Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson

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Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson

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unterhalten – es kann aber gut sein, dass man schon am nächsten Tag überhaupt niemanden mehr trifft, außer den Viehzüchter aus der Umgebung, der irgendwas von den allgegenwärtigen Gefahren der Maul- und Klauenseuche in sich hineinmurmelt.

      Die lokalen Dichter übertreffen zahlenmäßig die Wild­schweine vor Ort bei weitem, der einzige aber, der einen gewissen Namen hat, ist Eric Barker – und der sieht viel zu sehr nach einem Farmer aus, als dass er bei den Touristen für Aufsehen sorgen könnte. Deshalb sieht in Big Sur auch fast jeder entweder wie ein Farmer oder wie ein Poet aus dem Walde aus. Emil White, der Verleger des Big Sur Guide, wird von den Leuten immer für einen Einsiedler oder einen Sex-Maniac gehalten; und Helmut Deetjan, dem das Big Sur Inn gehört, sieht viel eher wie ein Junkie aus als jene, die seit Jahren wirklich süchtig sind. Und hat man einmal Nicholas Roosevelt gesehen, dem Mann der Oyster Bay Roosevelts, wie er auf dem Highway entlang spaziert, könnte man denken, der ist ein Tramper, macht gleich deine Windschutzscheibe mit einem alten Taschentuch sauber und bittet um einen Vierteldollar. Die örtlichen Tunten lassen sich leicht identifizieren, ansonsten aber könnte fast jeder ein Nudist oder ein Verrückter sein – und manche sind es ja auch.

      Ob man sich in Big Sur umschaut oder wirklich dort lebt, macht einen großen Unterschied. Sich für ein paar Tage dem oberflächlichen Glamour hingeben kann jeder: herumhängen, sich einen antrinken, sich auf die Suche nach Orgien machen – hinter all dem aber verbirgt sich eine Lebensweise, die nur die wenigsten ertragen würden.

      Es hat nichts mehr mit Glamour zu tun, wenn ein unscheinbarer Typ aus der Stadt hierher kommt, um »einmal richtig abschalten zu können« – und der sich, keine zwei Wochen später, mit Wein zulaufen lässt und Amok läuft, weil es hier niemanden gibt, mit dem er reden könnte, und weil ihn die Stille um den Verstand bringt. Einsamkeit ist nichts Aufregendes, und Big Sur ist voll davon. Wenn man Abgeschiedenheit nicht aushält, kann einem das so Angst machen, dass man es nicht erträgt. Es gab Leute, die mich elendig verflucht haben, weil ich nicht blieb, um ihnen Gesellschaft zu leisten, und es gab Leute, die in meinem Haus zu Besuch waren und nicht mehr gehen wollten, weil sie die Vorstellung nicht aushielten, wieder alleine zu sein.

      Die Bevölkerung von Big Sur ist heute kleiner als um 1900 und etwa genauso groß wie 1945. Hunderte von Menschen haben hier seit dem Ende des Kriegs versucht, ein neues Leben zu beginnen, und Hunderte sind dabei gescheitert. Diejenigen aus den Städten, die hofften, sich einer fröhlichen Bande trinkfester, aus einer durchorganisierten Gesellschaft Geflüchteter anzuschließen, waren schnell enttäuscht. Die Geflüchteten findet man nicht so leicht, und mit ihnen zu trinken ist es noch weniger. Bald bekommt die Stille etwas Bedrohliches; die wuchtigen Schläge des Meeres wirken feindselig, nachts hört man die seltsamsten Geräusche. Neben Essen und Schlafen bleibt einem an manchen Tagen nichts weiter zu tun als zu seinem Briefkasten zu gehen und dem Postboten über den Weg zu laufen, der sechs Tage die Woche von Monterey mit einem VW-Bus herunterfährt und Briefe, Zeitungen, Lebensmittel und Bier dabei hat.

      Big Sur ist keine Instant-Kolonie und keine Touristenattraktion voller Souvenirs und Kunstkram. Man stolpert da nicht einfach rein, vergisst seine Probleme und macht sich mal eben locker. Ein gewaltiger Einsatz ist nötig, um sein Leben hier aus eigener Kraft abzusichern, und eine Menge verdammt harter Arbeit. Wer nur kommt, um sich irgendwo dranzuhängen oder durchgefüttert zu werden, wird sich noch wundern.

      In seinem Buch über Big Sur beschreibt Miller die Leute, die er traf, als er ankam. Einige, die von den Touristenströmen deprimiert waren, suchten noch verlassenere Orte auf – Mexiko, die nordwestliche Pazifikküste, griechische Inseln. Viele aber sind geblieben und leben noch genauso wie vor zehn Jahren:

