Eiserner Wille. Mike Tyson

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eiserner Wille - Mike Tyson страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Eiserner Wille - Mike  Tyson Sport

Скачать книгу

Aufenthalt dauerte drei Tage und zwei Nächte. Da sah ich Cus’ Haus zum ersten Mal. Ich traute meinen Augen nicht, als Bobby mit mir die lange, gewundene Auffahrt hinauffuhr. Sie hatten die Straße nach der Familie benannt, die dieses Haus ursprünglich bewohnte, den Thorpes. Das Haus selbst war ein riesiges, weißes viktorianisches Anwesen mit ungefähr vierzehn Zimmern. So was hatte ich noch nie gesehen. Von der Rückseite des Hauses führte ein Pfad direkt zum Hudson River.

      „Hier werde ich wohnen?“, fragte ich Bobby. Er nickte.

      „Was muss ich hier machen? Den Müll rausbringen?“, fragte ich. Ich war wirklich ein sarkastischer Junge.

      Cus war nicht zu Hause, aber ich lernte Camille Ewald kennen, seine Lebensgefährtin und eigentliche Besitzerin des Hauses. Sie war eine streng wirkende ukrainische Dame, die aber echt nett zu sein schien.

      „Hallo, setz dich und trink eine Tasse Tee mit mir“, sagte sie. „Erzähl mir was.“

      Es war wie eine Plauderei unter Frauen. Wo ich herkäme, wo ich bisher schon gewesen war und ob ich aufgeregt sei. Nach einer Weile zeigte sie mir mein Zimmer. Ich setzte mich einfach aufs Bett und wartete auf Cus. Er kam mit einigen anderen Jungs, die auch im Haus lebten. Wir aßen etwas, dann machte ich ein paar Hausarbeiten, und danach gingen wir alle in die Sporthalle. Während dieser drei Tage trainierte ich, las Boxmagazine und sah mir zusammen mit Cus alte Boxerfilme an. Für mich machte es keinen Unterschied, dass ich jetzt Freigang hatte. Seit ich mit Cus zu tun hatte, war ich auch draußen, wenn ich drin war. Wissen Sie, was ich meine? Cus hatte ein Feuer entfacht, das fortan in mir loderte. Als ich mich wieder auf den Weg nach Tryon machte, hatte ich ein dickes Buch dabei, das er mir geliehen hatte. Ich hatte mir die Bücher im Wohnzimmer angesehen und war über Nat Fleischers Ring Boxing Encyclopedia and Record Book gestolpert. Ich begann es zu lesen und war überwältigt! Ich verliebte mich in diese alten Boxer. Ihre Lebensläufe standen alle in diesem Buch. Von einigen gab es sogar Fotos, die ihren Körper zeigten – und, wow, sie sahen verdammt gut aus! Kein Gramm Fett und kampfbereit. Auch wenn sie nur 54 Kilo wogen, waren sie trotzdem muskulös. Es war beeindruckend, wie viel Arbeit darin steckte, so auszusehen. Bei einem Boxkampf oder beim offiziellen Wiegen schauten sich die Leute mit Begeisterung die Körper der Kämpfer an und nicht die schönen Mädchen, die sie umgaben. Deshalb ziehe ich seit jeher den ganzen Oldschool-Kram aus der Jahrhundertwende ab und gehe in Unterhosen da rauf. Das war der Eindruck, den diese Boxer bei mir hinterließen: Sie sind schön. Dadurch hatte ich auch die Motivation, hart zu arbeiten. Ich wusste, dass ich die Tendenz hatte, fett zu werden, aber ich wollte dieses Sixpack haben. In diesem Buch gab es Momentaufnahmen, bei denen man jeden Muskel und jede Ader der Boxer während eines Schlags sehen konnte. Ich stellte mir vor, ich wäre der Typ auf den Bildern.

      Cus hatte mich beim Durchblättern dieses Buches gesehen. „Gefällt es dir? Dann nimm es mit“, hatte er gesagt.

      Für mich war dieses Buch wie das Penthouse-Magazin. Als ich das nächste Mal nach Catskill kam, konnte ich die gesamte Enzyklopädie auswendig. Ich begann Cus mit Fragen über die Boxer zu löchern. Ich nannte einen Namen wie Freddie Welsh, und Cus erzählte mir alles über ihn. Erwähnte ich Namen wie Armstrong, Canzoneri oder Ray Robinson, dann sagte Cus: „Whoa! Das nenn ich einen Boxer!“, und dann ging die Fantasie mit mir durch. Ich wollte alles über diese früheren Champions wissen und ihre Philosophie verstehen. Sie arbeiteten hart, aber sie genossen auch das Leben, und die Menschen blickten zu ihnen auf, als wären sie Götter. Für mich waren diese Männer unsterblich, und Cus war meine Verbindung zu ihnen, deshalb wollte ich ihn beeindrucken. Ich freute mich darauf, für ihn einkaufen zu gehen, die Sporthalle zu putzen, die Taschen zu tragen, sein Diener zu sein. Ich war Cus’ Sklave. Egal, womit er mich beauftragte, ich tat es. Und ich war glücklich dabei. Anfangs stand ich den anderen Jungs, die im Haus wohnten, nicht sehr nahe. Ich streifte durch das Gelände und ging zum Fluss hinunter, nur um ihn anzuschauen. Das Landleben war neu für mich. Ich redete und nahm an den täglichen Abläufen im Haus teil, aber ich verhielt mich seltsam. Ich war nicht konfliktfähig. Es war, als spräche ich eine andere Sprache.

