Nebra. Thomas Thiemeyer

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Nebra - Thomas Thiemeyer Hannah Peters

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      Hannahs Gesicht blieb ausdruckslos.

      »Die Automarke.«

      »John

      Enttäuscht zuckte er mit den Schultern. Es war unübersehbar, dass sein Humor auf unfruchtbaren Boden gefallen war. »Also schön. Was willst du wissen?«

      »Alles. Nur nichts über japanische Autos.«

      »Trockene Fakten also«, sagte er. »Ganz wie du willst.« Er musste kurz in seinem Gedächtnis kramen, um die Fakten abzurufen. »Die Plejaden sind ein offener Sternenhaufen im Sternbild des Stiers. Sie umfassen etwa fünfhundert relativ junge Sterne, die in einen blau leuchtenden Nebel eingebettet sind. Die Entfernung zur Erde beträgt etwa vierhundert Lichtjahre. Astronomisch gesprochen, liegen sie also in unmittelbarer Nachbarschaft. In der griechischen Mythologie waren die Plejaden die sieben Töchter des Atlas, die von Zeus an den Himmel versetzt worden sind, zum Schutz vor dem Jäger Orion. Gemeinsam mit den Hyaden bilden sie das Goldene Tor der Ekliptik. Dieser Name rührt zum einen daher, dass sie in ihrer Mitte von der scheinbaren Sonnenbahn durchzogen werden, und zum anderen vom Umstand eines sich verschiebenden Frühlingspunktes. Noch bis etwa zweitausend vor Christus lag dieser Punkt, den man seit jeher mit Wachstum und Fruchtbarkeit gleichsetzte, im Sternbild des Stiers. Im Laufe der Jahrhunderte ist er jedoch nach Nordwesten gewandert.«

      »Aha.« Hannahs ratlosem Gesichtsausdruck nach zu schließen, hatte sie nur die Hälfte verstanden. »Würdest du sagen, die umliegenden Sternenbilder hier an der Wand entsprechen in etwa dem Nachthimmel, wie er vor dreitausendfünfhundert Jahren über dem Nil zu sehen war?«

      John nahm Hannah die Taschenlampe aus der Hand und trat einen Schritt zurück. »Also hier im Norden ist Auriga, der Fuhrmann, zu sehen, Lepus, der Hase, im Süden, im Osten Gemini, die Zwillinge. Aries, der Widder, im Westen. Ja, alles da, soweit ich das beurteilen kann.«

      »Wie würde sich der Himmel einige tausend Kilometer weiter nördlich darstellen?«

      »Du meinst dort, wo die Scheibe gefunden wurde?«

      »Ja.« Hannah warf ihm einen gespannten Blick zu.

      »Genauso. Nur alles in Richtung Süden verschoben.«

      »Etwa in dieser Art?« Sie hob die Fotografie in den Lichtkegel.

      John verglich die Darstellung der Himmelsscheibe mit dem Relief und runzelte die Stirn. Hier stimmte gar nichts. Nicht ein einziger Stern war da, wo er hingehörte. Während auf der ägyptischen Darstellung die Sternbilder genau rekonstruiert worden waren, herrschte auf der Himmelsscheibe ein einziges Durcheinander, ein beinahe willkürlich anmutendes Chaos. Das war in der Tat höchst ungewöhnlich.

      »Jetzt siehst du, vor welchem Problem ich stehe«, sagte Hannah.

      »Seltsam«, sagte John. »Man dürfte doch annehmen, dass die Erbauer, wenn sie sich schon die Mühe machen, eine Scheibe zu konstruieren, mit der sich der Lauf der Gestirne und der Jahreszeiten festlegen lässt, auch die umgebenden Sternbilder halbwegs korrekt abbilden würden. So schwierig ist das nicht. Die betreffenden Sterne sind mühelos mit bloßem Auge zu erkennen.«

      »Nicht nur das«, sagte Hannah, während sie auf das Foto blickte. »Die Erbauer scheinen jegliche Übereinstimmung tunlichst vermieden zu haben. Wir haben das Muster wieder und wieder durch den Computer laufen lassen, vergeblich. Danach haben wir das Programm umgeschrieben, in der Hoffnung, vielleicht irgendwelche Muster zu erkennen. Fehlanzeige. Die Verteilung erscheint völlig willkürlich.«

      John legte die Stirn in Falten. »Vielleicht ist genau das beabsichtigt gewesen, auch wenn es keinen Sinn ergibt.«