      »Diese jungen Menschen, gewöhnlich in ihren späten Zwanzigern oder frühen Dreißigern … befassen sich nicht mehr damit, ein verderbliches System zu unterwandern, sondern wollen ihr eigenes Leben führen – am Rande der Gesellschaft. So ist es nur natürlich, dass Orte wie Big Sur eine besondere Anziehungskraft auf sie ausüben. Sie alle sind auf den unterschiedlichsten Wegen hierher gekommen, jeder aus einem persönlichen Grund, und jeder unterscheidet sich vom anderen wie eine Murmel von einem Würfel. Und alle sind sie ›Originale‹. Alle auf eine Art ›besonders‹, wenn man sie mit dem Durchschnitt vergleicht. Aus meiner Sicht sind es engagierte Leute, die guten Willens und sehr integer sind. Sie haben die Verhältnisse satt und sind angetreten, sich von Zwängen zu befreien und ihr eigenes Leben zu leben. Niemand von ihnen verlangt irgendetwas Phantastisches vom Leben außer dem Recht, nach der eigenen Fasson zu leben. Keiner gehört einer Partei, einer Doktrin, einem Kult oder einem Ismus an, doch wissen sie alle sehr genau, wie in diesen finsteren Zeiten eine andere Art von Leben möglich ist. Sie führen keine Kreuzzüge für ihre Ideen, setzen aber alles daran, sie umzusetzen. Über allem steht dabei – menschliche Würde. Manchmal ist das nicht so leicht, vor allem, wenn es um ›Details‹ geht, aber in echten Notsituationen funktioniert es immer. Nur wenn sie sich unterordnen sollen, stößt man in der Regel auf taube Ohren.«

      Es sind Expats, Leute, die aus allen Ecken der Welt kommen, um das gute Leben zu wagen. Es gibt aber noch andere, die auch dazugehören. Viehzüchter, deren Familien seit Generationen hier leben. Oder ausgemachte Bastarde, die alleine leben, weil man sie nirgendwo sonst haben will. Einige sind klassische Eigenbrötler, die hier gelandet sind, weil sich niemand um sie schert, solange sie nur ihr eigenes Ding machen. Und dann wären da noch Menschen, denen jedes Unrechtsbewusstsein abgeht, die keinerlei guten Willen haben, nichts hinbekommen, und bei denen man sich fragt, wozu sie überhaupt gut sind.

      Auf gewisse Weise verbindet Big Sur mehr mit New York und Paris als mit Monterey und San Francisco. Für die Schriftsteller und Fotografen, die in Big Sur ein paar Monate im Jahr verbringen, ist New York der Mittelpunkt der Welt – da sind die Verleger, da werden die entscheidenden Aufträge erteilt und die Schecks ausgestellt. Sind die Schecks erst einmal eingelöst, geht es weiter nach Paris. Denn das Motto heißt: In Bewegung bleiben, bis das Geld aufgebraucht ist – und dann wieder zurück nach Big Sur. In ihrem Denken ist San Francisco eine Bar, Monterey ein Lebensmittelgeschäft, und L.A. ein großer Zirkus, einige hundert Kilometer die Straße runter.

      Andere, vor allem Maler und Bildhauer, orientieren sich eher Richtung Norden nach Carmel, wo es zahlreiche Kunstgalerien, Werkstätten und Touristen mit dicker Brieftasche gibt.

      Zu den Besuchern in Big Sur – zu denen, die wirklich eingeladen sind – zählen mehr die Künstler, die Journalisten aus dem Ausland oder die Weltreisenden als die gewöhnlichen Urlauber. Hotels gibt es keine, die Motels sind klein und bieten keine Abwechslungen, und wenn es hier ein Nachtleben gibt, dann nur um das Nepenthe herum – das fünf Mal im Jahr geschlossen ist. Die meisten der Bewohner sind auf ihre Privatsphäre geradezu versessen, und es gibt nichts, was ihnen mehr auf die Nerven ginge als neugierige Eindringlinge. Jemand, der mit einer Dose Bier auf einem Felsen sitzt, sich den Sonnenuntergang ansieht oder Wale betrachtet, die gerade aufs Meer hinaus ziehen, ist normalerweise nicht sehr erfreut, wenn er sein Lebensgefühl einem Geschäftsmann erklären soll, der auf Reisen ist und mal eben angehalten hat, »um mit einem der Einheimischen zu reden«.

      Jerry Gorslin hat die ersten achtzehn Jahre seines Lebens in New York zugebracht. Jetzt lebt er in einer verlassenen Bergbaumutung, vierzig Kilometer südlich von Hot Springs, und er ist mehr als glücklich, keine Gäste zu haben. Ein, zweimal die Woche fährt er die Küste hoch, um sich Bücher auszuleihen, legt einen Arbeitstag ein, um einem Typen zu helfen, der sein Haus ausbaut, oder er verbringt ein paar bierselige Stunden im heißen Schwefelbad. Das meis­te, was er zum Leben benötigt, baut er selbst an, er stellt seinen eigenen Wein her, kocht auf einem Holzofen und hält Kontakt zu seinen Freunden in Europa, wo er zwei Jahre lang vor Big Sur lebte.

      Lionel Olay, ein Schriftsteller, lebt mit einer jungen Frau und zwei Hunden versteckt auf den Hügeln. Jeden Monat verbringt er ein paar Tage in Hollywood, um Aufträge zu ergattern, zum Schreiben aber zieht er sich nach Big Sur zurück. Wenn Geld eintrifft, setzt er sich blitzschnell in Bewegung – Mexiko, Kuba, Spa­nien, dann wieder Big Sur.

      Jemand

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