Sauerland Live. Reiner Hänsch
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Doch natürlich klappt es nicht. Nein, ‚Ömmes‘ mit „OE“ oder mi „Ö“ ist nicht das ‚Sesam-öffne-dich‘ für das System von diesem zudringlichen Kerl, der einfach keine Ruhe gibt. Der Herr des Kommunikations-Universums kommt nicht rein. Der Kosename des werten Gatten war es also nicht.
„Ihr Sohn?“, fragt der Meister der Dinge jetzt.
„Ach der“, sagt sie da nur und winkt mit der handyfreien Hand ab. Sie hat sich jetzt ganz gut auf dem Barhocker eingerichtet. „Der hat ja nie Zeit!“
Wusste ich’s doch. Keine Zeit für die liebe Mama! Wahrscheinlich ab und zu mal die Hand aufhalten, wenn das Geld des Herrn Sohnes wieder mal zuende gegangen ist, und dann die arme alte Frau Mutter um ein paar Euro von ihrer kärglichen Rente anbetteln. So hab ich’s gerne!, rege ich mich schon wieder innerlich auf, und mein Mitleid für diese einsame, vernachlässigte Person steigt schon wieder. Vielleicht sollten wir diese Frau Pütter bei uns aufnehmen. Wir haben viel Platz, das Haus ist groß, das zweite Kinderzimmer wurde ja noch nie benutzt und Steffi würde sicher nichts dagegen haben, ihren Kram da rauszuräumen und für Frau Pütter Platz zu machen. Scheint doch auch sehr nett zu sein, die alte Dame.
„Der is‘ Chefarzt im Marienhospital, wissen Se“, sagt sie jetzt und nickt dazu.
„Ah so“, sagt Herr Mobilfon offensichtlich einigermaßen beeindruckt und einen ganz kurzen Moment sieht es aus, als ob er über sein eigenes Leben nachdenkt. Aber dann fragt er: „Und wie heißt der? Ihr Sohn?“
„Dr. Pütter!“
„Ja, und Vorname?“
„Ach so, ja, Hans-Jörg.“
Der WLAN-Meister fragt gar nicht mehr, ob Jörg jetzt mit ‚O‘ und ‚E‘ oder mit ‚Ö‘ geschrieben wird und zusammen oder mit Strich in der Mitte, sondern probiert einfach alles mal schnell aus.
Nein. Falsch. Er kommt nicht rein.
„Wie hieß denn noch mal Ihr Hund?“
„Rastamann, dat habbich doch schon de Kollegin … ja, bin ich denn mackacki!“
Da war es wieder.
Ja. Das isses! Rastamann passt. Der Chef ist drin.
„Ach, was haben wir denn da?“, sagt er erst mal vielsagend und nichts ausdrückend. Aber er sieht jetzt alles, was das elektronische Leben von Frau Pütter ausmacht. „Superflat, SMS Flat, und sogar Gigatravel … Reisen Sie denn viel, Frau Pütter? Brauchen Sie das EU-Roaming?“
Sie starrt ihn nur ausdruckslos und sehr bedürftig an.
„Superflätt?“, sagt sie, als sei es ein das ein preiswertes Pfannkuchengericht bei IKEA oder auch ein Wandschrank. „Eh-Uh Rohming? Junger Mann, wissen Se wat? Ich hab bald keine Lust mehr. Ich will mein Weh-Lahn zurück. ‘Rastamann‘ stand da immer und dat soll da getz wieder steh’n.“ Und dabei klopft sie auf ihr Handy und dann schüttelt sie es wieder, so dass es ihr bald aus der Hand fällt.
„Sie könnten ein neues Handy bekommen. Ihres ist ja schon ein paar Jährchen …“, sagt der Mann jetzt etwas abschätzig und leicht überheblich, als ob es sich bei ihrem Model noch um ein kohlebetriebenes Handtelefon der ersten Generation handeln würde. „Samsung Galaxy, wenn Sie wollen.“
Frau Pütter hat jetzt die Sammeldose für das Kinderhilfswerk auf der grauen Theke entdeckt und liest interessiert den Text darauf.
