100.000 Tacken. Reiner Hänsch

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100.000 Tacken - Reiner Hänsch

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so, als ob es noch Schuldentürme mit Ratten, Kälte, Dunkelheit und Gestank gäbe, in die man uns wirft, bis wir verhungern, wenn wir das Geld nicht auftreiben können. Also wirklich!“

      Ich weiß nicht, ob ich mit diesem Bild ihre Sorgen tatsächlich zerstreuen kann. Vielleicht eher nicht.

      Trotz Steffis Bedenken haben wir uns dann doch einige Häuser tatsächlich auch mal in echt angesehen. Nur von außen erst mal. Aber da war leider nichts dabei. So wie auch meine Oma früher immer sagte, wenn sie enttäuscht das Fernsehen ausschaltete, weil ihr keine der Sendungen gefiel oder sie einfach nichts verstanden hat. Nüscht dabei!, sagte sie dann immer, legte kopfschüttelnd die neumodische Fernbedienung auf das kleine Tischchen neben ihrem Fernsehsessel und schlief meistens ein, oder wir spielten zusammen Mau-Mau.

      Die Häuser, die wir uns angesehen hatten, lagen entweder in Gegenden, wo wir uns fast selbst nicht hintrauten, weil sie so dunkel und trostlos waren, dass wir uns auch nicht vorstellen konnten, dass da jemand wohnen will. Naja, dann macht’s ja keinen Sinn mit einem Wohn-Haus. Wir waren ziemlich enttäuscht vom Angebot, suchten aber trotzdem munter weiter.

      Dann, nach ein paar Wochen hatten wir es plötzlich gefunden, unser Haus. Wir fanden es eigentlich fast gleichzeitig. Ich im Büro am Computer und Steffi beim Zahnarzt im Sauerlandbeobachter, also der Zeitung, für die ich jeden Tag schreibe. Ich selbst habe es da gar nicht gesehen, denn für die Anzeigen ist bei uns in der Redaktion Anke Niggeloh, meine liebe Kollegin, zuständig.

      Schön sieht es aus, und das soll es ja auch. Es muss sich irgendwie hinter all den anderen Häuseranzeigen versteckt haben, aber das brauchte dieses schöne Haus nun wirklich nicht. Steffi und ich hatten uns sofort und unabhängig voneinander in genau dieses Haus verliebt. Es ist ein Jugendstilhaus mit Stuckornamenten, kleinen Erkern und Friesen und einem Türmchen in der Mitte. Ganz toll. Ein Eckhaus mit Restaurationsbetrieb im Erdgeschoss, solider Rendite und voll vermietet. Ja, genau das wollten wir doch.

      Für Nichtverliebte ist es vielleicht nur ein grauer, alter Kasten an der Ecke einer etwas betagten Häuserzeile in einem der hinteren Viertel von Arnsberg.

      Das mussten wir sehen! Sofort. Und der Preis war sogar als Schnäppchen ausgewiesen. Runtergesetzt! Trotzdem würde leider unser Onkel-Günter-Geld nicht ganz ausreichen, um es zu bezahlen, es kostete sogar mehr als doppelt so viel. Aber wir wollten es erst mal ansehen. Unverbindlich. Kucken kost’ ja nix!

      Herr Dunkeloh von der ortsansässigen Immobilienfirma Dunkeloh und Wöbkemeier vereinbarte sehr bereitwillig und umgehend einen Termin und heute fahren wir mit roten Wangen und schwitzigen Händen nach Arnsberg – zu unserem Haus.

      Die Vorfreude auf das Haus ist fast größer als die auf das in vier Wochen anstehende Weihnachstfest, als wir dann endlich in der Ruhrstraße in Arnsberg parken können. Mit leichter Verspätung, direkt vor unserem Haus.

      Herr Dunkeloh wartet schon und eilt uns mit einem verheißungsvollen Lächeln und in einem grauen, etwas zu engen Anzug entgegen. Er verbeugt sich galant vor Steffi, schleimt ein wenig herum und drückt mir dann gütig seine Karte in die Hand. Ja, danke. Er scheint auch etwas nervös zu sein. Warum nur?

      Unter dem Arm trägt er eine Aktenmappe wie die schwarzen Sparkassenmänner aus meinem Traum. Auch sein Lächeln erinnert stark an Gebrauchtwagenverkäufer oder auch Drogendealer.

      „Komm Se rein, sehn Se sich ärss ma alles ganz unverbindlich an, woll! So’n Schritt will ja gut überleecht sein!“, singsangt er, lächelt versuchsweise und geht forsch voran. „Leider könn’ we nich inne Wohnungen rein, woll, weil vonne Mieters … äh … einklich keiner zuhause is’, woll. Sorry. Abba Se könn’ mir vertraun. Die Wohnung’n sin alle sehr schön und großzügich, ja? Alle sehr gut geschnitt’n. Wunderbar zu vermiet’n. Dat is’ reinstes Betongold, glaum Se mir.“

      Großzügig. Gut zu vermieten. Gut geschnitten. Betongold. Na siehste, blinzle ich Steffi zu. Sag ich’s doch!

