Befreite Schöpfung. Leonardo Boff

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Befreite Schöpfung - Leonardo Boff

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der Verzweiflung führt.

      Doch es gibt auch die Möglichkeit einer anderen Wahl: Wir haben die Chance, uns für eine neue Weise, auf unserem Planeten zu leben, eine neue Weise, miteinander und mit den anderen Kreaturen der Erde zu leben, zu entscheiden. Es gibt viele Inspirationsquellen für eine veränderte Welt. Einige davon sind alt und entstammen dem Erbe verschiedener Kulturen und spiritueller Traditionen. Andere entstehen aus Strömungen wie etwa der Tiefenökologie, dem Feminismus, dem Ökofeminismus und der neuen Kosmologie, die von den Naturwissenschaften ausgeht. Eine neue Sichtweise der Wirklichkeit, eine neue Weise des In-der-Welt-Seins wird möglich. Macy und Brown bemerken zu Recht:

      „Das auffallendste Merkmal der derzeitigen historischen Situation auf Erden ist nicht, dass wir dabei sind, unsere Welt zu zerstören – das ist tatsächlich schon eine ganze Weile der Fall. Es besteht vielmehr darin, dass wir gerade wie aus einem tausend Jahre langen Schlaf aufwachen und empfänglich werden für eine neue Beziehung zu unserer Welt, zu uns selbst und zueinander. Dieser neue Bezug zur Wirklichkeit macht die Große Wende möglich.“ (1998, 37)

      Wenn eine echte Veränderung, die in eine Welt auf der Grundlage einer neuen Vision mündet, als schwierig erscheint, dann ist das weitgehend darauf zurückzuführen, dass eine ganze Reihe von miteinander zusammenhängenden Hindernissen einen Wandel unmöglich erscheinen lassen. Ein wichtiger Schritt auf der Suche nach einem Tao der Befreiung besteht daher darin, die ganz konkreten Faktoren zu begreifen, die einem Wechsel im Weg stehen. Um dies deutlicher zu sehen, werden wir die Hindernisse, mit denen wir konfrontiert sind, von drei unterschiedlichen Perspektiven aus in den Blick nehmen. Bildlich kann man sich das etwa als einen Prozess vorstellen, in dessen Verlauf mehrere Schichten abgetragen werden. Wir werden bei Gelegenheit wieder auf dasselbe Hindernis zurückkommen, um es von einer anderen, oftmals subtileren Ebene aus zu betrachten. Doch in gewissem Sinne sind all diese unterschiedlichen Schichten oder Perspektiven einander ergänzende Weisen, eine einzige Wirklichkeit zu sehen.

      Aus einem bestimmten Blickwinkel heraus sind die von uns in Augenschein genommenen Hindernisse systemischer Natur. Die politischen und wirtschaftlichen Strukturen der Welt zerstören die Erde aktiv und verhindern gleichzeitig ein effektives Handeln zur Lösung der Probleme. In zunehmendem Maße hat eine kleine Anzahl von transnationalen Konzernen die Macht inne, die von demokratischen Instanzen immer weniger zur Verantwortung gezogen werden können. Die Wirtschaft des globalen Kapitalismus hat eine Ideologie des Wachstums und des quantitativen Fortschritts zur Grundlage. Ein immer größerer Teil des Profis wird mittels Spekulation erzielt, während den wirklich produktiven Tätigkeiten der Natur und der Sozialökonomie wenig Wert beigemessen wird. Immer weniger Menschen profitieren von diesem System, während ein immer größerer Teil der Menschheit schlicht ausgeschlossen wird. Das Leben der Natur und das Leben der Armen werden in lebloses Kapital in Form von Geld verwandelt – Geld, das von seinem Wesen her eine abstrakte Größe ist und keinen Wert in sich hat. Da dies kein nachhaltiges System ist, kann nicht einmal jene Minderheit der Menschen, die zurzeit davon profitiert, hoffen, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird. Kurz: Unsere Welt wird von einem krankhaften System außerhalb jeder Kontrolle beherrscht, das, sich selbst überlassen, die Erde selbst zu zerstören droht.

      Indem wir dieses krankhafte System untersuchen, wollen wir seine Dynamik klarer verstehen und seinen von Grund auf ungesunden Charakter aufzeigen. Dabei werden wir sehen, wie der transnationale Kapitalismus seine Wurzeln sowohl im Patriarchat (der Beherrschung der Frauen durch die Männer) als auch im Anthropozentrismus (der Beherrschung der Natur durch den Menschen) hat. Die Herausforderung, eine Alternative zu entwickeln, besteht zum Teil darin, das Wesen von Macht neu zu fassen, und zwar nicht als Kontrolle, sondern als schöpferisches Potenzial, das in die Beziehungen des wechselseitigen Einflusses hineinverwoben ist.

