Hausgemeinschaft mit dem Tod. Franziska Steinhauer

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Читать онлайн книгу Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer страница 14

Hausgemeinschaft mit dem Tod - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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eben besonders sind. Bezahlte ihr Vater. So sind sie sich wohl begegnet.«

      »Und Bodo wusste von der Verabredung mit Onkel Ingeleif?«

      »Nein, das glaube ich nicht. Wenn sie nicht einmal mich einweihen wollte … Und Bodo musste gestern arbeiten, wegen des Straßenfestes!«

      »Ein Straßenfest? Na, da war ja sicher richtig was los!«, schaltete sich Lars plötzlich ein.

      »Klar. Die Geschäfte hatten alle geöffnet. Und jeder hat irgendetwas zu essen oder zu trinken angeboten. Die Bürgersteige waren voll wie vor Weihnachten!«, erklärte sie mit leuchtenden Augen, hatte den Mord an ihrer Freundin für einen Augenblick vergessen.

      Doch dann senkte sie schuldbewusst den Kopf. »Weihnachten wird total öde werden ohne Simone! Bei uns passiert nie etwas Interessantes.«

      »Hatte Simone Schwierigkeiten in der Schule? Du weißt schon, so richtig Ärger mit jemandem aus der Klasse?«

      »Mobbing? Wirklich nicht! Simone war jetzt nicht der Star – aber wenn sie manchmal zickig wurde, haben die anderen sie einfach in Ruhe gelassen. Sie freundete sich nicht leicht mit jemandem an, vertraute nur wenigen. Aber Zoff gab es mit ihr nie.«

      Knyst nickte dem Mädchen verständnisvoll zu.

      Sven zog eine Visitenkarte aus der Brusttasche. »Ulla, hier stehen unsere Telefonnummern drauf. Wenn dir noch etwas einfällt, solltest du uns sofort anrufen. Auch dann, wenn du denkst, es sei doch nicht so wichtig. Manchmal stellt sich erst im Lauf der Ermittlungen heraus, welche Beobachtungen von Bedeutung sind und welche nicht. Der Mörder von Simone ist vielleicht auch für andere Mädchen gefährlich. Je schneller wir ihn fassen, desto besser!«

      Ulla sah ihn ernst an.

      »Naja, weißt du … also«, ihre Stimme klang kläglich, als seien die Worte zu sperrig für ihren dünnen Hals, »ich glaube nicht, dass Onkel Ingeleif wirklich Simones Onkel war«, räumte sie tonlos ein.

      »Warum? Gab es Andeutungen von ihr in diese Richtung?«

      »Nein. Aber sie hat in all den Jahren, die wir uns nun kennen, noch nie von diesem Onkel erzählt. Kein Wort. Und mal ehrlich: Wessen Onkel heißt schon Ingeleif?«

      »Hm, du meinst, sie hat sich den Namen ausgedacht.«

      »Möglich.«

      »Wir werden nach ihm suchen – und vielleicht hat er ja mit dem Tod Simones gar nichts zu tun«, wiegelte Sven ab. »Du hast alles richtig gemacht, Ulla. Erst geschwiegen und dann die Polizei informiert. Simone wäre stolz auf dich.«

      »Wenn du meinst«, wisperte das Mädchen unsicher und schluchzte trocken auf.

      »Seid ihr nun endlich fertig!« Die Mutter war unbemerkt eingetreten. Ihr Blick giftete durchs Zimmer. Bohrte sich in Lundquists Gesicht.

      »Fürs Erste sind wir wohl fertig«, gab Sven höflich zurück und verabschiedete sich von seiner Zeugin.

      »Unfreundlich wäre ein Euphemismus!«, polterte Lars, als sie wieder auf der Straße standen.

      »Sei nicht ungerecht. Vielleicht wächst ihr gerade alles über den Kopf. Außerdem ist sie besorgt. In unmittelbarer Nachbarschaft wurde ein Kind ermordet.«

      Knyst grunzte unwillig. »Wir sind die, die ihr diese Angst nehmen könnten! Unsere Arbeit sollte man unterstützen, nicht torpedieren.«

      »Theoretisch sicher richtig, aber zu idealistisch gedacht. Weißt du, Mütter ticken anders. Erstens sind sie davon überzeugt, die besten Beschützer ihrer Kinder zu sein und zweitens ist ihnen die Tatsache, dass wir ermitteln müssen, Beweis genug dafür, dass unsere Arbeit im Vorfeld schlecht war.« Lundquist atmete tief durch, dachte an seine eigene, charakterlich schwierige Mutter und setzte hinzu: »Manche versuchen, dich ein ganzes Leben lang zu betreuen.«

