Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson
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Don Bloom ist Künstler. Er kann von dem, was er verdient, gerade so leben und zahlt 25 Dollar im Monat für eines der schönsten Häuser an der Küste. Er kommt auch ohne Elektrizität gut zurecht, hat einen der wundervollsten Gärten in ganz Big Sur und verbringt einen Gutteil des Tages auf seiner Veranda – und schaut aufs Meer.
Alltag in Big Sur funktioniert so: auf Post warten, die Seelöwen in der Brandung beobachten, in den Wannen von Hot Springs sitzen, dann und wann den ein oder anderen Drink – und die meiste Zeit an dem Projekt arbeiten, das der Grund war, überhaupt herzukommen: Malerei, Schreiben, Gartenarbeit oder einfach die Kunst, sein eigenes Leben zu leben.
Was – und wen – man hier findet, hängt vor allem davon ab, wo man sich bewegt. Partington Ridge zum Beispiel ist die Antwort von Big Sur auf die Park Avenue. Nicholas Roosevelt wohnt dort; ebenso Sam Hopkins vom Top-O’-the-Mark-Clan (Hopkins Hotel). Die Berühmtheiten – Dylan Thomas bis Arthur Krock und Clare Boothe – quartieren sich standesgemäß in Partington ein, und wenn sie sich an den Tisch zum Essen setzen, serviert man ihnen vermutlich alles, nur keine wild wachsenden Senfkörner.
Etwas weiter unten an der Küste befinden sich die Besitztümer von Murphy, dazu gehört auch Hot Springs; die Gesamtmiete für neun Wohnungen kostet hier 176 Dollar im Monat. Es ist die reinste Wanderausstellung, in der man alles finden kann, von purer Gewalt bis zu Touch Football. Die Scheune ist für fünfzehn Dollar im Monat zu haben, das Bauernhaus für vierzig, und eine Hütte im Canyon bekommt man für fünf Dollar. Hier wohnt Emil White, und wenn man ihn einen Verleger nennen möchte, dann würde die Liste der Mieter ungefähr so aussehen: ein Fotograf, ein Barmann, ein Schreiner, ein Verleger, ein Schriftsteller, ein Abtrünniger, ein Metallbildhauer, ein Zen-Buddhist, ein Anwalt und drei Leute, die sich weder sexuell noch sozial oder sonst wie zuordnen lassen. Es gibt auf dem Grundstück nur zwei reguläre Ehefrauen; bei allen anderen handelt es sich um Geliebte, »Gefährtinnen« oder hoffnungslose Verliererinnen. Bis zuletzt war Dennis Murphy, der Romancier, der Lichtblick der Community; es ist seine Großmutter, der der ganze Kram gehört. Als sein Buch The Sergeant ein Bestseller wurde, waren Tag und Nacht Leute hinter ihm her, die Hunderte von Kilometern unterwegs gewesen waren, um auf ihn einzureden und ihm seinen Schnaps wegzutrinken. Nachdem das ein paar Monate so gegangen war, zog er nach Monterey.
Die gute alte Mrs Murphy lebt hinter den Bergen in Salinas und kommt glücklicherweise nur zwei, drei Mal im Jahr nach Big Sur. Ihr Mann, Dr. Murphy senior, hatte das Gelände einst als einen groß angelegten Kurort geplant, als Trutzburg der Wohlanständigkeit und des gesunden Lebens. Aber irgendwas ist schief gelaufen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es zur Anlaufstelle von Wehrdienstverweigerern und hat sich über die Jahre zu einem abgeschotteten Campingplatz für moralisch Deformierte entwickelt, einer Büchse der Pandora und einem Schauplatz menschlicher Absonderlichkeiten, einem beliebten Zufluchtsort für Trägheit und Dekadenz.
In nicht allzu ferner Zukunft wird das Big-Sur-Fieber womöglich zu Ende sein. Miller sagte – an einem seiner freundlicheren Tage –, dass die Küste eines Tages die Riviera Amerikas werden würde. Wer weiß, es dürfte jedenfalls noch dauern. In der Zwischenzeit ist es eine so gute Kopie von Walhall, wie es das Land eben hergibt – und eines der besten Plätze der Welt, um nackt in der Sonne zu sitzen und die New York Times zu lesen.
AN MRS V. A. MURPHY:
Nach Erscheinen von Thompsons Artikel über Big Sur in Rogue war seine Vermieterin entschlossen, ihm zu kündigen – nicht nur, weil er ein Waffennarr und ständig betrunken sei, sondern auch, weil er in einem schmierigen Blatt Klatschgeschichten verbreiten würde.
