Nebra. Thomas Thiemeyer

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Nebra - Thomas Thiemeyer Hannah Peters

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denn, jetzt schon?«

      »Ja«, keuchte sie. »Ich bin völlig aus der Puste.« Sie lehnte sich gegen einen mannshohen Felsen.

      Lächelnd kam er zu ihr herunter. »Von mir aus gern. Gegen einen Kaffee habe ich nichts einzuwenden. Hier. Setz dich da drauf.« Er zog eine Sitzunterlage aus seinem Rucksack und blies etwas Luft hinein. »Damit holt man sich keinen kalten Hintern«, sagte er, während er die Matte auf einen Stein legte. Hannah nahm die Einladung dankbar an. Im Nu hatte er eine Thermoskanne hervorgezaubert und schenkte ihr eine Tasse duftenden Kaffee ein. Hannah nippte daran und blickte sich um.

      »Schön ist es hier«, konstatierte sie, als sie fühlte, wie das warme Getränk neue Kraft spendete. »Genau so, wie ich mir den Wald in den Märchen immer vorgestellt habe. Würde mich nicht wundern, wenn hier gleich eine Horde singender Zwerge hinter dem nächsten Baum hervorkommt.«

      »Höre ich da etwa Ironie heraus?« Michael schenkte sich ebenfalls eine Tasse ein. »Ich habe mich übrigens mal umgehört wegen des seltsamen Leuchtens gestern Abend. Also ein Feuerwerk war das nicht.«

      »Vielleicht ein Hexensabbat«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln. »Ein Haufen wilder Weiber, die sich schon mal für den großen Abend warm machen.«

      Michael schüttelte den Kopf. »Je länger wir uns unterhalten, umso mehr frage ich mich, warum du eigentlich hergekommen bist. Aus tiefempfundener Liebe zu diesem Landstrich doch wohl eher nicht.« Ein schelmisches Grinsen umspielte seinen Mund.

      Hannah lag eine flapsige Antwort auf der Zunge, doch dann entschied sie sich, ihm die Wahrheit zu sagen. Sie hatte noch nie gut lügen können. Außerdem spürte sie das tiefe Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen. Jemand Außenstehendem, der nichts mit ihrem Job zu tun hatte.

      »Ich gebe es zu«, sagte sie. »Dass ich hier Urlaub mache, ist nur die halbe Wahrheit. Ein Stück weit hat es mit meinem Beruf zu tun.«

      »Ah.« Michael setzte sich auf den Stein neben ihr. Seine Augen leuchteten. »Ich hatte gleich so einen Verdacht und habe mich schon gefragt, wann du endlich mit der Sprache rausrückst.«

      »Du hättest fragen können.«

      Er schüttelte den Kopf. »Ich finde, jeder sollte nur das von sich erzählen, was er wirklich preisgeben möchte. Aber dass etwas Besonderes an dir ist, das war mir gleich von Anfang an klar.«

      Hannah runzelte die Stirn. »Wieso das?«

      »Keine Ahnung. Nennen wir es Intuition. Ich bin ganz gut darin, Menschen einzuschätzen. Ist ein Teil meines Berufes.«

      »Jetzt bin ich aber gespannt«, sagte Hannah lächelnd. »Worauf tippst du bei mir?«

      Er überlegte kurz, dann sagte er: »Du bist viel herumgekommen. Norddeutscher Akzent und sonnengebräunte Haut, eine ungewöhnliche Mischung. Allerdings keine frische Bräune, sondern eine, die schon länger zurückliegt. Ein längerer Auslandsaufenthalt, würde ich sagen. Dazu der Schmuck, den du gestern getragen hast. Ich habe so etwas schon einmal gesehen. Tuaregkunst, habe ich recht? Das lässt vermuten, dass du mal in der Sahara warst.« Er lehnte sich zurück. »Deine Art, zu sprechen, deine Gesten – all das lässt den Schluss zu, dass du lange Zeit in einer anderen Kultur gelebt hast und dass du erst seit einer gewissen Zeit zurück in Deutschland bist.«

      Hannah nickte anerkennend. »Nur weiter.«

      »Deine Ausdrucksweise lässt auf einen akademischen Hintergrund schließen, vielleicht aus dem Bereich Naturwissenschaften. Du sagst, dein Besuch im Harz hätte etwas mit deinem Job zu tun. Dass diese Gegend geologisch sehr interessant ist, wissen wir beide. Also tippe ich mal: Du könntest Geologin sein.«

      Hannah lächelte geheimnisvoll. »Nicht schlecht, besonders der Anfang. Am Ende hast du dich etwas verrannt. Wenn du es genau wissen willst: Ich bin keine Geologin, sondern Archäologin.«

      »Archäologin?«

      »Ich arbeite an der Erforschung der Himmelsscheibe von Nebra. Schon mal davon gehört?«

      Sein Mund blieb offen stehen.

