Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband). Uwe Anton
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In der Höhe wütete ein verheerender Orkan. Wie ein welkes Blatt im Herbststurm wurde Grek-665½ herumgewirbelt. Er verlor die Orientierung und ließ sich treiben, während die Welt um ihn herum versank. Erst in den dünneren Luftschichten kam die wirbelnde Aufwärtsbewegung zum Stillstand.
Als er eine Höhe von über zwanzig Kilometer erreicht hatte, sah er die terranische Botschaft wie einen Fels in der Brandung stehen. Zuckende Aufrissfronten umflossen den Schutzschirm, als die Angreifer ihre überschweren Intervallkanonen einsetzten. Die gebündelten Hyperfelder erzeugten eine ungeheure mechanische Wirkung. Die ersten Treffer überzogen die Paratron-Kuppel mit einem Netz von schwarzen Schlünden, doch schon die zweite Salve durchschlug die Barriere und setzte ihre Energie frei.
Die terranische Botschaft, ebenso wie die angrenzenden Wohnbezirke, existierte nicht mehr. Ein Meer von Staub überflutete alles.
Zu lange hatte sich Grek ablenken lassen. Erst ein Warnsignal seines Anzugs erinnerte ihn daran, dass es mehr gab als den sterbenden Planeten. Er durfte die Mörder nicht vergessen.
Eines der Kriegsschiffe, zweifellos jenes, das die Botschaft ausgelöscht hatte, näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Mit einem knappen Befehl desaktivierte der Maahk alle Energieverbraucher. Das betraf sein Lebenserhaltungssystem ebenso wie den Antigrav und das kleine Triebwerk. Über einen Deflektor verfügte er nicht, der war unter Freunden überflüssig.
Viel zu hoch war Grek-665½ schon aufgestiegen. Das Gefühl des plötzlichen Fallens wurde ihm nicht richtig bewusst. Scheinbar schwerelos schwebte er über dem verglühenden Land.
Das Kriegsschiff drehte nicht ab.
Die Angreifer kamen geradewegs auf ihn zu, eine schlanke und ohne das sonnenhelle Feuer im Zentrum wenig imposante Silhouette. Der Querschnitt erinnerte an ein hochgestelltes Oval, strömungsgünstig geformt wie der Körper eines Wasserlebewesens, doch aus mattgrauem Stahl bestehend. Der Bug des Schiffes erschien als weit vorgestülptes, aufgerissenes Maul. In ihm loderte das verzehrende Feuer, die Projektormündung der Intervallkanone.
Jeden Augenblick rechnete Grek damit, von Traktorstrahlen erfasst und an Bord gezogen zu werden. Er trug keine Waffe bei sich. Trotzdem würde er sich lieber selbst töten, bevor er den Fremden in die Hände fiel. Nur ein toter Maahk konnte keine Geheimnisse verraten.
Entschlossen tastete er nach dem Verschlussmechanismus des Raumhelms. Bei den ersten Anzeichen eines Zugfeldes würde er nicht zögern, den Helm zu öffnen und tödlichen Sauerstoff einzuatmen.
Riesig wuchs der Kastun vor ihm auf. Das Schiff würde ihn möglicherweise rammen. Dennoch versuchte der Maahk, möglichst viele Einzelheiten aufzunehmen. Endlich drehte der Angreifer um wenige Grad und präsentierte ihm die Flanke. An der oberen Heckflosse waren beidseitig zylinderförmige Ausleger angeflanscht. Sie bargen die anderen Waffensysteme.
Sekundenlang blickte Grek-665½ geradewegs hinein in einen dieser Ausleger, in dem sich tödliche Energien ballten. Als das Projektionsfeld die Sättigung erkennen ließ, zuckte eine meterdicke Glutbahn in die Tiefe. Dass er schrie, bemerkte der Maahk erst Augenblicke später. Ungläubig stellte er fest, dass er noch am Leben war. Der Thermoschuss hatte ihn um geringe Distanz verfehlt, aber fast zum Greifen nahe wölbte sich vorübergehend der Rumpf des Kriegsschiffes über ihm. Mit dem Bezugspunkt wurde sein Sturz deutlicher. Grek-665½ fiel dennoch unbehelligt der Oberfläche des Planeten entgegen, die Angreifer hatten ihn nicht geortet.
Der Abstand zu dem Raumer wuchs. Trotzdem wagte der Maahk nicht, die Energieversorgung wieder in Betrieb zunehmen.
Das Kastun-Kriegsschiff glitt über die Ruinen von New Dillingen hinweg und nahm das Gebirge unter Beschuss. Augenblicke später beschleunigte es und war nach wenigen Sekunden aus Greks Sichtfeld verschwunden.
