Sauerland Live. Reiner Hänsch

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Sauerland Live - Reiner Hänsch

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die Behandlung.

      „Du hast das direkt in Auftrag gegeben? Das gibt’s ja wohl nicht! Und ehrlich, Steffi … Strähnchen!“

      „Ja, wird alles so grau bei dir.“

      Ja, und? Ich bin sechsundvierzig.

      „Und die Augenbrauen, lass dir auch die Augenbrauen machen, ja? Dunkler. Aber nicht zu viel, dass man‘s sieht, nur so ein bisschen, dass man nicht sieht, ….“

      Jaja.

      Vielleicht will sie auch gleich mitkommen, um die totale Runderneuerung persönlich zu überwachen.

      „Ach, weißt du was, Alex, ich komm einfach mit und …“

      „Nä!“, falle ich ihr direkt ins vorlaute Wort, bevor dieser schlimme Satz noch weitergehen kann, und so bestimmt, wie es überhaupt nur geht, sage ich: „Das fehlt ja noch. Auf KEINEN Fall!“

      „Na gut, morgen um zehn“, sagt sie dann noch etwas sparsam. „Ich bin dann auch im Örtchen einkaufen und könnte dich hinterher abholen.“

      Na gut, abholen geht. Aber sie scheint etwas enttäuscht, dass sie meine morgige Menschwerdung nicht live miterleben darf.

      *

      Pünktlich um zehn bin ich also in der Kampstraße in Leckede und betrete den Frisörladen von Herrn Kaiser, den er natürlich logischerweise Kaiserschnitt genannt hat. Ist ja klar. Hätt‘ ich auch gemacht.

      „Ah, der Herr Knippschild, wie gehdet dir denn?“, fragt Meister Kaiser persönlich mit etwas öliger Stimme und in seiner ganz eige­nen Frisörsprache. „Sie“ und „Du“ gleichzeitig. Das können nur Frisöre oder Supermarktkassiererinnen.

      Der Geruch in seinem Sa­lon könnte ein gutes Gemisch für Anästhesisten sein. Alle Wohlgerüche dieser Welt vereint in einer einzigen chemischen Keule.

      Dann entreißt er mir meine Jacke, so, wie ein Zauberer das Tuch über dem Zylinder mit dem Kaninchen wegziehen würde, dass man gar nichts merkt und gießt sie in einer geschmeidigen Bewegung über einen verchromten Kleiderbügel. Toller Trick. Er wendet sich mir dann zunächst lächelnd zu, doch seine Miene verfinstert sich beim Anblick meines natürlichen Kopfschmucks schwer und sehr plötzlich. Natürlich hat er sofort gemerkt, dass ich mir die Matte gelegentlich selbst stutze, und das geht ja wohl gar nicht. Wie kann denn jemand seine berufliche Qualifizierung und seine fachliche Kompetenz einfach umgehen?

      „Hou, da muss aber wieder mal wat gemacht werden, oh, oh, oh“, jammert er wie ein Klempner beim Anblick einer verrotteten Wasserleitungsmuffe, als er mir mit seinen meisterlichen Fingern ins künstlich nach­gefettete und etwas stockige Haar greift und prompt in einer kleinen Verknotung hängenbleibt.

      „Oh, oh, oh!“

      Ich erinnere mich an die Frage vom Anfang nach meinem Befinden und sage jetzt: „Mir geht’s gut, Herr Kaiser, und dir?“ Etwas trotzig und verschnupft vielleicht, denn ich bin das einfach nicht gewohnt, diese wahnsinnig tolle Atmosphäre beim Coiffeur meines Vertrauens.

      Naja, und eigentlich vertraue ich ihm ja nicht. Keiner dieser Stimmungskanonen vertraue ich. Nein, nein, es herrscht eher tiefes Miss­trauen gegenüber Menschen, die mir in den Haaren herumgrabbeln und hinterhältig lächelnd mit einer Schere in der Hand herumklappern, auf eine günstige Gelegenheit warten und es dir dann sowieso so machen, wie sie es sich selber vorstellen. Sie wollen sich auf deinem Kopf selbst verwirklichen. Man muss da höllisch aufpassen.

      Ja, dieses Misstrauen rührt noch aus meiner Kindheit her, als mein Papa mich mit zu Frisör Rapp genommen, gezwungen, geschleppt, gezerrt hat. Papa saß dann immer in dem linken Frisuren-Gebär­stuhl und ich rechts daneben.

