100.000 Tacken. Reiner Hänsch

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100.000 Tacken - Reiner Hänsch

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kocht Hunde da ob’n!“

      „Härr Horstkötter, ganz ob’n, dat is‘ Herr Nguyen, der kommt aus Vietnam und kocht ganz sicher keine Hunde, woll!“

      „Ja, dann isses eben so’n Vietkong. Mir doch egal. Aber wenn der jeden Tach hier Hunde kocht …!

      „Der KOCHT keine Hunde, Härr Horstkötter!“

      „Woher woll’n Se dat denn wissen? Ich hör se doch immer bellen. Vorher.“

      Herr Dunkeloh wischt sich schon wieder Schweiß von der Stirn, lächelt uns etwas bröselig zu und versucht, mit einem angedeuteten Kopfschütteln Herrn Horstkötters Anschuldigungen zu widerlegen.

      „Der Neger war auch dabei!“, fährt Horstkötter ungerührt fort und unterdrückt sehr nachlässig einen Rülpser.

      „Dat sacht man nich, Herr Horstkötter!“

      „Aber wenn’s doch stimmt. Ich hab ’ne ja selbs gesehn, den schwatt’n Kerl, wie er zu dem Vietkong rübber is‘.“

      „Neger sacht man nich“, wiederholt Dunkeloh unbeirrt.

      „Aber er is‘ doch einer.“

      Dunkeloh schaut kurz zu uns rüber und wir verstehen schon. Er will wissen, ob wir neben den Einblicken in Herrn Horstkötters Ansichten über seine ausländischen Mitbewohner auch noch Einblicke in seine Wohnung haben wollen.

      Nee, nee, schüttele ich unmerklich den Kopf und Steffi ist sogar schon neugierig und sicher auch irritiert von Herrn Horstkötters Unterhemd und der schmissigen Marschmusik eine Treppe höher dem anderen Lärm entgegengegangen.

      „Auf Wiedersehn, Härr Horstkötter! Schön Tach noch, woll!“, sagt Herr Dunkeloh erleichtert und wir lassen den Feinrippmann mit seinen antischinesischen, antiarabischen, anti-wahrscheinlich-alles-Ansichten einfach in seiner Wohnungstür stehen. Einer ist sicher immer dabei in so einem großen Haus, der einem nicht auf den ersten Blick so richtig sympathisch ist.

      „Da muss wat passier’n!“, grölt Horstkötter uns noch mal hinterher.

      Oh, ein Fahrrad kommt uns auf der Treppe entgegen. Und weil die Treppe selbst für so ein Sportrad doch ein wenig steil ist, wird es getragen.

      „Ach, Härr Nguyen!“, sagt Herr Dunkeloh und ich meine, er verdreht unmerklich die Augen, „darf ich Ihn’ de neuen Hausbesitzer vorstell’n? Dat sin Härr und Frau Knippschild.“

      Na, jetzt sind wir also schon die neuen Hausbesitzer … aber der Gedanke gefällt mir.

      Herr Nguyen, der chinesische Vietkong und außerdem ein nett aussehender, sympathischer junger Mann in einem hautengen schwarzen Radrennfahrer-Plastikdress, lächelt uns kurz an und sagt sehr freundlich: „Guten Tag, Hell un Flau Nipsi! Ick leider kein Sseit jetz, solly! Muss Hunden hole!“, und spurtet weiter die Treppe runter. Das Schutzblech des Rades hinterlässt in der Raufaser der Treppenhauswand eine sehr unschöne Spur und Herr Dunkeloh verzieht schmerzhaft sein Gesicht und schließt die Augen.

      „Kleinigkeit, Herr Dunkeloh“, sage ich nur, um den armen Mann zu beruhigen und wieder aufzurichten. Ist doch nicht so schlimm. Schnell gemacht. Ein gutes Handwerkerteam, etwas grüne Farbe … Wir gehen weiter. „Aber … netter junger Mann.“

      „Ja, ja, sähr nett, sähr freundlich, woll.“

      Und „Nipsi“ hat uns seit dem Urlaub letztes Jahr in Thailand schon lange keiner mehr genannt.