Endlich konnte er seinen Sturz mit dem Antigrav abfangen. Und er aktivierte den Funk-Suchlauf. Doch falls es Überlebende gab, schwiegen sie lieber. Das Land wurde von einer dichten Wolkendecke verborgen. Die Ortungen verrieten Grek, wie es unter der brodelnden Schwärze aussah: Die Hauptstadt war in einem See aus Staub und Schlamm versunken, in den Bergen hatten zahlreiche Felsstürze die Täler verschüttet.
Maahkrit, die ständige Vertretung der Maahks, nordöstlich der Hauptstadt in einem weitläufigen Talkessel gelegen, existierte nicht mehr. Vergeblich suchte Grek nach der acht Kilometer durchmessenden, im Zenit 3000 Meter hohen Schutzkuppel, die eine Wasserstoff-Methan-Ammoniak-Atmosphäre festgehalten hatte. Offenbar war die Vertretung von dem Intervallgeschütz ausgelöscht worden, und die Überreste hatte ein Bergrutsch verschüttet.
Grek-665½ betrachtete die Situation nüchtern. Es gab auf Chemtenz keine funktionsfähige Infrastruktur mehr, der Raumhafen lag ebenso in Schutt und Asche wie die Hauptstadt und vermutlich alle anderen Siedlungen. Einige Raumer waren von den Angreifern noch am Boden zerstört worden, und was aus den Schiffen geworden war, denen der Start rechtzeitig gelungen war, blieb dahingestellt. Auf jeden Fall bedeutete es vergebliche Mühe, in den brennenden Ruinen nach einem noch funktionsfähigen Hyperfunkgerät zu suchen. Verwundeten konnte er ohnehin nicht helfen, dazu fehlten ihm die nötigen Kenntnisse.
Der Maahk entschloss sich, nicht auf dem zerstörten Planeten zu landen. Das belastete seine Energievorräte, die keineswegs unbegrenzt waren; ganz zu schweigen davon, dass ihm der Aufenthalt in der lebensfeindlichen Sauerstoffatmosphäre ohnehin keine Vorteile einbrachte. Ob er im Vakuum des Weltraums erstickte oder in der Giftgasatmosphäre von Chemtenz, machte keinen Unterschied.
Grek überprüfte den Wasserstoffvorrat, der ihm vorerst das Überleben sicherte. Die Anzeige stand bei ›Halb‹. Das bedeutete, dass ihm gut drei Standardtage der Terraner blieben. Danach war sein Tod besiegelt.
Die Logik sagte dem Maahk, dass er nicht auf Rettung hoffen durfte. Welche Flotte stand bereit, um ausgerechnet auf Chemtenz Hilfe zu leisten? Möglicherweise waren auch andere Welten angegriffen worden. Und falls sich doch einzelne Schiffe ins Kraltmock-System wagten, würden bis dahin Tage vergehen.
Grek-665½ fühlte sich elend. Das war etwas, was er bislang nicht kannte, als hätte ein Virus sein physisches Befinden attackiert.
Er bedauerte den Tod vieler unschuldiger Opfer.
Und er begann, die Angreifer zu hassen.
Beides entsprang nicht der Logik. Es machte die Toten nicht wieder lebendig, wenn er Trauer empfand und sich vorzustellen versuchte, wie sie ums Leben gekommen waren. Vor allem wurde sein Blick auf das Wesentliche getrübt, wenn er seine Kraft mit Hass auf die Invasoren vergeudete.
Es war nur logisch, wenn er sich schnellstmöglich in einen Orbit um Chemtenz begab. So weit entfernt, dass ihn die Anziehungskraft nicht mehr dazu zwang, Energie mit Positionskorrekturen zu vergeuden. Andererseits aber immer noch nah genug, um nicht abzutreiben.
Der LemSim wollte ihm einreden, dass er um sein Leben kämpfen musste. Selbst auf die Gefahr hin, dass er damit seinen Luftvorrat schneller verbrauchte. Dieses verwirrende Wühlen in seinem Inneren wurde stärker. Grek-665½ ahnte, dass er über kurz oder lang dem unheilvollen Einfluss nachgeben würde. Nie zuvor hatte er einen ähnlichen Zwiespalt erlebt. Er nahm die Gefühle eines Lemurer-Abkömmlings wahr, konnte sie aber nur schwer einordnen. Sie würden ihn in den Tod treiben, oder in den Wahnsinn. Jedenfalls hatte er keine Möglichkeit, den implantierten LemurEmotio-Simulator zu entfernen. Andererseits hätte er das auch nicht mehr getan. Diesen Selbstversuch musste er bis zum Ende durchstehen.
Grek-665½ hatte mit seinem Experiment nachvollziehen wollen, wie Menschen dachten und was sie wirklich wahrnahmen. Es hatte ihm fern gelegen, wie ein Mensch zu sterben. Wenn du den Tod nahen siehst, nimm ihn an