Hausgemeinschaft mit dem Tod. Franziska Steinhauer

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Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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sah auf seinen Verantwortungsbereich hinaus.

      Verantwortungsbereich – das Wort gefiel ihm.

      Es verlieh seiner Tätigkeit Wichtigkeit und Würde, so, als sei er unverzichtbar, bräche hier das blanke Chaos aus, sollte seine Aufmerksamkeit nachlassen oder seine helfende Hand etwa nicht zur Verfügung stehen. Hauswart zu sein war eben mehr, als tropfende Wasserhähne reparieren zu können.

      Die beiden Männer fielen ihm sofort auf.

      »Polizei!«, murmelte er ungehalten. »Wo gehen die jetzt hin?

      Um diese Zeit!«

      Lautlos öffnete er sein Fenster, um sich hinauslehnen zu können.

      »Zu Agneta wegen Simone? Oder zu Emma wegen Ulv?«, überlegte er. »Wegen Herumlungerns kommen die sicher nicht so früh am Morgen. Die gehen zu Agneta. Simone hat was ausgefressen, ganz bestimmt. Vielleicht haben sie das nutzlose Gör irgendwo aufgegriffen – in einer privaten Sexbar oder auf dem Straßenstrich. Würde passen. So eine schamlose Schlampe!«

      Der Hauswart beobachtete die Fremden, bis sie den Hauseingang erreicht hatten, in dem Agneta wohnte, dann schloss er das Fenster wieder.

      »Manchmal kommt so ein mieses Weibsstück auch um. Würde mich gar nicht wundern, wenn jemand Simone gekillt hätte«, erklärte er Ansgar, dem klugen Wellensittich und setzte Kaffeewasser auf. »Dann kehrt ja vielleicht endlich Ruhe in unser Carré ein!«

      Doch diese Hoffnung Ingmars sollte sich nicht erfüllen.

      Agneta Paulsson stand in kindlicher Schrift auf dem angeschimmelten Namensschild.

      Ihr Schatten tigerte an den Fenstern vorbei, von links nach rechts, von rechts nach links. Ab und zu hielt sie an, presste sich offensichtlich ein Telefon ans Ohr, ging dann weiter.

      »Sie versucht Gottwald zu erreichen«, mutmaßte Lars.

      »Oder sie ruft das Handy von Simone an«, ächzte Sven und schob seine zitternden Finger tief in die Hosentaschen.

      »So eine Scheißsituation!«, fluchte der Freund. »Wenn man auch noch annehmen muss, der eigene Vater …«

      »Vielleicht hat Gottwald sich umgebracht. Erweiterter Suizid. Das passiert bei Sorgerechtsfällen öfter, als man vermuten möchte. Dann wird sie sich ewig Vorwürfe machen. Nichts wäre geschehen, wenn sie Simone nicht hätte gehen lassen«, knurrte Lundquist und drückte auf den Klingelknopf.

      »Wenn es wirklich der Gottwald Paulsson ist, eher nicht. Er war gerade letzten Monat wieder in den Schlagzeilen. ›Keinen Cent für die Bedürftigen‹ hat er gefordert, ›sonst erkennen die nie den Wert der eigenen Hände Arbeit‹. Emotionen würde ich bei dem nicht vermuten. Der ist kalt wie ein Eiswürfel!«

      Die Frau, die sie an der Wohnungstür mit weit aufgerissenen Augen erwartete, wirkte seltsam ruhig.

      »Polizei?«

      »Ja. Wir würden gern reinkommen.«

      »Ihr habt Simone gefunden! So ist es doch?«

      Knyst schob mit einem harten Ruck die Tür zu und schloss die neugierigen Ohren der Nachbarn vom weiteren Gespräch aus.

      »Es tut uns furchtbar leid, aber Simone ist tot.«

      Sie weinte nicht.

      Stand gefasst mit seitlich baumelnden Armen mitten im Wohnzimmer.

