Nebra. Thomas Thiemeyer

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Nebra - Thomas Thiemeyer Hannah Peters

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von Dr.Moritz Feldmann lag ein Stockwerk höher, am Ende des Gangs. Hinter einem gewaltigen Schreibtisch, auf dem bis an die Grenze der Belastbarkeit Bücher, Zeitschriften und sonstige Dokumente gestapelt waren, saß ein drahtiger älterer Mann, dessen graue, ruhelose Augen hinter einer edlen Brille mit halbrunden Gläsern hervorstachen. Seine Haare waren ebenfalls grau und kurzgeschoren, und sein modisch gestutzter Dreitagebart ließ die Konturen seines Gesichts unnatürlich hart hervortreten. Salopp in Jeans und ein weißes Hemd gekleidet, hätte man ihn durchaus für einen Mann aus der Werbebranche halten können, wäre da nicht diese straffe Haltung und die unnahbare Aura gewesen, die ihn wie der Geruch eines zu scharfen Aftershave umgab. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er auf Hannahs Besuch gewartet hatte.

      »Treten Sie ein«, sagte Feldmann, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. »Und schließen Sie bitte die Tür.«

      Hannah begann sich unwohl zu fühlen. Wieso nur hatte sie in Feldmanns Gegenwart immer das Gefühl, wieder eine Studentin zu sein?

      »Nehmen Sie Platz, und bedienen Sie sich mit Kaffee, wenn Sie mögen.«

      Hannah ging auf die andere Seite des Raumes, der mit Büchern geradezu überfrachtet war. In den Regalen reihten sich Ordner neben Kunstbänden und verstaubte Dissertationen neben Hochglanzbroschüren seltener Antiquitäten. Am Fenster, von dem aus man den Marktplatz überblicken konnte, stand eine Kaffeemaschine. Ein uraltes Gerät, das in dem neuen Büro wie ein Fremdkörper wirkte. Während sie sich eine Tasse Kaffee einschenkte, riskierte sie einen Blick über Feldmanns Schulter. Ihr war bisher noch nie aufgefallen, dass er mit der Hand schrieb. Noch dazu mit einem Füllfederhalter. Sehr ungewöhnlich. Ein Verdacht keimte in ihr auf. Sie trat näher, um sich die Handschrift anzusehen. Es war eine andere als auf dem anonymen Brief. Nicht so markant. Aber das wollte nichts heißen. Handschriften konnte man imitieren, wenn man über das nötige Talent verfügte.

      In diesem Moment drehte Dr.Feldmann sich um. Fragend blickte er sie an. Sie schrak zurück. »Bitte entschuldigen Sie, ich wollte nicht spionieren«, murmelte sie. Mit hochrotem Kopf begab sie sich an ihren Platz zurück.

      »Ich muss nur noch diesen Brief zu Ende schreiben«, sagte er. Ihn schien ihre Neugier nicht im Geringsten zu stören. »Ich bin gleich fertig. Ein Dankesschreiben an den Kulturdezernenten von Basel für seine aufopferungsvolle Arbeit während der Ausstellung. Für den Einsatz seiner Mitarbeiter, die Sicherheitsmaßnahmen sowie den Rücktransport der Leihgaben.« Er wedelte mit der Hand in der Luft herum. »Die üblichen Honneurs, Sie wissen schon.«

      Hannah tat so, als wüsste sie, und nahm einen Schluck Kaffee. Das alles schien mehr mit Politik zu tun zu haben als mit Archäologie. Sollte das der Weg sein, den man einschlug, wenn man die Karriereleiter emporstieg? Es war jedenfalls nicht ihr Weg. Politik war nichts für sie. Sie war in ihren Augen ein schmutziges Geschäft. Voller Fallen, die sich vor einem auftaten und in die man unweigerlich hineinstolperte, wenn man nicht aufpasste.

      »So.« Schwungvoll unterschrieb Feldmann den Brief, faltete ihn und steckte ihn in ein Kuvert. »Das war’s. Die Ausstellung war ein großer Erfolg, wie Sie sicher wissen. Da ist ein kleines Dankeschön angebracht. Es war sicher nicht die letzte Ausstellung dieser Art. Die Schweizer sind ein wohlhabendes Volk und gerne bereit, für Wissenschaft und Kultur ein paar Franken auszugeben. Und damit sie das weiterhin tun, bin ich bereit, Klinken zu putzen. Geben und nehmen, verstehen Sie?«

      Er lehnte sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf.

      »Aber nun zu Ihnen. Ich hatte gestern Abend noch Zeit, Ihren Bericht zu lesen, den Sie mir per E-Mail zugeschickt haben. Bevor ich etwas dazu sage, wüsste ich gern, wie Sie selbst über die Reise denken.«

      Hannah zögerte. Sie spürte, dass dies eine Fangfrage war. Jetzt war Vorsicht geboten.