      Aus der nächsten Wohnung quillt uns dann der schon von unten vernommene Soundtrack einer größeren Festivität oder Versammlung entgegen. Es muss sich um eine riesige Veranstaltung handeln und wir wundern uns, davon nicht im Fernsehen erfahren zu haben. Es scheinen sich Hunderte von Menschen hinter dieser Tür versammelt zu haben, um etwas ganz Besonderes zu feiern. Es klingt märchenhaft und exotisch zugleich. Wie das bunte Treiben auf einem arabischen Basar, auf dem gerade Kamele zum Kauf angeboten werden, die aber nicht verkauft werden wollen, lauthals rumröhren und dafür von den Kamelbesitzern aufs Übelste beschimpft werden.

      Wir hören auch, wie ein Schlangenbeschwörer mit einer schiefen Flöte zu stampfenden Diskorhythmen seine gefährlichen Tiere vorführt, wie offensichtlich eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen einigen Marktbesuchern ausgetragen wird und vielleicht sogar auch noch eine kleine Hinrichtung stattfindet. Für unsere Sauerländer Ohren klingt es einfach fantastisch. Eine neue, aufregende Welt.

      Na, da haben wir ja doch schon so einige unserer lieben Mieter kennengelernt. Mit so viel Glück hatten wir ja gar nicht gerechnet. Sind ja doch nicht alle unterwegs, wie Herr Dunkeloh zuerst vermutet hatte.

      Herr Dunkeloh holt ein neues Taschentuch aus seinem grauen Anzug, um der Schweißströme Herr zu werden, die ihm von der Stirn direkt in den etwas speckigen Kragen rinnen.

      „Fadlallah“, würgt Herr Dunkeloh trocken heraus und scheint am Ende seiner Kräfte.

      „Wie bitte?“, fragt Steffi, denn sie hat es wohl nicht verstanden. Nicht nur wegen des Lärms. Ich auch nicht. Vielleicht fantasiert Herr Dunkeloh auch schon, der Arme.

      „Härr Fadlallah un seine Frau … und wahrscheinlich sein ganzer Beduinenstamm“, sagt Herr Dunkeloh tonlos und wir spüren, dass er entweder Angst hat oder einfach nur die Schnauze voll.

      „Libanon“, sagt er noch und dann schüttelt er fassungslos seinen schweren Kopf. Ich spüre, dass er sich wünscht, dieser Tag möge jetzt einfach mal ganz schnell zu Ende gehen. Ein Haus würde er heute sicher sowieso nicht mehr verkaufen. „Araber“, fügt er noch vielsagend hinzu, zuckt mit den Schultern und atmet schwer.

      Naja, warum denn nicht Araber, Herr Dunkeloh? Haben wir was gegen Araber? Ich jedenfalls nicht. Es ist eben ein fremdes, faszinierendes exotisches Volk mit anderen Sitten und Gebräuchen. Da läuft es eben völlig anders als bei uns. Da ist ja nichts gegen zu sagen, oder?

      „Die feiern sicher irgendetwas“, bemerke ich. „Fröhliche Menschen eben. Vielleicht hat jemand Geburtstag oder der Diktator des Landes ist endlich tot.“ Hat der Libanon eigentlich einen Diktator? Zur Zeit, glaube ich, nicht, aber ob es da so richtig rund läuft, weiß ich momentan auch nicht.

      „Da is‘ immer Rämmidämmi!“, presst Dunkeloh aus schmalen Lippen heraus. „… aber sons natürlich … sähr nett, woll“, fängt er sich schnell wieder.

      „Natürlich“, sagen wir. Und ich füge noch hinzu, dass wir da jetzt auch nicht stören wollen bei dieser schönen Feier.

      Wir drehen uns also um und an der Tür gegenüber lesen wir auf dem nur noch an einer Schraube baumelnden Namensschild Ashok Bhattacharya und halten in bewundernder Andacht einen Moment die Luft an. Donnerwetter, was für ein toller Name. Wir heißen bloß Knippschild.

      „Härr Bhattacharya is‘ Inder“, erklärt Herr Dunkeloh kraftlos seufzend, als sei es ihm auch langsam zu viel mit der ethnischen Vielfalt in diesem Haus.

      Inder? Wie spannend! Und erstaunlich. Noch eine weitere Nation, die es sich in unserem Haus gemütlich macht. Seht ihr, es geht. Die ganze Welt unter einem Dach. Und alle verstehen sich.

      Während die einen feiern, widmet sich ein anderer Mitbewohner vielleicht der spirituellen Meditation. Ob er wohl zuhause ist und wir ihn mal ansehen können, den geheimnisvollen Herrn Inder?

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