Hausgemeinschaft mit dem Tod. Franziska Steinhauer
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Читать онлайн книгу Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer страница 10
»Was wäre dir denn angenehmer gewesen? Whisky, Bourbon, Vodka? Pizza, Pasta, Insalata?«, fragte Sven trocken.
»Ja, ja. Schon gut«, maulte Lars. »Jedenfalls ist er jetzt zu Hause! Mal sehen, was er uns über den gestrigen Tag erzählen kann.«
»Er wird schon wissen, dass seine Tochter tot aufgefunden wurde. Agneta hat sicher wüste Anschuldigungen auf seiner Mailbox hinterlassen. Unser Kommen kann ihn also nicht überraschen. Er wird gut vorbereitet sein!«, orakelte Sven.
Im Zeitlupentempo fuhr das riesige Tor zurück und gab den Weg Zentimeter für Zentimeter frei.
Während sie auf das stattliche Eingangsportal zugingen, trat ein Mann von imposanter Statur und gewichtiger Erscheinung auf die oberste Stufe hinaus. Die Hände hatte er lässig in die Hosentaschen des Anzugs geschoben, den Zweireiher trug er offen, violettes Hemd und passende Krawatte, die Schuhe intensiv poliert, dass selbst das wenige Licht des Regentages sie so sehr zum Glänzen brachte, dass man sie für Lackschuhe hätte halten können. Seine graumelierten Haare trug er raspelkurz, die winzigen Augen waren in dem runden Gesicht kaum zu entdecken.
Er kam ihnen nicht einen Schritt entgegen.
Wartete auf dem Treppenabsatz und wippte von den Fersen auf die Zehenspitzen und wieder zurück.
Oben angekommen stellte Lars überrascht fest, dass Gottwald ihm nur bis zur Brust reichte. Auf die Ferne hatte er deutlich größer gewirkt. Scheinriese, dachte er verwundert.
»Sven Lundquist, und dies ist mein Kollege Lars Knyst. Wir kommen von der Kriminalpolizei Göteborg«, wiederholte Sven, was der Hausherr schon wusste.
»Gottwald Paulsson.« Es hörte sich an, als crushe er Eis für einen Drink.
Der Hausherr wandte sich um und ging forschen Schritts ins Haus zurück. Die beiden Ermittler mussten sich mühen, mit ihm mitzuhalten. Sven bemerkte, dass Gottwald stark schwitzte. Unter dem in dicken Röllchen bis zwischen die Ohren geschichteten Nacken hatte sich ein dunkler Rand auf dem Kragen des Oberhemdes gebildet.
In einem lichtdurchfluteten Raum hielt Gottwald unvermittelt an.
Außer einem weißen Sofa und einem Glastisch war nur ein Plasmabildschirm zu sehen.
Die Hände hatte Gottwald nicht aus den Taschen genommen.
Er bot den ungebetenen Besuchern nicht an, Platz zu nehmen.
»Und?«, fragte er aggressiv.
»Wir haben ein paar Fragen zu deinem gestrigen Ausflug mit Simone«, eröffnete Sven, dem bewusst wurde, dass der Vater wider Erwarten noch nicht über den Tod der Tochter informiert worden war – oder versuchte er nur, diesen Anschein zu erwecken?
»Hat sie es also wirklich getan! Agneta, diese Hexe! Sie drohte mir auf der Mailbox, sie wolle die Polizei auf meine Fährte hetzen. Ich hätte Simone etwas angetan! Und die Polizei lässt sich tatsächlich auf so etwas ein!« Er lachte dröhnend. Sein überaus beeindruckender Bauch hüpfte dabei rhythmisch auf und nieder. »Was für eine Farce!«
Der Mann stellte sich ans Fenster und sah in den Garten hinaus. »Diese schreckliche Person! Zu schade, dass ausgerechnet diese widerliche Frau Simones Mutter ist!«, meinte er zynisch und zog unbewusst den Oberkörper zurück, schob das Becken vor.
Sven beeindruckten derartige Dominanz- und Potenzgesten nicht. Aber er registrierte sie aufmerksam. Der Körper war manchmal ein richtiger Verräter.