      »Es ist noch zu früh für eine abschließende Bewertung«, begann sie zaghaft. »Dazu müsste ich erst die Fotografien auswerten. Sie wissen schon, Vermessung, Winkelstellungen, Alter, Herkunft, das ganze Programm. Die Parallelen zwischen der Bildsprache der Ägypter und den Erbauern der Himmelsscheibe sind nicht zu übersehen. Eindeutig ein Beleg für die kulturellen Kontakte, die zwischen den Kontinenten bestanden haben. Es gibt allerdings auch Unterschiede. Bedeutende Unterschiede, zum Beispiel bei der Darstellung des Sternenhimmels. Trotzdem würde ich die Reise als Erfolg werten.« Sie machte eine Pause. Sie fühlte, dass ihr der Abgang nicht gelungen war. Ein Wort wie trotzdem zu benutzen, war immer ungeschickt, es klang nach Beschönigung. Feldmann hatte keine Miene verzogen. Er wartete, lauernd, wie ein Kater, ehe er seine Krallen ausfuhr.

      »Haben Sie irgendwelche Abbildungen der Himmelsscheibe gefunden?«

      »Nein.«

      »Irgendwelche Antworten auf unser Sternenproblem?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Es muss aber Verbindungen gegeben haben«, gab sie zu bedenken. »Die Sonnenbarke, die Plejaden. Das kann unmöglich ein Zufall sein.«

      »Dann werten Sie die Reise also als Erfolg?«

      Sie reckte das Kinn vor. »Das tue ich.«

      Feldmann beugte sich vor. »Wollen Sie wissen, was ich davon halte?«

      Hannahs Blick verdüsterte sich. »Sie scheinen höchst begierig zu sein, es mir mitzuteilen.«

      »Ich halte sie für rausgeworfenes Geld. Ich habe es Ihnen vorher gesagt, und ich bin immer noch dieser Meinung. Gewiss, manche werden fragen, warum ich mich so aufrege. Was sind schon zweitausend Euro für Reisekosten, Spesen und Bestechungsgelder, wenn man über einen Forschungsetat von fünf Millionen verfügt. Aber Sie wissen ja, wie das ist. Ein bisschen hier, ein bisschen da, und auf einmal ist alles weg. Dann hat man plötzlich nicht mehr genug Geld, um sich die paar Briefmarken für ein Bewerbungsschreiben zu leisten. Hinzu kommt, dass die fünf Millionen mit der Erwartung verbunden sind, dass dieses Geld in den nächsten Jahren seinen Weg wieder zurück in die Kassen des Landes findet. Der Kulturhaushalt des Landes Sachsen-Anhalt ist äußerst knapp bemessen, und die Himmelsscheibe von Nebra ist einer der wenigen Publikumsmagnete in diesem Land. Aber ein Magnet kann an Kraft verlieren. Mir sitzen immer noch die Zweifler im Nacken. Diese ewigen Nörgler, die behaupten, es handle sich vielleicht doch um eine Fälschung. Immer wieder liest man die Behauptung, es gäbe Möglichkeiten, das Material künstlich altern zu lassen. Natürlich gibt es die, das wissen Sie genauso gut wie ich.«

      »Aber nicht auf die Art und Weise, wie es bei der Himmelsscheibe der Fall ist«, erwiderte Hannah. »Allein der Kristallisationsgrad der oxidierten Bronze …«

      Feldmann winkte ab. »Diese Leute werden nicht schweigen, ehe ich ihnen nicht Funde präsentiere, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Scheibe stehen. Irgendetwas, auf dem die Scheibe abgebildet ist. Wenn wir unsere Theorien nicht bald untermauern können, wird unsere Entdeckung in Vergessenheit geraten, und die Geldquellen werden versiegen.«

      Hannah verdrehte im Geiste die Augen. Feldmann war mal wieder bei seinem Lieblingsthema angelangt – dem lieben Geld. Mit gerötetem Gesicht stand er auf und begann mit einem Vortrag, den Hannah so oder so ähnlich schon mindestens dreimal gehört hatte.

      »Sie wissen doch, wie das ist mit dem Gedächtnis der Menschen«, fuhr er fort. »Es ist löchrig wie ein Sieb. Muss ständig gefüttert werden. Die Halbwertszeit von Nachrichten beträgt nicht mal einen Monat. Wer redet heute noch von BSE, Vogelgrippe oder Aids? Heute regt sich alle Welt darüber auf, doch schon morgen kann sich kein Mensch mehr daran erinnern. Und genauso ist es auch mit Funden wie unserem. Was meinen Sie, warum ich so bestrebt bin, die Scheibe dauernd in Umlauf zu halten, warum ich den Aufwand auf mich nehme, ständig neue Ausstellungen zu organisieren? Das Interesse der Öffentlichkeit bleibt

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