„Die armen Kinder“, sagt sie dann und wartet darauf, dass Herr Mobilfon auch etwas dazu sagt.
„Bitte?“
„Naja, hier“, sagt sie und zeigt auf die Dose. „Die armen Kinder. Ich tu da mal wat rein.“
Der Smartphone-Gelehrte verdreht die Augen, scheint nicht sonderlich erfreut über die Unterbrechung der bisher so gut gelaufenen Eröffnung seines Beratungsgespräches, wartet aber geduldig bis die spendenwillige Frau Pütter ihr Portemonnaie aus der Handtasche gepult hat und der Börse ein Zwei-Eurostück entnimmt, um es sicher in der Dose zu versenken. So, da ham die Kinder getz auch wat!
„Vielen Dank, Frau Pütter, das ist sehr nett von Ihnen“, fühlt der Verkaufspsychologe Schimmeroth, so hieß der Mann doch, wenn ich mich recht erinnere, sich bemüßigt zu sagen und erwartet etwas ungeduldig die Fortsetzung seines Beratungsgespräches.
„Frau Pütter!“, setzt er dann wieder mutig an, weil er ja noch so viel Neues zu verkünden hat. „Sehen Sie mal, so ein Samsung Galaxy, …“
„Galaxie?“, fragt Frau Pütter und scheint Lichtjahre weit entfernt zu sein.
„Ja, … Galaxie, … das hat einen 64er Speicher. 64 Gigabyte, können Sie sich das vorstellen, Frau Pütter?“
Nein, natürlich nicht.
„Gesichts- und Iriserkennung!“
„Iris?“, fragt die alte Dame und denkt vielleicht an eine ebenfalls schon verstorbene gute Bekannte oder Freundin.
„Damit sind Sie nicht nur optisch, sondern auch technisch in der ersten Liga, Frau Pütter!
Sie weiß aber offensichtlich nicht so recht, ob sie überhaupt da hin will in diese erste Liga, und wird so langsam auch etwas unruhig auf ihrem Barhocker. Vielleicht ist der doch nicht so bequem, wie er von unten aussah.
„Zwölf Megapixel Kamera!“, haut Herr Mobilfon schnell noch raus, um Frau Pütter von den Vorteilen dieses ganz besonderen Gerätes vollends zu überzeugen. Sie scheint ja interessiert und nahe dran, ein solches Wunderwerk erstehen zu wollen.
„Bluetooth!“
„Ja, ja.“
„Ultra-High-Quality-Upscaler!”
Frau Pütter entdeckt sich selbst im Glas der spiegelnden Wandschränke hinter Herrn Mobilfon und richtet ihre Dauerwelle ein wenig.
„Dual Band W-Lan!“
Da ist Frau Pütter wieder im Boot.
„Hattat Weh-Lahn?“, fragt sie atemlos.
„Ja, natürlich!“, jubelt der routinierte Spitzenverkäufer geschmeidig. „Hat es!“
„Dann nehm ich dat“, sagt Frau Pütter voller Überzeugung und holt noch mal ihr Portemonnaie heraus, um es dann auch gleich zu bezahlen. „Heißt dat Weh-Lahn da drin auch ’Rastamann‘?“, fragt sie dann aber doch noch, um auch völlig sicher zu gehen, auch das richtige Weh-Lahn zu bekommen.
Das wirft Herrn Schimmeroth etwas aus der Bahn, aber er fängt sich schnell und antwortet federnd: „Noch nicht, aber sie können es so nennen, wenn Sie wollen.“
„Ja, dann is‘ gut“, sagt Frau Pütter, scheint sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung und fragt dann: „Wat kost‘ dat denn?“
Da holt der Herr Schimmeroth erst mal tief Luft und ein fast nicht sichtbares Lächeln legt sich auf seine schmalen Lippen. Es ist also fast geschafft. Jetzt nur