      Steffi und ich starren das graue Gebäude erst mal noch eine Weile von außen an, bevor wir dem gesprächigen Herrn Makler folgen.

      Es ist wirklich sehr schön, das kann man nicht anders sagen. Ein Jugendstil-Eckhaus aus dem Jahr 1896, wie Herr Dunkeloh nach einem Blick in seine Aktenmappe aufgeregt zu berichten weiß. Es gefällt uns. Wir mögen alte Häuser. Sie haben Geschichte, sie sind stolz und erfahren und haben eben eine Menge mitgemacht. Denen kann so schnell nichts mehr passieren. Steffi sieht das genauso.

      Sie nickt mir zu und das heißt eigentlich: haben wollen. Das hieß es auch vor einigen Jahren, als wir unser Haus in Leckede zum ersten Mal gesehen haben. Wir sahen uns an und hatten dasselbe gute Gefühl. Jawoll, das ist es! Wir wollen es beide.

      „Unser“ Haus hier in Arnsberg ist grau und groß. Ziemlich groß sogar, wenn man so direkt davor steht. Zu groß? Wir wissen es noch nicht. Aber wir haben keine Angst vor ihm.

      Nun ja, es ist auch ziemlich grau, aber nicht mehr überall so ganz grau, wenn man genauer hinsieht. An manchen Stellen blättert das edle Grau schon ein wenig ab und müsste mal erneuert werden. Und die Dachrinnen … naja, und auch der Stuck ist an einigen Stellen nicht mehr ganz vollständig …

      Herr Dunkeloh bemerkt unsere leicht irritierten Blicke und geht sofort auf Makler-Verteidigungskurs.

      „Dat sin nur Kleinichkeit’n, woll, verährtes Ehepaar Knippschild.“ Wieso er uns jetzt verährt, wo er uns doch gar nicht kennt? Aber egal. „Dat hat Ihn’ ’n guter Handwärksbetrieb in paar Tage gemacht, woll. Ich kann Ihn’n da einige ämpfehl’n. Dat is’ nur äußerlich, woll. De Substanz is’ gut!“

      Diesen Satz werden wir noch des Öfteren zu hören bekommen, es scheint also wichtig zu sein, dat de Substanz ehm gut is’. Das wissen wir dann schon mal. Na, schauen wir uns doch mal alles an.

      Wir bemerken noch anerkennend die schönen alten Fenster mit echten Holzsprossen, die sehr gut zum Haus passen. Holz. Kein Plastik, kein Alu. Man müsste sie halt auch mal streichen. Na gut. Kann man alles machen.

      Ein kunstvoller, weißer Stuckengel ziert den Bereich an der Ecke des Hauses über dem Eingang des griechischen Grillrestaurants, das hier seine … naja, zugegeben, etwas fettige Heimat hat. Vom Engel sieht man nur den halben Kopf, weil das Schild des Restaurants, also eher des Imbisses Takis Orakel den schönen Engel leider verdeckt. Schade.

      Dieses Takis Orakel verbreitet ansonsten einen recht intensiven, aber eigentlich ganz leckeren Frittenöldunst über den gesamten Eingangsbereich. Und als ich nachdenklich die dicken Schwaden so betrachte, die aus dem Inneren dieser mediterranen Imbisshöhle wabern, stelle ich mir nur ganz kurz und etwas erschrocken vor, wie das ganze Stadtviertel mit einem leichten Fettfilm überzogen wird, Autos nicht mehr glänzen, Brillen beschlagen und alte Leute auf dem Bürgersteig vor dieser Spezialitätenrestauration auf dem schmierigen Bürgersteig ausrutschen, sich das Genick oder den Oberschenkelhals brechen … ach, man soll nicht immer alles so schwarz sehen.

      Der Geruch des Etablissements jedenfalls verbreitet sich über die ganze Straße, wahrscheinlich, um hungrige Kunden anzulocken, sodass Herr Dunkeloh uns auch jetzt eifrig zum Hauseingang treibt, als er bemerkt, dass wir nur noch ganz vorsichtig und flach die Atemluft durch die Nase einziehen, um unsere Lungen nicht übermäßig mit den Rückständen der Pommes-Frites und Gyros-Herstellung des Hauses Takis zu belasten. Wir lächeln ihm dennoch mutig und voller Zuversicht zu.

      Der Eingang zu den Wohnungen befindet sich an der Seite. Na, dann gehen wir doch endlich mal rein.

      Aus dem übergroßen Schlüsselbund, den Herr

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