Hausgemeinschaft mit dem Tod. Franziska Steinhauer

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Читать онлайн книгу Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer страница 15

Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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hatte.

      »Wir bräuchten seine Adresse. Es ist wichtig.«

      Der Ladenbesitzer nickte und schrieb sie ordentlich auf eine kleine weiße Karteikarte. »Ihr kommt wegen Simone, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Schreckliche Sache. Das arme Kind. Sie hatte Probleme genug – und nun das!«

      »Probleme?«

      »Ihr wisst sicher, wie das ist. In dem Alter wissen sie nicht so richtig, was sie wollen. Und Agneta war mit dem Kind vollkommen überfordert. Als ich ihr vorschlug sich Hilfe zu holen, wurde sie direkt ausfallend, dabei war ja nicht zu übersehen, dass sie mit ihrer Tochter nicht klarkam«, ließ er sie mit gesenkter Stimme wissen. »Der Sex kommt heute viel zu früh, wisst ihr? Noch bevor sie ihren eigenen Körper richtig kennen, fallen sie schon übereinander her. Na ja. Ist wohl nicht zu ändern. Moderne Zeiten eben. Früher baute man sich erst eine eigene Existenz auf, danach suchte man nach der Frau, die dazu passt. Tja, tja.«

      »Wie alt ist Bodo denn?«, schaltete sich Lars ein.

      »Bodo?« Der Weißhaarige drehte sich um und rief laut nach hinten: »Sag mal, wie alt ist der Bodo gleich?«

      Von weit her hallte eine Frauenstimme zurück: »17!«

      »Dieses Straßenfest gestern war ein voller Erfolg?«, wechselte Lundquist überraschend das Thema.

      Der alte Mann blinzelte verwirrt, lächelte dann aber zufrieden. »Oh, ja. Das kann man so sagen. Wir hatten natürlich geöffnet, wie die anderen Läden auch. Vor der Tür haben wir Waffeln gebacken, dazu gab es Sahne und Erdbeermarmelade. War ein schönes Fest.«

      »Ist dir ein besonderes Auto aufgefallen? Ein weißer Cayenne? Der drüben am Straßenrand kurz gehalten hat?«

      »Nein. Du meinst das Auto von Gottwald, nicht wahr? Ist der Einzige, den ich kenne, der so einen Wagen fährt.« Bedauernd setzte er hinzu: »Nein, nein. Gestern nicht.«

      6

      Gottwald sah seinen Kopf in der Schlinge.

      Er würde einen guten Anwalt brauchen. Einen Strafverteidiger, der seinen Job mit Engagement und Witz beherrschte. Ansonsten käme er wohl hinter Gitter!

      Er seufzte tief.

      »Scheiße! Ich wusste, dass Agneta irgendwann etwas finden würde, um mich in die Pfanne zu hauen!«

      Ingelore setzte sich neben ihn und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. »Ach Gottwald, rede nicht so. Natürlich kann dir niemand einen Mord anhängen.«

      »Sieh dir die Sache doch mal nüchtern an. Simone war ein rechter Klotz am Bein. Es wird nicht lang dauern, bis die beiden Polizisten das herausgefunden haben. Und sie werden sich an mir festbeißen.«

      »Aber Gottwald, sei doch nicht so pessimistisch! Sie haben keinen Grund, dich zu verdächtigen. Außerdem hast du ein Alibi! Bestimmt finden sie den wahren Mörder ziemlich schnell und es kehrt wieder Ruhe ein.« Ingelore zog die Füße an den Po. Ihr war kalt, trotz der Wollsocken.

      »Du bist mein Alibi! Was glaubst du wohl, ist das in den Augen der Polizei schon wert?«, bellte er wütend.

      »Nun, immerhin ist es ein Alibi. Im Nachhinein muss man zugeben, dass der romantische Vorteil eines fast leeren Kinos nun eher zu einem Nachteil mutiert ist. Aber man kann dir doch nicht im Ernst vorwerfen, dass der Film so schlecht besucht war. Der neue Scorsese! Unbegreiflich. Egal, bleibt also meine Aussage!«, stellte Ingelore trotzig klar.