13. August 1961
Big Sur
Kalifornien
Sehr geehrte Mrs Murphy,
Ihr gestriger Besuch hat mich einigermaßen schockiert, und ich schreibe Ihnen nun diesen Brief, um Ihnen zu versichern, dass ich über eine mögliche Kündigung nicht gerade glücklich bin und deshalb alles Erdenkliche tun werde, um dies zu vermeiden.
Zuallererst werde ich meine Schießübungen einstellen und den alten Dämon Rum eine Armlänge von mir fernhalten – sicher ist sicher.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Berichte über mein ungestümes Verhalten maßlos übertrieben sind. Ich habe zum Beispiel niemals jemanden mit einer Peitsche bedroht, und tatsächlich hat sich der einzige Akt von Gewaltanwendung, den ich erinnere, in dem Moment ereignet, da ich von einer Horde Homosexueller angegriffen wurde. Mag sein, dass Mrs Webb auch Visionen außerhalb ihrer religiösen Praktiken hat – das würde mich nicht überraschen.
Klar ist, dass ich die Fenster von Kay wieder in Ordnung bringe10 und, wie Sie vorgeschlagen haben, mich in Zukunft zu den Felsen oder in den Canyon zurückziehe, wenn ich ein Bedürfnis nach Schießen verspüre. Wegen der Waffe klangen Sie recht besorgt, es handelt sich aber nur um eine Pistole vom Kaliber 22, die kleinste, die man kaufen kann. Sie ist ordnungsgemäß in Sacramento registriert, und da ich sie nie verdeckt mit mir herumtrage, benötige ich keine weitere Erlaubnis dafür. Ich versichere Ihnen, dass das alles absolut legal ist.
Da sich jetzt der Sommer dem Ende neigt, dürfte es hier bald ein bisschen friedlicher zugehen. Probleme kamen überhaupt nur auf, als die Gegend von Besuchern förmlich überrannt wurde. Ich denke auch, wenn erst einmal Mike und Dick die Hütte übernehmen, wird sich die Situation spürbar verbessern.
Danke für Ihre Geduld. Und übrigens, falls es Sie interessiert, ich habe heute eine Short Story verkauft und bin mit mehr als der Hälfte meines Romans fertig. Ich muss mich in den nächsten Monaten voll und ausschließlich darauf konzentrieren und werde deshalb Trinkexzessen und jeder Art von Gewalt entsagen. Sollte ich dann einmal wieder etwas wirklich Aufregendes erleben wollen, werde ich Urlaub auf den West Indies machen, Rum trinken und mit Haien kämpfen. Bis dahin verbleibe ich,
absolut friedlich,
Hunter S. Thompson
AN EUGENE W. McGARR:
19. Oktober 1961
Big Sur
Na gut, McGarr, ich weiß es genau, Du willst mehr über das High Life in Big Sur erfahren. Setz Dich also mal schön hin, egal, wie viele Fleischstücke oder was für eine Pampe auch immer Du gerade in Händen hältst, und hör zu, wie die Dinge hier stehen. Erstens mal ist mir gekündigt worden – und zweitens habe ich die Kündigung in toto zurückgewiesen. Ich weiß, dass Du Dich diebisch über so etwas freust.
Mein Artikel ist also in Rogue erschienen, und Mrs Murphy hat ihn als bösartige Verhöhnung ihrer Besitztümer gelesen – keine zwanzig Stunden später kam das Kündigungsschreiben. Ich habe drei Wochen lang immer wieder darüber nachgedacht. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass es nur einen Ausweg für mich gibt: auf meinem Arsch sitzen zu bleiben und auf meiner Schreibmaschine zu hämmern, bis sie genügend Sheriffs zusammengetrommelt haben, um mich hier herauszutragen. Ich hoffe also nur, dass Dich dieser Brief vor Deinem Eintritt in die Phase mentaler Verfettung erreicht, damit ich Dich zu dieser lustigen Nummer hier einladen kann. Alles spricht also dafür, dass in den nächsten ein, zwei Monaten für Unterhaltung gesorgt sein wird.
Räumungstermin ist der 27. Oktober, also in sechs Tagen schon, und morgen braue ich wieder Bier, und zwar genug, dass es locker zehn Tage dauern wird, um es abzufüllen, und fünfzehn, um es auszutrinken. Ich habe vor, mich hier in diesem Zimmer zu besaufen, und womöglich sogar noch mit einer weiteren Ladung, ehe