      „Wat kricht der Junge?“, fragte Eugen Rapp dann meinen Papa, nicht etwa mich – ich war einfach noch nicht alt genug, zu entscheiden, was frisurentechnisch gut für mich war – und mein Papa antwortete dann mit einem kurzen Seitenblick auf mich mit „Kurzer Fassong, wie immer, Eugen!“

      Ach, du Lieber. Kurzer Fassong hieß alles, was hinterher wie Recht und Ordnung aussah, und es gab wohl keine genaueren Anga­ben für die Ausführung eines solchen Schnittbefehls. Die Interpretationsbreite war groß und Eugen Rapp hatte praktisch freie Hand. Die er auch nutzte.

      Er scherte also erst mal von unten nach oben mit ständig wachsender Begeisterung mit seinem Elektromäher den Nacken kahl und dann die Seiten.

       Nein, nicht noch höher! Bitte nicht!

      Aus, vorbei, zu spät, das Ohr war schon frei. Völlig frei, da waren keine schützenden Haare mehr in der unmittelbaren Nähe. Es lag da ungeschützt und viel größer als vorher an den kalkweißen, jetzt oberhalb ganz stoppeligen Breitseiten meines Kopfes.

      Dem spärlichen Rest obendrauf besorgte es Eugen Rapp dann mit der flinken Schere, die er wie ein wahrlicher Meister klappern lassen konnte, dass einem angst und bange wurde. Zack, zack, zappzerapp. Rapp. Daher wahrscheinlich auch der kurz und bündige Name. Oder umgekehrt. Mit diesem Namen wird man Frisör.

      Er ließ also oben freundlicherweise immer etwas Haar übrig, das er dann mit einem scharfen Seitenscheitel veredelte. Furchtbar. Ich könnte damit in jedem Nazifilm mitspielen.

      Heute ist diese unsägliche Frisur doch tatsächlich wieder in. Kurzer Fasson. Heißt auch noch immer so. Sehen Sie sich die jungen Männer von heute an! Das ist Eugen Rapps Vermächtnis. Es ist mir unbegreiflich, wie man freiwillig mit solchen Frisuren rumlaufen kann.

      „Wen hattt‘n we denn heute für dich, Herr Knippschild?“, fragt Meister Kaiser jetzt und blättert in seinem Auftragsbuch.

      „Aaach, de Kimbärli. Kimbärli, dä Härr Knippschild is da!“, nölt er dann nach hinten in den Laden und Kimbärli nähert sich etwas unsicher, leicht schlurfig, aber trotzdem so schnell, wie es geht und schief lächelnd, passend zu ihrer asymmetrischen Frisur. Sie weist mir den Weg zur Beschneidungsstelle und ich lasse mich mürrisch nickend nieder.

      Die Reihe der Behandlungsstühle steht ziemlich nahe am gro­ßen Schaufenster zum Bürgersteig hin, was mich schon immer etwas nervös gemacht hat in Herrn Kaisers Laden.

      Ich weiß ja so in etwa, was für eine schmachvolle, erniedrigende Verunstaltung mir bevorsteht, und da will man natürlich nicht von Fremden, oder sogar Nachbarn, Bekannten oder guten Freunden, die zufällig vorbeikommen, entdeckt werden. Vielleicht hat sich der Termin meiner heutigen Beschneidung ja auch herumgesprochen und man hat sich zu größeren Gruppen vor dem Riesenfenster vom „Kaiserschnitt“ verabredet.

       „Morgen um zehn kricht der Knippschild de Fransen ab. Bisse dabei?“

      Mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken. Die anderen Kunden, alles Frauen, scheint diese Öffentlichkeit aber nicht zu stören.

      Links von mir ist eine ältere Dame in Behandlung, die wohl gerade gemeinsam mit ihrer persönlichen Stylingberaterin beschlossen hat, wieder ganz jung zu werden. Sie ist in heftiger, aber begeisterter Diskussion mit einer von Meister Kaisers Schergen über ein gewagtes Feuerrot und abrasierte Seiten statt der ewigen blöden Dauerwelle.

      „Mein‘ Se, dat wär wat für mich? Ich bin zweiensibbzich!“

      „Aaach, da sinse donnich zu alt für, Frau Heisterkamp! Ihr Mann wird begeistert

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