      Er küsste sie flüchtig auf die Wange. »Ja, ja. Stimmt schon. Und noch sind wir ja nicht verheiratet.« Sie drückte sich von ihm ab und sah ihm prüfend ins Gesicht. »Willst du die Hochzeit etwa verschieben?«, fragte sie, Hysterie in der Stimme.

      Der Bräutigam schloss die Augen, lehnte den Kopf zurück, bis er auf der Sofalehne lag und schwieg.

      »Gottwald!«

      »Stell dir vor, wie du dich fühlen wirst, wenn man deinen Mann kurz nach der Hochzeit unter Mordverdacht ins Gefängnis wirft.«

      »Rede keinen solchen Unsinn. Wir haben den Abend gemeinsam verbracht! Und mal ganz abgesehen von deinem Alibi – du hattest auch nicht das geringste Motiv, Simone umzubringen! Ich begreife gar nicht, wie man einem so herzensguten Vater wie dir solch ein grausiges Verbrechen unterstellen sollte!«

      Paulsson beschloss, seiner zukünftigen Frau die Gründe dafür nicht im Einzelnen zu erläutern. Es war schlimm genug, dass die Polizei sie sich würde zusammenreimen können.

      Nun gut, versuchte er sich zu beruhigen, vielleicht fanden die Ermittler ja bald so ein armes Schwein, das nicht intelligent genug war, sich glaubhaft zu verteidigen, sich keinen guten Anwalt leisten konnte und in naher Zukunft in den Knast wanderte. Möglicherweise verhafteten sie einen Schwächling, der unter gnadenloser Dauerbefragung nur allzu bereit war, den Mord zu gestehen, den er nicht begangen hatte. Am Ende fand der den geregelten Tagesablauf hinter Gittern sogar angenehm. Beheizte Zelle, eine warme Mahlzeit am Tag, leichte körperliche Arbeit. Gottwald grunzte wohlig. Ja, das wäre natürlich die beste Lösung. Er konnte dann in aller Ruhe wieder seinen Geschäften nachgehen – und seine Ingelore heiraten.

      Auf der anderen Seite bestand natürlich das Risiko, dass die Beamten nicht lockerließen.

      Es wäre sicher kein Fehler zu versuchen, einen Betroffenheitsbonus bei ihnen herauszuschinden. Rücksichtnahme dem untröstlichen Vater gegenüber, der sein einziges Kind durch ein Gewaltverbrechen verloren hat! Ihm war durchaus bewusst, dass sein Agieren am frühen Morgen nicht von Geschick und Klugheit geprägt gewesen war. Vielleicht konnte er das bei der nächsten Gelegenheit mit seinem Schock begründen.

      Undeutlich spürte er, wie Ingelore damit begann, seinen Oberkörper zu streicheln. Ihre kühlen Finger schoben sein Hemd hoch, krochen über seine heiße Haut.

      Er hatte das alles so unglaublich satt gehabt!

      Simone hatte sich zu einer echten Belastung entwickelt, zickig und anmaßend.

      Ständig versuchte sie, Geld bei ihm locker zu machen. Für dies, für das, für jenes. Die neue Hose, die sie gesehen hatte, ihre alte war nicht mehr angesagt, ein neues Fahrrad – unter einem schnittigen Spitzenbike war nichts verhandelbar, Geld für die Party bei Tom, den super Kino-Abend mit Freunden, den sie ausgeben wollte.

      Gottwald entspannte sich unter Ingelores erfahrenen Händen, die sich bereits am Gürtel zu schaffen machten. Er stöhnte verhalten.

      Und dann Simones ständiges Beleidigtsein.

      Egal wie sehr er sich auch mühte, am Ende gab es für sie immer eine Veranlassung, patzig und übellaunig zu sein. Als er das erste Mal tastend von Plänen erzählte, eine neue Ehe einzugehen, sein Leben wieder mit einer Frau teilen zu wollen, war sie komplett ausgetickt, hatte rumgekreischt und angefangen, systematisch mit dem Geschirr aus dem Vitrinenschrank nach ihm zu werfen. Mehrere tausend Kronen Schaden.

      Zum Aufräumen war sie natürlich nicht geblieben.

      Hatte ihm vorgeschlagen, er könnte doch sein ›Flittchen‹ kommen lassen und bei der Gelegenheit auch gleich ihre Fähigkeiten im Haushalt überprüfen. An jenem Tag war ihm zum ersten Mal

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