Eiserner Wille. Mike Tyson

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Eiserner Wille - Mike  Tyson Sport

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sagte: „Hey, du hattest Glück heute Abend, Junge. In zwei Wochen gibt es eine Revanche.“ Ritchie war starr vor Schreck. Er war der Meinung, das Unentschieden wäre ein Geschenk gewesen, denn der Kerl hatte ihn richtig verprügelt. Von da an hatte er solche Angst, dass er eine Stunde brauchte, um seine Scheißschuhe zu binden, seine Shorts anzuziehen und in die Sporthalle zu gehen, um zu trainieren. Er schwitzte beim Wiegen. Er konnte nicht essen, er war krank vor Angst, umgebracht zu werden. Als er gerade beim Wiegen war, kam der Trainer seines Gegners an, klatschte ihm auf den Rücken und sagte: „Okay, letztes Mal haben wir es dir leicht gemacht, heute Abend schlagen wir dich im Nu k. o.“ Ritchie war ein emotionales Wrack, aber er ließ sich seine Furcht nicht anmerken. Er war drauf und dran, den Kampf abzusagen, aber er nahm sich zusammen und stellte sich auf die Waage. Dann wartete er auf den anderen Kerl. Nach ein paar Stunden war klar, dass sein Gegner sich nicht blicken lassen würde. Ritchie bekam das ganze Preisgeld. Er lernte eines daraus: Egal, wie viel Angst er gehabt hatte – und er hatte sich gefürchtet, als ob der Teufel hinter ihm her wäre –, sein Gegner hatte noch mehr Angst vor ihm gehabt. Als ich diese Geschichte las, wurde mir klar, dass ich den Vorteil hatte, zu wissen, wie sich die anderen fühlten – aber sie wussten nicht, wie es in mir aussah. Obwohl ich vor den Kämpfen Angst hatte, dachte ich immer: „Sie haben mehr Angst vor mir als ich vor ihnen.“

      Cus gab mir nicht nur dieses Buch, sondern auch etwas, das er „das Gespräch“ nannte. Er spürte, dass die meisten Kids, die Boxer werden wollten, nie gelernt hatten, mit ihren Gefühlen umzugehen. Er meinte, um einen Boxer zu unterrichten, müsse man zuerst seine seelischen Probleme lösen, und zwar auf eine Weise, dass es dem Schüler nicht mehr peinlich ist, so etwas wie Angst zu empfinden. Cus nannte das „die Persönlichkeitsschichten abtragen“. Seine Theorien waren jenen von Wilhelm Reich, einem Schüler Freuds, sehr ähnlich. Reich sprach von der besonderen biologischen Energie eines Menschen, der „Orgonenergie“, die sich im Körper als eine Art Panzer festsetzt. Diese „Panzerung“ müsse angegangen und bearbeitet werden, bis die Energie freigesetzt werden kann. Wenn die Kindheitstraumen und Schamgefühle Schicht für Schicht abgetragen sind, dann bist du bereit für Cus’ Unterricht.

      Ich hörte hundert verschiedene Versionen von Cus’ Zugang zur Angst. Aber die Art, wie er in den Sechzigerjahren darüber sprach, als er für ein Video interviewt wurde, das Jim Jacobs produzierte – der übrigens mein erster Manager wurde –, ist besonders gut.

      „Wenn ich einen neuen Schüler habe, halte ich ihm als Allererstes einen Vortrag. Und obwohl ich nicht von ihm verlange, dass er sich komplett alles merkt, was ich ihm sage, erwarte ich doch von ihm, dass er sich nach dem Wiederholen der Lektion in der passenden Situation an meine Worte erinnert und sich deshalb von der Situation, mit der er konfrontiert ist, nicht einschüchtern lässt“, sagte Cus. „Die Lektion über die Angst lautet ungefähr so: Alle Menschen haben Angst. Angst zu haben ist eine ganz normale, gesunde Sache. Wenn jemand keine Angst hätte, müsste ich ihn zu einem Psychiater schicken, um herauszufinden, was mit ihm nicht stimmt. Die Natur gab uns die Angst, um zu überleben. Und natürlich ist die Angst unser bester Freund. Ohne die Angst würden wir alle sterben, wir würden vielleicht einen Fehler machen oder etwas völlig Dummes tun, was unseren Tod verursachen oder uns zum Krüppel machen könnte. Aber Angst ist auch etwas, was kontrolliert werden muss. Ich vergleiche sie immer mit dem Feuer. Angst muss, wie ein Feuer, beherrscht werden, denn wenn sie einmal außer Kontrolle gerät, kann sie wie ein Feuer alles um dich herum zerstören, alles, nicht nur den einzelnen Menschen. Aber wenn du die Angst wie ein Feuer kontrollierst, kann sie dir zugutekommen. Ohne Feuer hätten wir nicht die Zivilisation, die wir heute als selbstverständlich betrachten. Aber der Kämpfer, der seine Angst beherrscht, kann in einer Weise funktionieren, zu der er vorher nicht ansatzweise fähig war. Egal, wie hässlich ein Mensch ist, egal, ob er badet oder nicht – wenn er mein Leben rettet, wenn er immer da ist, wenn ich in Schwierigkeiten stecke, dann vergesse ich, wie abstoßend er äußerlich ist. Ich sehe ihn als meinen Freund und akzeptiere ihn als solchen. Nun, das ist die Bedeutung von Angst. Die Angst ist dein Freund, und die Natur gab uns die Angst, damit wir überleben. Ich ziehe gern das Beispiel eines Hirsches heran, der eine Lichtung überquert und in den Wald geht. Sein Instinkt sagt ihm, dass in den Bäumen Gefahr lauert, vielleicht in Form eines Berglöwen. In dem Moment schütten die Nebennieren Adrenalin in den Blutkreislauf aus, das Herz schlägt schneller und befähigt so den Hirsch zu Höchstleistungen. Mit dem ersten Sprung springt er zehn, zwölf Meter weit [ein Hirsch kann das], was ausreicht, um der unmittelbaren Gefahr zu entkommen, und die angeborene Schnelligkeit, die ihm die Natur mitgegeben hat, ist seine Rettung. Nun, wir als Menschen unterdrücken meiner Meinung nach diese Qualitäten, dennoch schlummern sie in uns. Wir leben in einer zivilisierten Umgebung. Werden wir aber mit einer Situation konfrontiert, in der uns die Intuition eine bestehende Gefahr signalisiert, kommen die Instinkte, die uns die Natur zum Überleben gegeben hat, zum Vorschein. Wenn wir dann nicht in Panik ausbrechen, sondern diese Instinkte unter Kontrolle haben, können wir sie nutzen. Dann werden sie uns nicht nur unmittelbar helfen zu überleben, sondern uns durch dauerhaften Erfolg eine starke Sicherheit geben und ein Fundament, das so kraftvoll ist, dass wir uns mit der Zeit in der Lage sehen, mit nahezu allem fertigzuwerden.“

