gewesen ist, eine weitere Tafel findet sich in Friedenau an der Bundesallee 79, wo er von 1920 bis 1924 lebte. Sein Einfallsreichtum war legendär. Um den Verkauf seiner Erzählung Rheinsberg: ein Bilderbuch für Verliebte zu fördern, hatte er auf dem Kurfürstendamm eine Bücherbar errichtet: Jeder, der ein Exemplar erwarb, bekam einen Schnaps dazu serviert. Sein Jurastudium brachte er nur mit Mühe zum Abschluss, er lebte schon ganz für die Schriftstellerei. Als er, zunehmend angefeindet, 1929 Deutschland verließ, schrieb er aus dem Exil Deutschland, Deutschland über alles, eine kritische Abrechnung mit dem dumpf-nationalen, bürgerlich-militärischen Denken vieler Deutscher. An deren Ende aber heißt es: »Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Feier, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.«

      Gedenktafel am Haus Wundtstraße 65

      Wer war der Mensch Tucholsky? Dazu die hübsche Anekdote einer Buchhändlerin. Ende der Zwanzigerjahre betrat ein sehr normal aussehender, untersetzter, etwas dicklicher Herr ihre Charlottenburger Buchhandlung, trat an den Tisch mit den Neuerscheinungen und suchte sich einige Bücher aus mit der Bitte, sie ihm zuzusenden. Als er seinen Namen nannte, sah die Buchhändlerin erstaunt auf. Kurt Tucholsky! Der bekannte Schriftsteller und Journalist! In ihrer Buchhandlung, konnte das sein? Er lachte und sagte: »Ja, es ist richtig, ich bin Tucholsky – ich seh’ nur nicht so aus!«

      Wenig später machte sich Hermann, der kleine Lehrling, auf den Weg, die Bücher zu liefern. Es verging eine Stunde, es vergingen zwei Stunden – Hermann kam nicht zurück. Endlich aber erschien er, mit freudestrahlendem Gesicht. »Wo bist du denn gewesen?«, fragte ihn seine Chefin. – »Na, doch bei Tucholsky.« – »Was, so lange?« – »Ja, als ich ihm die Bücher gab, fragte er mich: ›Was willst du lieber haben, ein Trinkgeld oder dass ich dir was auf dem Klavier vorspiele?‹ Natürlich habe ich gesagt: ›Was vorspielen.‹ Da hat er mich auf den Stuhl gesetzt und sich ans Klavier und hat mir bis jetzt vorgespielt. Es war wunderbar.«

      Redaktion der Weltbühne

      Wundtstraße 65

      14057 Berlin

      Kurt Tucholsky

      7 Rogacki Feinkost (Charlottenburg)

      Von außen unscheinbar: Rogacki Feinkost

      Schon Großvater Paul, ein passionierter Angler, verkaufte Fisch. Seit dem Jahr 1928 bepackte er seinen Bollerwagen und zog vom Weddinger Hafen los ins vornehme Charlottenburg, um die Köchinnen der Großbürger mit Flossentieren zu versorgen, an den Freitagen vor allem. Die Nachfrage wuchs, der Bollerwagen wurde immer schwerer und der Weg zunehmend mühsamer. So entschloss sich Paul Rogacki, den Bollerwagen einzumotten und stattdessen in die Nähe seiner Kundschaft zu ziehen. 1932 war es so weit. Die »Erste Charlottenburger Aal- und Fischräucherei« öffnete ihre Pforte. Auch wer nicht mehr gut sah, konnte die Fischhalle nicht verfehlen. Immer nur der Nase nach, die köstlichen Düfte von Rogacki zogen verheißungsvoll durch die Wilmersdorfer Straße. Wer wollte, konnte seinen aus der Spree gefischten Aal zu Rogacki tragen, um ihn dort räuchern zu lassen. Kaum zu glauben: Die gusseisernen Räucheröfen sind immer noch in Funktion. Auf diese Weise, mit echtem Buchenholz, räuchert heute keiner mehr. Für Rogackis Räucherfisch kommen selbst Berliner nach Charlottenburg, die ihren Kiez nicht einmal für die eigene Beerdigung verlassen würden. Aber auch Freunde des frischen Fischs zieht es in das Traditionsgeschäft. Gleich neben dem Räucherofen befinden sich die Fischbecken, in denen Lachsforellen und Saiblinge lustig ihre finalen Runden ziehen. Wer will, kann seinem Mittagessen persönlich in die Augen schauen und mit dem Finger drauf deuten, dann saust der Käscher des Fischmeisters fröhlich hinterher und schon zappelt der Fang im Netz. Ein beherzter Hieb mit dem Schlagstock gegen den Schädel, und der Forelle wird schwarz vor Augen. So bekommt sie nicht mehr mit, wie ihr die Kehle durchtrennt wird, ein schneller, ein gnädiger Tod. Zwischen 70 Fischsorten hat man die Qual der Wahl. Viele Stammkunden kommen wegen einer anderen Meeresfrucht: Gemütlich steht man an den Rundtischen zusammen, lässt eine Zitrone spritzen und schlürft bei einem Fläschchen Weißen genüsslich eine Auster nach der anderen.

      Doch nicht nur Freunde von Meeresfrüchten kommen bei Rogacki auf ihre Kosten. In dem weiträumigen Laden, dessen wahre Größe man von der Straße aus nicht vermutet, gibt es neben einem Käsestand auch eine Wursttheke. Ein echtes Kunstwerk ist das Hackepeter-Schwein. Nachdem man ein Schwein geschlachtet und zerlegt hat, wird es durch den Wolf gedreht und aus dem Gehackten sodann formvollendet ein neues Schwein modelliert. Ehrlicher geht’s nicht. Und nicht fröhlicher, blinzelt einem das Hackepeter-Schweinchen mit seinen Olivenaugen doch lustig zu. Auch das Ringelschwänzchen darf nicht fehlen, es ist sogar für Vegetarier geeignet, ist es doch liebevoll aus Paprika gedrechselt.

      Wunderbar nostalgisch ist die Inneneinrichtung, schönstes, altes Westberlin. Und so herrlich grün! Es grünt so grün, wenn Rogackis Fliesen blühn. Grüner ist kein Berliner Laden. 1972, zum 50. Firmenjubiläum, hat man die Wände neu gekachelt und damit den Charakter einer Markthalle unterstrichen. Unbestritten ist Rogacki Kult. Gestritten wird nur darüber, wie man den Namen eigentlich ausspricht. Rogakki? Oder polnisch Rogatz-ki? Egal, Hauptsache, es schmetz-kt!

      Rogacki

      Wilmersdorfer Straße 145/46

      10585 Berlin

      8 Otto-Suhr-Allee (Charlottenburg)

      Um

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