      »Nein.« Hannah schüttelte entschieden den Kopf. »Nichts an dieser Scheibe ist willkürlich. Sie ist bis ins Kleinste durchdacht und gearbeitet. Warum sollten ihre Erbauer ausgerechnet an diesem Punkt schlampig werden? Es gibt ein Muster, das spüre ich. Wir haben es nur noch nicht gefunden.« Sie ließ die Schultern hängen, und mit einem Seufzen sagte sie: »Seit einem Dreivierteljahr sitze ich vor diesem Problem und bin noch keinen Schritt weitergekommen. Es ist zum Verzweifeln.«

      »Was hat dir dann die Reise nach Ägypten überhaupt gebracht? Ich meine, abgesehen von der Gelegenheit, mich wiederzusehen.« Er setzte sein charmantestes Lächeln auf. Doch Hannah schien nicht nach Flirten zumute zu sein. »Ich weiß nicht«, sagte sie, und ihre Stimme war durchzogen von tiefer Resignation. »Irgendwie hatte ich gehofft, eine Spur zu finden. Hätten die Ägypter ihren Sternenhimmel ebenfalls als chaotisches Muster dargestellt, so hätte man daraus schließen können, dass diese Art der Darstellung für diese Epoche eben üblich gewesen ist. Jetzt aber muss ich mir eingestehen, dass es, bei aller Ähnlichkeit, eben doch bedeutende Unterschiede gibt. Unterschiede, die das Rätsel um die Scheibe noch größer machen.« Enttäuscht rollte sie die Fotografie zusammen und packte sie zurück in ihre Umhängetasche. »Ich fürchte, ich habe dich völlig umsonst herbestellt. Bitte verzeih mir.«

      »Für mich hat sich der kleine Ausflug auf jeden Fall gelohnt. Immerhin durfte ich dich wiedersehen.« Er musterte sie aufmerksam. »Was wirst du jetzt tun?«

      Hannah seufzte. »Keine Ahnung. Wie es scheint, werde ich nach meiner Heimkehr wieder bei null anfangen müssen. Ich weiß noch gar nicht, wie ich das meinem Chef beibringen soll.« Ungehalten klemmte sie sich die Tasche unter ihren Arm und wandte sich zum Gehen. »Zerbrich dir nicht den Kopf meinetwegen. Ich komme schon klar. Auf jeden Fall bin ich dir über alle Maßen dankbar, dass du dir die Zeit genommen hast.«

      »Du wirst mich doch auf dem Laufenden halten, oder?«, fragte John. »Wenn du ein Problem hast, melde dich bitte. Ich würde dir gerne helfen, wo immer ich kann.«

      Hannah zögerte. Tausend Gedanken schienen ihr im Kopf herumzuschwirren, tausend Worte, die unausgesprochen waren. Für einen kurzen Moment glaubte John, es käme doch noch zu der erhofften Aussprache. Doch dann entschied sie sich für die kurze Fassung.

      »Danke«, sagte sie. »Danke für alles, und lebe wohl.«

      John beobachtete, wie sie den Tempel verließ und auf der großen Prachttreppe in Richtung Fluss ging. Immer kleiner und kleiner wurde sie, während ihr Schatten sich langsam in der unendlichen Weite der Wüste verlor. Eine unerwartete Traurigkeit überfiel ihn. Auf einmal erinnerte er sich an alles, was er ihr noch hatte sagen wollen, all die Fragen, die er noch hatte stellen wollen. Zu spät.

      Als sie nur mehr stecknadelkopfgroß war, drehte er sich um und ging in Richtung des Ostflügels. Nicht mehr lange, und die Touristen würden wie die Heuschrecken einfallen, schwatzend, lärmend und von dem Geräusch unentwegt klickender Fotoapparate umgeben. Seinen Schritt beschleunigend, durchquerte er die Ruhmes- und die Krönungshalle, schritt vorbei an dem Brunnen des Lebens und der Pforte des Sonnengottes. Als er die Statue von Thutmosis erreicht hatte, blieb er stehen. Obwohl niemand zu sehen war, wusste er, dass er nicht allein war.

      »Ist sie fort?«

      Die Stimme kam hinter der nächsten Säule hervor. Eine kräftige dunkle Männerstimme mit einem seltsamen Akzent. John bemerkte eine Bewegung im Sand. Einer der Schatten hatte seine Position verändert. Für einen kurzen Moment war er versucht, zu dem Besucher hinüberzugehen, verwarf den Gedanken aber wieder. Es gab sicher einen Grund, warum er unentdeckt bleiben wollte.

      »Ja«, entgegnete John. »Sie ist gegangen.«

      »Gut. Es ist besser, wenn sie von meiner Anwesenheit nichts erfährt. Haben Sie das Gespräch aufgezeichnet?«

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