      „Also sagen Sie Ihrem Boxer, dass die Angst, die er vor jedem Kampf empfindet, normal und gesund ist, und er sich darüber keine Sorgen machen soll?“, fragte Jimmy.

      „Nicht nur das, ich sage ihnen auch vor jedem Kampf, was sie an Erfahrungen sammeln werden. Er wird in der Nacht vor seinem ersten Kampf – sagen wir, es ist ein Amateurkampf – nicht schlafen können. Ich sage ihm: ‚Wenn du am Morgen aufwachst, wirst du denken: Wie in aller Welt soll ich denn kämpfen? Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen.‘ Das Einzige, was ich ihm zum Trost sagen kann, ist, dass es seinem Gegner genauso geht. Und so ist es eigentlich ein gerechter Kampf. Zweitens, wenn er sich in seine Ecke stellt und über den Ring hinweg seinen Gegner ansieht, wird dieser Kerl die größte und stärkste Person der Welt sein. Wenn er in der Ecke steht und Lockerungsübungen macht, wird dieser Kerl genauso wie die meisten erfahrenen Kämpfer aussehen, obwohl es sein allererster Kampf ist. In der Fantasie wird der Gegner übermächtig. Aber wenn er sich an die Dinge erinnert, die ich ihm sage, weiß er, dass genau das passieren wird, und dann wird er darüberstehen. Und wenn er das weiß und das auch versteht und sich dieser Situation so stellt, wie ich es ihm lange bevor er in den Ring stieg erklärt habe, ist sein Gegner weniger einschüchternd. Hoffentlich werden ihn einige meiner Worte in diesem Zustand der Angst erreichen, bevor die Glocke läutet.“

      Cus hat etwas aus seiner Zeit in der Army mitgenommen. Ihm wurde ein Taschenbuch mit dem Titel Psychologie für den Kämpfer: Was du über dich selbst und andere wissen musst zum Lesen ausgehändigt. Es wurde vom National Research Council’s Emergency Committee on Psychology herausgegeben. Einige der führenden Psychologen Amerikas hatten ihren Teil dazu beigetragen, darunter Gordon Allport und E. G. Boring von der Harvard University. Das Buch konzentrierte sich auf das Seelenleben eines stinknormalen GIs, nicht auf das der ranghöheren Offiziere, und es war voll von konkreten Informationen darüber, wie man die Moral steigern kann und sich an das Leben in der Army am besten anpasst.

      Das Buch enthielt auch eine offene Diskussion über die Angst. Wenn man es liest, erkennt man, wie es Cus dabei half, seine Theorien über die Angst und die Bedeutung traumatischer Kindheitserfahrungen zu verfeinern. „Die mentalen Gewohnheiten in der Kindheit ziehen sich für gewöhnlich in mehr oder weniger verkleideter Form durch das ganze Leben. Das ist manchmal gut und manchmal weniger gut für den Erwachsenen, je nachdem, was für eine Kindheit er hatte.“ Im neunten Kapitel sprechen die Autoren darüber, dass der Erwerb einer Routine zum Lernerfolg beiträgt. „Keine Handlung wird allein dadurch automatisiert, dass man ihren Ablauf in der Theorie lernt, ohne sie tatsächlich zu üben. Durch die wiederholte Bedienung einer Maschine oder eines Gewehres wird diese Handlung zur Gewohnheit und fast mechanisch ausgeführt.“ Das bildete die Basis von Cus’ Überzeugung, dass das Boxen am besten durch ständige Wiederholungen erlernt werden kann. Und es spiegelt sich auch in Cus’ Trainingsinnovation mit dem „Willie Bag“ wieder, auf die ich später noch eingehen werde.

      Cus ließ diese Unterrichtseinheiten nie theoretisch erscheinen. Er brachte

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