Hausgemeinschaft mit dem Tod. Franziska Steinhauer

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Читать онлайн книгу Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer страница 6

Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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denn? Alle meine Freunde waren Gottwalds Freunde. Nach der Scheidung blieben sie beim Geld. Bei mir war nichts zu holen. Seht euch doch hier um! Ich lebe vom Staat und den paar Krümeln, die Gottwald unter seinem Frühstückstisch zusammenkehrt!«

      Sie schniefte wieder.

      »Und nun hat er mir das Einzige genommen, was mein Leben noch lebenswert gemacht hat!«

      Lundquist setzte sich zu ihr auf die Couch.

      »Warum bist du so sicher, Gottwald habe Simone getötet?«, erkundigte er sich leise.

      »Weil er mich hasst. Er versucht seit unserer Scheidung, mich endgültig zu vernichten, aus seinem Leben zu tilgen. Er muss einen Unterhalt für Simone bezahlen. Doch das Kind ist nicht so dämlich wie seine Mutter. Sie hat immer wieder mal weitere Forderungen an ihn. Solche, die Geld kosten. Er knirscht sicher bei jedem Mal mit den Zähnen, wenn er löhnen soll.«

      »Gottwald ist geizig?«

      »Na, wie glaubst du wohl, kommt man zu Reichtum? Durch Knickerei und Geiz. Wenn du keine Krone ausgibst, legt sie sich zu den anderen auf dem Konto – so vermehren sie sich. Das ist das ganze Geheimnis!«, zischte sie bitter. »Simone hat sich von seinem Gejammer nicht beeindrucken lassen. Sie wollte nicht so enden wie ich.«

      Verlegen heftete Lars seinen Blick an seine Schuhspitzen.

      Ist das nun Selbstmitleid oder hält Gottwald die beiden wirklich finanziell an der kurzen Leine?, grübelte er. Wir müssen nachprüfen, ob es Unterhaltsregelungen gibt, mag sein, Agnetas Notlage ist mehr gefühlt denn real.

      Die Mutter schluchzte leise, grabbelte ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch aus der Hosentasche und versuchte ungeschickt, es auseinanderzuzerren, um eine benutzbare Stelle zu finden.

      »Er hasst mich. Sein ganzes Denken kreist nur um die Frage, wie er mich verletzen kann. Ich weiß, dass es ihm darum geht, mich zu zerstören, auszulöschen! Simone zu töten sähe ihm ähnlich – der letzte Schlag gegen Agneta!«

      »Du hast ihn damals verlassen?«

      »Ja.«

      »Warum?«

      Ihr verschleierter Blick traf ihn und neben Trauer und Verzweiflung erkannte Sven noch etwas anderes: Angst.

      »Wir versuchen uns ein Bild zu machen. Von eurer Beziehung, von der zu Simone, von Gottwald.«

      »Er war ein perverses Schwein!«, brach es aus der Mutter hervor und sie zündete sich eine weitere Zigarette an. Sven bemerkte, wie sehr ihre Hände dabei zitterten. »Ich weiß nicht, ob du über ausreichend Fantasie verfügst, dir vorzustellen, was ein Kerl wie … Gottwald … einer Frau antun kann. Sadistische Spielchen, Quälereien, Demütigungen – das volle Programm. Allein seine körperliche Überlegenheit macht Gegenwehr zwecklos. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten, war es leid, ständig Lügen zu erzählen, um die blauen Flecken zu erklären, das schon wieder geschwollene Auge, den gebrochenen Arm, die Platzwunde über der Augenbraue. Simone wuchs heran; der Gedanke, er könnte auf die Idee kommen, sich an ihr zu vergehen, gab dann den Ausschlag. Ich suchte mir professionelle Unterstützung und reichte die Scheidung ein.«

      »Du hast ihn angezeigt?«, wollte Lars wissen.

      Agneta schüttelte den Kopf.