      Meine Mutter war nicht gerade begeistert davon, dass ich nach Catskill ging. Sie stimmte zu, weil ich da unbedingt hinwollte, aber ich sah, dass sie es nicht gerade toll fand. Meine Schwester fragte mich: „Warum gehst du zu diesen weißen Leuten?“, und ich antworte: „Weil ich Boxweltmeister werde.“ Als meine Entlassung bevorstand, mussten wir Cus’ Vormundschaft über mich in die Wege leiten. Meine Mama fühlte sich schlecht, weil ich so weit weg ins Umland ziehen wollte, unterschrieb aber trotzdem die Papiere. Vielleicht dachte sie, sie hätte als Mutter versagt.

      Eine wunderbare Sozialarbeiterin namens Ernestine Coleman half mir. Sie war eine kräftige schwarze Lady aus Hudson, New York, nur ein paar Meilen von Catskill entfernt. Sie scheute keine Mühen, um mir den Umzug zu erleichtern. Sie zeigte mir gegenüber sehr viel Einfühlungsvermögen, und ich wusste mir diese Tatsache zunutze zu machen. Der Umgang mit ihr war einfacher als mit Bobby Stewart, dennoch war sie kein Schwächling. Ich glaube, Cus bemerkte sofort, dass ich wenig Selbstbewusstsein hatte und dass mich all die Jahre des Herumgeschubstwerdens und der Übergriffe eingeschüchtert hatten. Er begann bereits bei meinem ersten Besuch in Catskill, mein Ego aufzubauen.

      „Du musst an dich glauben“, sagte er mir in der Sporthalle. „Sag dir das jeden Tag. Schau in den Spiegel und erkenne, wie gut du aussiehst. Schau dir deine schönen Hände an.“ Zuerst dachte ich, er wäre schwul. Da, wo ich herkomme, sagen dir ältere Kerle nur so einen Scheiß, wenn sie deinen Schwanz lutschen wollen. Jeder, der mir sagt, ich sähe gut aus, löst in meinem Kopf sofort diese Vorstellung aus. Ich fand mich nicht gut aussehend. Ich war mein Leben lang aufs Übelste behandelt worden und fühlte mich derart hässlich, dass ich mich selbst nicht einmal im Spiegel betrachten konnte. Aber da war er, jeden Tag. „Hör zu, du bist ein gut aussehender Junge.“ Wenn ich dann protestierte und sagte: „Verschwinde, raus hier!“, kam er wieder. „Nein, schau in den Spiegel und sag dir selbst, wie gut aussehend du bist. Übe Schattenboxen und sage dabei: ‚Schau, wie gut ich aussehe!‘ Du wirst jeden Tag hübscher – vielleicht wirst du am Ende noch Schauspieler!“ Er sagte das nicht aus einer Verliebtheit heraus. Es war ihm todernst. Es ging alles um eine Mission – die Weltmeisterschaft im Schwergewicht. Er behandelte mich nicht wie ein Kind. Er gab mir das Gefühl, etwas wert zu sein, das Gefühl, dass wir zusammen eine Mission zu erfüllen hatten.

      Bobby Stuart sagte immer, ich sei der geborene Mitläufer, und das stimmt. Damals in Brooklyn folgte ich Barkim in ein kriminelles Dasein. Barkim wohnte bei mir im Haus und lehrte mich stehlen und rauben, dennoch musste ich auf der Hut sein. Wenn es ihm schlecht ging und ich Geld hatte, konnte er auch auf mich losgehen. Aber Cus war ein ganz anderer Mentor. Barkim legte keine Regeln fest, wie Cus es tat. Für Cus stand unwiderruflich fest, dass es unsere Bestimmung war, die Spitze zu erreichen, und dass am Ende des Weges etwas Gutes auf uns wartete. Wenn ich in den Ring stieg, um zu kämpfen, musste ich kämpfen, bis ich nicht mehr konnte. Du kannst nicht aufgeben, du musst kämpfen bis zum Tod. Cus versprach mir, dass mich niemand je wieder tyrannisieren würde. Er erzählte mir von früheren Boxern, denen das Leben übel mitgespielt hatte und die fähig gewesen waren, ihre Gefühle zu bewältigen. Als ich älter wurde, war mir klar, worauf Cus’ Psychologie hinauslief. Er machte die Schwachen stark. Gib einem schwachen Mann ein wenig Macht, und er wird süchtig danach. Cus wollte keine Jungen, die ausgeglichen waren – er wollte mit Außenseitern arbeiten. Er wollte den Abschaum der Gesellschaft aus den schlimmsten Vierteln. Er war so glücklich, als ich ihm erzählte, dass ich aus Brownsville stammte. „Oh Mann, eine Menge guter Boxer kamen von dort. Al ‚Bummy‘ Davis und Floyd Patterson wuchsen in der Nähe auf.“ Cus sagte mir, dass die besten Boxer seiner Meinung nach diejenigen waren, die am meisten durchgemacht haben.

      José Torres erzählte mir später, dass sich Cus sicher war, ich würde Champion werden, als er hörte, dass ich in öffentliche Busse stieg, wartete, bis die Fahrgäste vor Taschendieben gewarnt wurden, um dann loszuziehen und ihnen die Taschen zu leeren. Er sah, dass ich eine angeborene Intelligenz besaß und dass ich meine kriminelle Energie in den Ring transferieren

Скачать книгу