Gern hätte er ihn gefragt, warum er Agneta geheiratet hatte, wenn sie so unausstehlich war – aber das gehörte natürlich nicht hierher.
»Simone kam gestern nicht pünktlich nach Hause zurück.« Lars’ Ton war schneidend.
»Ja, das passiert schon mal. Aber eigentlich muss sie sich große Mühe gegeben haben, auf den paar Metern bis zur Haustür noch zu spät zu kommen«, grinste der Vater süffisant und sah Lars direkt ins Gesicht.
»Du hast deine Tochter also zeitgerecht zurückgebracht?«, hakte Sven nach.
»Ja. Selbstverständlich. Sie sprang aus dem Wagen und ich winkte ihr nach. Warum Agneta so ein Gezeter gemacht hat, kann ich auch nicht erklären.« Jetzt schlich ein Ausdruck von Besorgnis in das Gesicht des Vaters. »Stimmt was nicht?«
»Es tut uns leid, Gottwald. Wir haben Simone heute am frühen Morgen tot aufgefunden.«
Der Vater räusperte sich.
»Tot? Tot aufgefunden? Was soll das bedeuten?«, stolperten Fragen unbeholfen hervor.
»Sie lag in einem Einkaufswagen. Vor dem Köpcenter in der Bratteråsgatan.«
Gottwald zog die feisten Finger aus den Hosentaschen und fuhr sich über die Lippen, als versuche er, unbedachte Äußerungen zurückzudrängen. Einen Augenblick lang schloss er die Augen, ein gequälter Ausdruck veränderte seine Züge wie ein flüchtiger Schatten, dann atmete er tief durch.
»Simone war es leid, dass ich sie wie ein Kleinkind an die Hand nehmen und bei ihrer Mutter abgeben musste«, erzählte er leise. »Ich habe das verstanden. Sehr gut sogar. Mit zwölf will man so etwas nicht mehr. Zur Schule bringt sie ja auch keiner! Sie hüpfte aus dem Auto und lief los. Nur ein paar Meter!«
»Warum hast du Agneta nicht zurückgerufen, als sie dir auf der Mailbox diese Drohung hinterlassen hatte?« Knyst beobachtete den Mann genau.
»Ich ging davon aus, dass die Sache längst geklärt und Simone bei ihr zu Hause war.« Gottwald stöhnte. »In einem Einkaufswagen? Also Mord! Wer hat das getan?« Ohne Vorwarnung war die aggressive Haltung zurück. »Wann?«
»Das versuchen wir herauszufinden. Wir müssen Simones Tag rekonstruieren. Fangen wir mit dem an, was ihr zusammen unternommen habt.«
»Dann sollten wir besser in mein Arbeitszimmer gehen.« Gottwalds zu kurze Arme schwangen in Richtung der Tür. Die Geste wirkte resigniert, nicht einladend. »Ich stehe auf eurer Liste der Verdächtigen ganz oben, nicht wahr? Agneta hat behauptet, mir sei so etwas ohne weiteres zuzutrauen, habe ich Recht? Seit Jahren verbreitet diese Frau Lügen über mich, sie war deshalb sogar bei einem Psychologen. Geändert hat sich nichts!«, zischte der Vater wütend. »Agneta und ihre Hirngespinste!«
»Wenn sie so verwirrt ist, warum hast du Simone dann in ihrer Obhut gelassen?«, fragte Lars provozierend.
»Das war ja wohl auch ein Riesenfehler!«, gab Gottwald betroffen zurück. »Wer weiß, vielleicht hat sie selbst das Kind getötet, nur um mich und meine Zukunft zu zerstören. Agneta wäre jedes Mittel recht, um meine Hochzeit mit Ingelore zu verhindern! Sie ist krankhaft eifersüchtig! Psychopathin!«
Auch das Arbeitszimmer hatte Glasfronten zum parkähnlich angelegten Garten.
Auf dem gläsernen Schreibtisch stand aufgeklappt ein stylisches Notebook, an der Wand hing über einer schwarzen, kubistischen Couch ein überdimensioniertes, modernes Ölgemälde.
Lars musterte es skeptisch, bevor er sich setzte, als habe er die Befürchtung, es könne herunterfallen.
»Wir waren im Zoo.«
»Ist