      »Ich wollte nur mein Kind und mich in Sicherheit bringen. Weg von Gottwald.«

      »Aber hättest du ihn vor Gericht gebracht, wäre ihm sicher kein Umgangsrecht mit Simone eingeräumt worden!«

      »Mir hätte doch nie jemand geglaubt! Ich habe keinem je von all dem erzählt – es war mir peinlich. Er wäre als strahlender Sieger vom Platz gegangen, und mir hätte der Richter am Ende gar das Sorgerecht für meine Tochter entzogen! Nein, nein, das durfte ich auf keinen Fall riskieren. Wir hatten eine Art Deal: Ich schweige und er lässt uns in Ruhe. Für seine Firma wäre es keine gute Publicity gewesen, hätte ich ihn … das war ihm bewusst. Deshalb musste er Simone auch immer pünktlich direkt in meine Hand abliefern. Seit der neuen Hure in seinem Leben ist er sexuell ausgelastet. Die macht wohl zu jeder Zeit die Beine breit und kriecht willig vor ihm im Dreck!«

      »Hat Simone das erzählt?«

      »Nicht mit diesen Worten.«

      Sie schwieg, drückte die Zigarette aus, starrte auf ihre zuckenden Finger.

      »Du hast versucht, Simone vor einem Missbrauch zu beschützen. Nun bist du dir nicht sicher, ob das auch wirklich funktioniert hat.«

      »Hat er sie wirklich nicht …?«, fragte sie ungläubig.

      »Wir müssen noch ein paar Stunden warten. Ergebnisse kommen nicht innerhalb von Minuten«, gab Sven zurück, ohne zu erwähnen, was in dieser Zeitspanne mit Simones Körper geschehen würde.

      »Man wird sie ...?«, die Mutter rang ebenfalls um eine Verschleierung des Unvorstellbaren, »… untersuchen?«

      Lundquist nickte.

      »Es ist notwendig. Wir müssen wissen, woran genau Simone gestorben ist«, sagte Lars Knyst unnötig scharf.

      »Ich will meine Tochter sehen!«

      »Natürlich. Wir müssen dich auch bitten, sie zu identifizieren«, erklärte Sven fast unhörbar. Seine Augen suchten die des Freundes, der auf der Tastatur seines Handys eine Nummer tippte.

      »Nichts«, seufzte Lars enttäuscht. »Der Teilnehmer ist nicht erreichbar.«

      »Bei mir geht er auch nicht ran!«, knurrte Agneta. »Er hat unsere Tochter umgebracht und nun setzt er sich ab! Mit seinem neuen demütigen Liebchen und jeder Menge Kohle. Die fangen in der Sonne ein neues Leben an und mich lassen sie einsam in der Kälte verrotten! Feiner Plan, Gottwald!«, schluchzte sie und warf sich auf die Couch.

      »Wir sind dran. Er kann nicht so einfach verschwinden.« Sven war sich nicht sicher, ob sie seine Worte überhaupt gehört hatte.

      »Hatte Simone enge Freundinnen?«, erkundigte sich Lars vorsichtig.

      Agneta atmete schwer.

      Sie richtete sich wieder auf und wischte sich mit einem Kissen über ihr Gesicht.

      »Wenige. Simone hatte nicht genug Geld, um mit ihren Klassenkameradinnen mitzuhalten. Die wollen mit armen Würstchen nichts zu tun haben. Aber so zwei, drei Namen kann ich euch aufschreiben. Eine Mutter weiß nur, was man sie wissen lässt – sollte es noch andere Freunde gegeben haben, werden euch eher die Mädchen weiterhelfen können als ich.«

      »Wir würden uns gern in Simones Zimmer umsehen.«

      »Den Flur entlang, die letzte Tür links«, presste die Mutter mühsam hervor.

      Lundquist öffnete die Tür und blieb überwältigt stehen.

      »Sieht aus wie in einer teuren Boutique!«

      »Erstaunlich, wo wir doch gerade gehört haben, sie habe mit den anderen finanziell nicht mithalten können«, murrte Lars, der das Gefühl hatte, belogen worden zu sein.

      »Vom Vater erpresst, könnte ich mir vorstellen. Schuldgefühle.

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