      Lars grinste. Er wusste um die besonderen Probleme im Lundquistschen Haushalt. Nach dem Tod von Anna, Svens erster Frau, hatte seine tatkräftige, energische Mutter die Versorgung des Witwers und der Enkelin übernommen. Als der Sohn sein Leben wieder selbst in die Hand nehmen wollte, war sie nicht bereit gewesen, dies zu gestatten, hatte sich mit allen Mitteln gegen die neue Schwiegertochter gewehrt.

      »Und wenn Onkel Ingeleif nun ein Hirngespinst ist? So etwas wie eine Fata Morgana?«

      »Wir hatten früher eine Katze. Wenn irgendetwas verschwand, haben wir immer gesagt ›Mathilde muss das gewesen sein‹. So könnte es sich auch mit Onkel Ingeleif verhalten. Der Name ist nur Synonym für etwas Verbotenes. Damit man überhaupt darüber reden kann, verwendet man einen Fantasienamen. Ulla hat recht. Wessen Onkel heißt schon Ingeleif.«

      »Meiner zum Beispiel«, empörte sich Lars. »Er lebt glücklich an einem kleinen norwegischen Fjord. Seine Frau Chin Li ist eine wunderbare Köchin. Inzwischen beherrscht sie sogar die traditionelle Küche. Du solltest mal ihr Dillfleisch probieren. Mit frischem Lamm – ein Traum.«

      »Lamm? Magda nimmt Kalb dafür. Ist bei uns ein gern gegessenes Sonntagsgericht. Lisa mag es am liebsten mit Nudeln. Aber natürlich gehören traditionell Bratkartoffeln dazu. Und deine chinesiche Tante kann das wirklich so kochen, dass es am Ende schwedisch und nicht asiatisch schmeckt?« Sven war skeptisch.

      »Sicher! Sie mischt nicht unter alles Fischsoße!«, gab Lars zurück und klang beinahe beleidigt.

      Lundquist tastete, während er sprach, eine Nummer in sein Handy.

      »Britta, könntet ihr bitte alle herkommen? Gestern gab es hier ein Straßenfest. Wenn Gottwald wirklich mit seinem Cayenne irgendwo gehalten hat, muss er jemandem aufgefallen sein. Und wir suchen nach einem Ingeleif, oder Onkel Ingeleif. Vielleicht kennt den einer der Nachbarn. Bringt ein paar Kollegen zur Verstärkung mit. Lars und ich besuchen in der Zwischenzeit Simones Freund.«

      Er lauschte auf die Antwort, die offensichtlich länger ausfiel.

      »Gut. Wir treffen uns in etwa zwei Stunden im Büro.«

      Das Mobiltelefon verschwand wieder in der Jacke. »Bernt hat zwei der Zeugen von gestern Abend besucht. Bei Tageslicht konnten sie sich nicht mehr daran erinnern, gesagt zu haben, dass Gottwald besonders brutal sei. Nur der eine, der von diesen Randaletreffen erzählt hat, blieb bei seiner Aussage, und auch der Bruder der jungen Frau, die bei einem Vorstellungsgespräch verletzt wurde. Bernt fährt gerade zu einem Hans, der die Aussage zu den Prügeleien bestätigen kann.«

      »Bleibt trotzdem nur eine vage Vermutung, Gottwald neige zur Gewalttätigkeit. Keine Beweise.«

      »Wir besuchen jetzt erstmal Bodo. Danach fragen wir Agneta nach diesem ominösen Onkel. Komm!« Lundquist bog an der Hauptstraße nach links ab und stand wenige hundert Meter später vor dem Eingang des Schreibwarenladens.

      »Ordning & Reda. Da kauft Gitte auch gern. Schöne Farben, extravagante Hefte und Ordner – Luxus pur.«

      »Ja. Magda mag diese Läden auch. Na, vielleicht ist Bodo zufällig hier und wir können wenigstens ein paar unserer Fragen beantworten lassen.«

      Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht.

      »Bodo hat heute frei. Wegen des Straßenfestes gestern.« Der ältere Herr hob entschuldigend die Hände auf Brusthöhe. »Tut mir leid.« Seine wirren weißen

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