      »Wo ist Gottwald«, fragte sie drohend. »Wo ist er?«

      »Wir wissen es nicht. Er ist nicht zu erreichen«, antwortete Lundquist irritiert. Er hatte eigentlich erwartet, die Mutter würde nach dem Wo und Wie des Todes ihrer Tochter fragen.

      Agneta ließ sich in eine abgewetzte Couch fallen.

      »Er war heute anders als sonst. Das habe ich sofort gehört, als er anrief. Ich habe Simone geraten, ihm abzusagen, doch sie wollte nicht. Gottwald holte sie dann ab, wie üblich. Er war gestresst – ich sehe das bei ihm gleich. Sein Kinn bekommt dann tiefe Grübchen.«

      Fahrig griffen Agnetas Finger nach einer Schachtel Zigaretten, schüttelten eine heraus. Gierig nahm sie den ersten Zug und goss sich aus einer halbleeren Flasche einen neuen Whisky ein.

      »Es wirkt nicht. Ich versuche es schon seit Stunden, aber der erhoffte Nebel stellt sich nicht ein.« Sie trank das Glas auf ex. »Simone war in einer schwierigen Phase. Die Pubertät brach sich Bahn. Das macht aus niedlichen Mädchen zickige und anstrengende Gören. Gottwald war gereizt und aggressiv, wollte sich aber dennoch nicht überreden lassen, auf den Tag mit seiner Tochter zu verzichten. Er hat seit einiger Zeit eine neue Bettgenossin. Über kurz oder lang wird er sie genauso betrügen, wie er es mit mir getan hat. Aber mir kam es so vor, als hätten sie jetzt schon Streit gehabt.« Nach tiefem Luftholen setzte sie zornig hinzu: »Gottwald ist ein Arschloch!«

      Sie schwieg.

      Nach einer langen Pause erkundigte sie sich leise nach dem Wie.

      »Wir wissen es noch nicht genau. Simone wird untersucht und der Rechtsmediziner findet heraus, wie sie gestorben ist.«

      »Hat er … sie vergewaltigt?«, hauchte Agneta ihre nächste Frage.

      Lundquist war erleichtert, ihr sagen zu können, dass er auch das nicht wusste.

      »Ist Gottwald so etwas wirklich zuzutrauen? Dass er sich an der eigenen Tochter vergreift?«

      »Ihm ist alles zuzutrauen!«, schrie sie plötzlich unbeherrscht. »Wenn er etwas will, dann nimmt er es sich. Da wird nicht gefragt oder gar an der Richtigkeit des eigenen Tuns gezweifelt. Lest ihr keine Zeitung? Genau so ist Gottwald, er verstellt sich nicht ein bisschen für die Presse!«

      Lars und Sven wechselten einen kurzen Blick. Also doch der Gottwald Paulsson. Leiter eines Unternehmens, das Software entwickelte und Hardwarelösungen für seine Kunden nach individuellen Bedürfnissen zusammenstellte. Einer der Reichen in Schweden, dachte Knyst grimmig.

      Nur das leise Prasseln des Regens gegen die Fenster war zu hören.

      »Wo?«

      »Sie wurde in einem der Einkaufswagen neben dem Supermarkt im Köpcenter entdeckt. Der Täter hatte sie auf eine weiche Decke gebettet. Die Kollegen suchen in der Nachbarschaft nach ihrer Tasche und der Jacke. Vielleicht hat der Mörder sie irgendwo weggeworfen, weil biologische Spuren von ihm darauf zu finden wären.«

      Das Wort »Spermaspuren« verwendete er nicht.

      »Biologische Spuren. Blut, Haare, Sperma, Fingerspuren, Hautpartikel. Ich sehe auch fern!«, schnappte Agneta.

      Eine neue Zigarette.

      »Mein Gott! Ich gehe dort auch einkaufen. Das kann ich nun nicht mehr. Am Ende schiebe ich den Wagen durch den Gang, in dem mein kleines Mädchen gelegen hat!«

      Nun weinte sie doch.

      Suchte hektisch nach einer Packung Papiertaschentücher, putzte sich die Nase, schniefte, schluchzte.

      »Scheiße, Scheiße,

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