      Aus einer zweiten Perspektive gesehen verbinden sich die Strukturen globaler Ausbeutung und Herrschaft, um unsere Fähigkeit zur Veränderung auf einer psychisch-spirituellen Ebene zu untergraben. Objektive Unterdrückung erzeugt eine psychische Resonanz in Gestalt internalisierter Ohnmacht. Die Schwere der Krisen, mit denen wir es zu tun haben, bringt tendenziell auch eine Dynamik der Verleugnung, Schuld und – wenn wir den Mut haben, die Wirklichkeit ungeschönt zur Kenntnis zu nehmen – der Verzweiflung hervor. Ein Suchtverhalten kann als Abwehrmechanismus entstehen, um die schwer zu ertragende Wirklichkeit nicht wahrnehmen zu müssen. Unser Geist wird abgetötet, und wir hören auf, in vollem Sinn als Menschen zu leben. Die Medien, unser Bildungssystem, der Konsumismus und (in vielen Ländern) militärische Unterdrückung verstärken zusammen mit einer ganzen Reihe subtilerer kultureller Mechanismen diese Herrschaft über den Geist. Unsere Wirklichkeitswahrnehmung selbst ist von einem System verzerrt, das uns zu verführen sucht und jede wirkliche Bewegung in Richtung Veränderung verhindern will.

      Um die psychisch-spirituellen Hindernisse, die sich einer Veränderung entgegenstellen, zu überwinden, werden wir darüber nachdenken, wie wichtig es ist, unsere Ängste zuzugestehen, Gemeinschaft aufzubauen sowie Kreativität und Solidarität zu fördern. Darüber hinaus werden wir über die Notwendigkeit nachdenken, unsere Entfremdung von der Natur zu überwinden und wirkliche psychische Genesung zu erlangen, damit wir die innere Kraft finden, die wir brauchen, um für eine tiefgehende Veränderung unserer Welt zu arbeiten. Letztlich ist es unser Ziel, den Geist neu zu erwecken und ein tiefes Gespür des Mitleids zu entwickeln. Mitleid meint die Fähigkeit, sich mit den Freuden und Leiden aller Kreaturen der Erde zu identifizieren. Das bedeutet, in viel tieferem und reicherem Sinne zu leben, als es in den meisten modernen Gesellschaften üblich ist.

      Wenn wir den spirituellen Zustand der Ohnmacht betrachten, dann werden wir dahin geführt, eine dritte, vielleicht grundlegendere Perspektive einzunehmen: unsere Wahrnehmung des Wesens der Wirklichkeit selbst. Wir nennen diese Perspektive die kosmologische. Sie stellt möglicherweise die größte Herausforderung dar, doch gleichzeitig auch die an neuen Alternativen reichhaltigste. Unsere Kosmologie umfasst unser Verständnis vom Ursprung, der Entwicklung und dem Sinn des Universums sowie den Ort der Menschen darin. Die Art und Weise, wie wir den Kosmos erfahren und verstehen, unsere „Kosmovision“, bildet den innersten Kern unserer Ansichten über das Wesen von Veränderung.

      In den letzten drei Jahrhunderten hat eine mechanistische, deterministische, atomistische und reduktionistische Kosmologie die Menschheit zunehmend beherrscht. In jüngerer Zeit hat der Konsumismus unsere Wahrnehmung der Realität sogar noch mehr eingeengt und trivialisiert. Diese Faktoren zusammengenommen haben unsere Fähigkeit, Veränderung zu denken und schöpferisch zu handeln, ernsthaft beeinträchtigt.

      Im Lauf der letzten hundert Jahre jedoch hat sich aus den Naturwissenschaften heraus ein neues Verständnis des Kosmos zu entwickeln begonnen. In vieler Hinsicht erinnert es an eine frühere Kosmologie, wie sie unter autochthonen Völkern immer noch allgemein akzeptiert ist. Diese Kosmologie betrachtet das Universum als einen einzigen Organismus, der auf ganzheitliche Art wirkt. Im Unterschied zu einigen traditionellen Kosmologien nimmt die neue, aus den Wissenschaften herkommende Kosmologie das Universum jedoch als ein sich entwickelndes Universum in den Blick. Der Kosmos ist keine statische, ewig gleichbleibende Größe, sondern vielmehr ein Prozess, der sich ständig entfaltet und neu schafft. Wir werden sehen, dass diese Weltanschauung eine Herausforderung für unser Verständnis der Dynamik von Veränderung darstellt. Sobald wir uns unserer Verbundenheit mit dem Kosmos bewusst werden, wird Veränderung in einem neuen Kontext gesehen, der unsere Annahmen über lineare Kausalität und blinden Zufall von Grund auf infrage stellt. Die Bedeutung von Intuition, Spiritualität und alten Weisheitstraditionen wird immer klarer. Wir gelangen dahin, uns nicht länger als passive Konsumenten oder unbeteiligte Zuschauer in einem Spiel blinden Zufalls zu begreifen, sondern vielmehr als aktive Teilnehmer am unbegreiflichen Geheimnis des Prozesses, in dessen Verlauf das Universum seinen Sinn entfaltet.

      Sobald wir die verschiedenen Schichten von Hindernissen für den Wandel betrachten und die

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