Montenegro Reiseführer Michael Müller Verlag. Achim Wigand
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Luštica Bay
Nachdem seit Jahren die Gerüchte über ein massives finanzielles Engagement einer russischen Investorengruppe die Runde machten (immer wieder fiel der Name Juryi Lushkov, Bürgermeister von Moskau 1992-2010) und auch des Öfteren überaus robuste Bodyguards den Zugang zu Teilen der Insel versperrten, zeigt sich jetzt, dass an dem ganzen Gemunkel wohl etwas dran gewesen sein muss. In der bis vor Kurzem völlig unbesiedelten Bucht von Trašte hat der Projektentwickler Orascom (auch verantwortlich für die Marina in Tivat und das Projekt Mamula) in beeindruckend kurzer Zeit ein funkelnagelneues Küstendorf, Geschmacksmuster „idyllischer Fischerort“, in den Hang gerammt. Das klingt jetzt furchtbarer, als es tatsächlich aussieht - mögen muss man diese Idee der artifiziellen Tradition aber auch nicht. Natürlich ist alles ganz edel, und wer sich an der Immobiliensause beteiligen möchte, ist derzeit noch mit fünfstelligen Summen dabei. Dazu gibt’s dann auch noch einen Golfplatz, angesichts der furztrockenen Bodenverhältnisse und der zahlenstarken Schlangenpopulation der Luštica vielleicht nur so ein halbguter Einfall, aber für eine Driving Range hat es schon mal gereicht.
♦ Natürlich gehört zu dem Komplex auch ein Luxushotel, im Chedi schläft man in der Hauptsaison ab erheblichen 350 € pro Nacht. Alles Weitere zur natursteinverkleideten Plastikromantik in der Bucht von Trašte unter www.lusticabay.com.
Radovići
Der etwas deprimierende Ort liegt auf dem Hügelkamm unterhalb einer großen Kaserne. Auf dem Weg zum Strand kann man sich hier aber noch mit Keksen, Obst und Getränken im Minimarkt versorgen. Auf den Hügeln um Radovići wachen zwei Kirchen über die Grbalj-Ebene: Auf der flacheren Erhebung westlich steht seit 1594 Sv. Gospode (die heutige Gestalt hat das orthodoxe Gotteshaus aber erst seit 1843), umgeben von einem mit auffällig hohen Mauern eingefassten Friedhof. Sv. Luke, ziemlich genau oberhalb von Plavi Horizont, besetzt den strategisch wichtigsten Punkt der Luštica mit freiem Blick nach allen Seiten. Die Illyrer nutzten diese Position vor 2000 Jahren noch militärisch mit einer befestigten Verteidigungsstellung, auf deren Fundamenten Mitte des 14. Jh. (genaue Bauzeit unbekannt) ein Benediktinerkloster erbaut wurde; heute ist Sv. Luke orthodox. Wertvollster Gegenstand des Kirchenschatzes ist ein prächtiges Phelonion (Gebetshemd) des Fürstbischofs Petar I. Petrović.
Sonnenuntergang in Bigovo
Bigovo
Man erreicht den kleinen Fischerort, wenn man Richtung Budva kurz vor der zweiten Tankstelle von Tivat dem Abzweig nach Bigovo folgt (unauffälliges Schild). Dann geht’s ziemlich lang bergauf und bergab durch unbewohntes Gelände. Auf der kringeligen Asphaltstraße kann man sich eigentlich nicht verfahren, alle anderen Wege nach Bigovo sind nicht asphaltiert. Die einigermaßen umständliche Fahrt lohnt aber, vor allem wegen der Kombination aus kulinarischem Genuss und dramatischem Sonnenuntergang, die einen in Bigovo erwartet. Der lang gestreckte Einschnitt ist genau westlich ausgerichtet, sodass auch noch die letzten Sonnenstrahlen die satten und zufriedenen Gesichter auf der Terrasse des gemütlichen Fischrestaurants golden strahlen lassen. Der Fang des Tages ist meistens noch kurz vorher aus den kleinen Fischerbooten auf den Pier gewuchtet worden und erfüllt auch wirklich avancierte Frischekriterien.
Sicher kann man in Bigovo auch ins Wasser steigen, aber für einen ganzen Strandtag ist der Ort nicht erste Wahl. Die Militärs sahen das freilich anders und bauten auf der Bigovo gegenüberliegenden Seite ein Erholungsheim für Luftwaffenoffiziere; die Anlage wurde mittlerweile an einen Investor vertickt und soll zu einem - was sonst? - World Class Resort umgebaut werden.
Mein Tipp Konoba Grispolis, unmittelbar am Hafen. Toller Fisch, toller Blick, tolles Licht - eigentlich alles da für einen schönen Abend. Leider hat viel russisches Geld die Preise und auch den Service etwas verdorben; trotzdem immer noch ein Tipp. Etwa 30 €/Person. Tel. 032-363617. Etwas günstiger ist es gleich daneben im Pod Volat. Der Fisch ist genauso frisch, bloß der Sonnenuntergang ist nicht so malerisch. Tel. 069-868882
Alcatraz in der Adria
Die Insel Mamula, benannt nach einem serbischen General in Diensten der k. u. k. Armee, ist - außer für sehr konditionsstarke Schwimmer - nur mit dem Boot zu erreichen. Von 1853 bis zu Beginn des 20. Jh. war der Militärkomplex auf einem kleinen Felseiland Teil der südlichen Verteidigungslinie der Österreicher, und gewaltige Geschütze standen in den zur Seeseite ausgerichteten Kasematten. Eine Granate wurde aus ihnen jedoch niemals abgefeuert, und so wurde die Anlage kurzerhand umgenutzt. Nur wenige Modifikationen waren nötig, um aus dem dickwandigen Mauerwerk ein Hochsicherheitsgefängnis zu machen. In beiden Weltkriegen wurden hier Häftlinge mit besonderem Isolationsbedarf inhaftiert und nicht eben gut behandelt: Im Zweiten Weltkrieg wurden 100 Insassen exekutiert und weitere 50 verhungerten, sodass die Bezeichnung „KZ in der Adria“ nicht abwegig klingt.
Der Besuch der dramatischen Vollzugsanstalt war lange der etwas makabre Höhepunkt einer jeden Ausflugsdampferrunde um die Luštica-Halbinsel, aber mit dem wohligen Gruselschauer angesichts der Haftbedingungen aus der Zeit vor den Genfer Konventionen ist jetzt Schluss. Die muffigen Zellen in dem massiven Steinhaufen einen Kilometer vor der Küste werden jetzt Hotelzimmer der Luxusklasse. Auch wenn die montenegrinischen Behörden wegen der erheblichen denkmalschützerischen und ökologischen Bedenken einen Baustopp verordnet haben, rollen munter die Planierraupen, das ägyptische Venture-Kapital schert sich eher wenig um rechtliche Petitessen. Ohne jeden Zweifel wird das 15-Millionen-Euro-Projekt eine der spektakulärsten Herbergen der Welt werden, aber die Nachkommen von über 2000 ehemaligen Häftlingen des Insel-KZ sind von dem Vorhaben doch einigermaßen angeekelt. Luxus finden wir schon auch super, aber Dancefloor, Spa und Sterneküche auf dem Grab von weit über hundert Opfern des Kerkerfelsens sind schon ein sehr gewöhnungsbedürftiges Hotelkonzept.
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