      »Irgendetwas nicht in Ordnung?« Seiner Reaktion nach zu urteilen, war er mehr als nur leicht überrascht. »Es ist ein Beruf wie jeder andere. Na ja, fast«, sagte sie mit einem Schulterzucken.

      Er schüttelte den Kopf. »Bitte verzeih mein Erstaunen«, sagte er. »Es kommt nicht oft vor, dass mich eine Nachricht so aus den Schuhen hebt.«

      »Aber warum?« Hannah verstand es immer noch nicht. »Zugegeben, es ist kein x-beliebiger Bürojob, obwohl ich das letzte Jahr fast nur in Labors und Büros zugebracht habe. Aber trotzdem ist es nur ein Job

      »Nur ein Job?« Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Du behauptest, an der Erforschung des wohl wichtigsten archäologischen Fundes der letzten hundert Jahre beteiligt zu sein, und sagst, es wäre nur ein Job? Tut mir leid, aber das ist die Untertreibung des Jahres.«

      »Dann weißt du also etwas darüber?«

      »Ich weiß so gut wie alles darüber.« Er richtete sich auf. »Jedenfalls das, was in den Medien darüber zu sehen, zu lesen und zu hören war. Ich bin ein Doku-Freak, um genau zu sein. Ich schaue mir so ziemlich jede Dokumentation im Fernsehen an und lese jeden Artikel in den einschlägigen Zeitschriften. Als ich dir gesagt habe, ich wäre besessen von Geschichten und Geschichte, habe ich keineswegs übertrieben. Ich weiß alles über diese Gegend, über ihre Geschichte, über ihre Geheimnisse. Und jetzt sitze ich einer Frau gegenüber, die behauptet, die sagenumwobene Himmelsscheibe in Händen gehalten zu haben.« Wieder schüttelte er den Kopf. »Ich kann es immer noch nicht glauben.«

      »Ich habe sie nicht nur in den Händen gehalten.« Sie grinste. »Ich habe sie gemessen, gewogen, sie erhitzt, verbogen, Späne davon abgerieben und mit Strahlen bombardiert. Alles im Dienste der Wissenschaft, wohlgemerkt. Ich hätte ihr noch viel üblere Sachen angetan, wenn man mich nur gelassen hätte.«

      Michaels Blick drückte pures Entsetzen aus. Aber genau diese Reaktion hatte Hannah bezweckt. Lächelnd fuhr sie fort: »Das Problem ist nur: Wir wissen zwar so gut wie alles über die Scheibe, aber leider so gut wie nichts über die Menschen, die sie hergestellt haben. Darüber etwas herauszufinden, das ist meine Aufgabe und der Grund meines Besuches.«

      Michael schien seine Überraschung überwunden zu haben. Er war wieder aufgestanden und schulterte seinen Rucksack. »Vielleicht kann ich dir helfen. Ganz bestimmt kann ich das. Du sagst mir, wonach du suchst, und ich führe dich hin.«

      Tief in einer Schlucht am Fuße der Heinrichshöhe, dort, wo der Mischwald aus Buchen und Fichten am dichtesten war, war eine schattenhafte Bewegung zu sehen. Etwas Dunkles regte sich. Etwas, das den Tag mied und die Nacht liebte. Es stand im Begriff, aus seiner Felsspalte zu kriechen. Dass ein Wesen wie dieses zu dieser frühen Morgenstunde noch wach war, hatte einen Grund. Seine feine Nase sandte ihm unmissverständliche Signale. Es konnte jeden Geruch des Waldes identifizieren. Pilze, Beeren, den Modergeruch von verrottendem Holz, den feinen Duft frisch gefallener Blätter, die ätherischen Öle von Harz und Tannennadeln – es war sogar in der Lage, unterschiedliche Tierarten voneinander zu unterscheiden, einzig am Geruch des Blutes. Das von Rehen roch anders als das von Schweinen. Eichhörnchen rochen anders als Mäuse. Lurche rochen überhaupt nicht, und das Blut von Vögeln hatte einen scharfen Unterton. Am besten rochen Kaninchen, weshalb es sie am liebsten fraß. Ihr Fell hatte einen unverwechselbaren Duft nach Erde und Heu. Was gab es Schöneres als ein junges

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