Elvis - Mein bester Freund. George Klein

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Elvis - Mein bester Freund - George  Klein

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sagte, dass ich am liebsten Schlagzeug spielen würde. Ich stellte fest, dass auch viele andere Jugendliche versuchten, sich über eine Mitgliedschaft in der Kapelle um Fräulein Marmanns Musikunterricht zu drücken. So gesehen förderte sie tatsächlich die musikalische Entwicklung der Schüler. Die Prüfung bestand aus einem ziemlich schweren schriftlichen Teil und einem praktischen Test. Offenbar schnitt ich bei keinem der beiden sonderlich gut ab, denn man befand relativ schnell, mein musikalisches Talent reiche für einen Posten in der Marschkapelle nicht aus.

      Hätte ich andererseits nur ein klein wenig Schlagzeug spielen können, hätte ich Elvis Presley vielleicht nie kennengelernt.

      Die Schule begann, und Fräulein Marmann wurde ihrem Ruf voll gerecht. Sie schwang tatsächlich ein Lineal, aber es zeigte sich auch, dass sie und ich gut miteinander zurechtkamen. Offenbar fanden wir beide, dass ein Großteil der populären Musik jener Zeit langweilig, einfallslos und ohne künstlerischen Anspruch war. Eines Nachmittags beklagte sie, dass sich die musikalischen Einflüsse in unserem Alltag auf ein paar wenige Hits beschränkten. Ich hob meine Hand und warf ein, dass »Dance, Ballerina, Dance« von Vaughn Monroe die ganze Zeit im Radio laufe und mich der Song wahnsinnig mache. Statt nach ihrem Lineal zu greifen, lächelte Fräulein Marmann sogar ein bisschen und sagte: »Das ist ein sehr gutes Beispiel, George.«

      Unser mangelndes Interesse für die Songs aus der Hitparade war aber wahrscheinlich das Einzige, was Fräulein Marmann und mich verband, wenn es um Musik ging. Sie fand, wir sollten alle lieber Bach, Brahms und Beethoven hören. Ich wusste noch nicht recht, was für Musik ich eigentlich im Radio hören wollte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht von einem Orchester gespielt werden sollte.

      Im November kam ein neuer Junge in Fräulein Marmanns Musikunterricht, dessen Familie gerade von Tupelo, Mississippi, nach Memphis gezogen war. Ich bin sicher, dass die Lehrerin seinen Namen nannte und ihn uns anderen vorstellte, aber er fiel nicht sonderlich auf, und so nahm ich kaum Notiz von ihm. Bis zu einem Freitag ein paar Wochen später, als Fräulein Marmann verkündete, dass bald Weihnachten vor der Tür stehe und sie statt regulärem Unterricht in der kommenden Woche ein »besonderes Bonbon« für uns parat habe: Wir sollten gemeinsam Weihnachtslieder singen. Das klang in meinen Ohren nicht gerade »besonders«, der neue Junge aber hob sofort seine Hand.

      »Fräulein Marmann?«, rief er.

      »Ja, Elvis?«

      »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich meine Gitarre mitbringe und etwas singe?«

      Es gab ein wenig Gekicher und Gelächter. Damals, 1948, war es ganz und gar nicht »cool«, wenn ein 13-jähriger Junge ein »Country«-Instrument wie die Gitarre spielte. Cool wäre es gewesen, seinen Football oder seine Boxhandschuhe mit in die Schule zu nehmen. Dieser Junge jedoch wollte seine Gitarre mitbringen und singen. Er saß auf der linken Seite des Klassenzimmers und ich ganz rechts, aber auf einmal starrte ich über die Reihen zu diesem neuen Schüler hinüber. Sein Name war Elvis Presley.

      Fräulein Marmann verbat sich das Gekicher im Klassenzimmer, wenngleich auch sie dieses Ansinnen ein bisschen zu erstaunen schien. »Ja, Elvis – das wäre schön«, sagte sie. »Bring ruhig deine Gitarre mit in den Unterricht.«

      Am Montag darauf nahmen wir im Musikunterricht alle unsere Plätze ein, und da kam auch schon Elvis Presley mit seiner Gitarre. Als ihn Fräulein Marmann aufrief, nahm er die Gitarre, ging nach vorn und sang zwei Stücke für uns, die beide keine Weihnachtslieder waren. Das erste war »Old Shep«, ein herzergreifendes Lied über einen Jungen und seinen Hund, das zweite »Cold Icy Fingers«, eine Art lustiges Gespensterlied. Als der letzte Akkord verklang, herrschte einen Moment lang Grabesstille, dann brach die ganze Klasse in Applaus aus.

      Unsere Klassenkameraden hatten vermutlich etwas furchtbar Schlechtes erwartet – etwas, über das sie lachen konnten. Dieser Junge konnte jedoch tatsächlich singen und spielen. Er hatte mich, ehrlich gesagt, vom Hocker gerissen. Zunächst war es natürlich beeindruckend, dass er über eine gewisse Begabung verfügte. Aber zu sehen, wie er nach vorn ging und vor der gesamten Klase und einer der strengsten Lehrerinnen der gesamten Schule so kraftvoll und leicht sang, war noch einmal etwas ganz anderes. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich ging gern ins Kino und träumte ab und zu von einem Leben im Showgeschäft, wusste aber nicht, wie man das anstellen sollte. Hier in der Humes High jedoch war ein Junge, der sich nicht scheute, ins Rampenlicht zu treten. Das verblüffte und beeindruckte mich.

      Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich: »Mensch, der Typ ist cool.« Ich sollte es noch oft denken.

      Es wäre schön, wenn ich sagen könnte, dass Elvis Presley und ich von jenem Augenblick an unzertrennliche Kumpels waren, aber das war nicht ganz der Fall. Später stellte ich mich ihm vor, und wir unterhielten uns dann und wann. Wir waren zwei Jungs, die sich freuten, wenn sie einander auf dem Korridor begegneten. Ich erinnere mich, dass er einmal sagte, er habe sich ebenfalls für die Schulkapelle beworben, sei aber abgelehnt worden (ich weiß zwar immer noch nicht, warum ein Typ mit seinem Talent nicht aufgenommen wurde, aber ich bin dankbar dafür).

      Elvis und seine Familie lebten damals noch in einer Pension in der Poplar Street, zogen aber kurz darauf in das von der Regierung geförderte Siedlungsprojekt in Lauderdale Courts um. Ich lebte mit meiner Mutter und meiner Schwester direkt gegenüber der Humes, und wenn wir Jugendlichen um Viertel nach drei aus der Schule kamen, gingen Elvis und ich getrennte Wege. Rückblickend weiß ich, dass er und seine Familie in Tupelo bettelarm gewesen waren und alles daran setzten, in ihrer neuen Heimatstadt ein besseres Leben zu beginnen.

      Meine Familie kam von etwas weiter weg, musste aber für ihr Auskommen nicht weniger hart arbeiten. Meine Mutter und mein Vater waren orthodoxe Juden. Sie stammte aus Russland, er aus Polen. Beide hatten ihrer Heimat in den zwanziger Jahren den Rücken gekehrt, als in Osteuropa der Antisemitismus aufflammte. Meine Mutter hatte zwar Verwandtschaft in Chicago, ihre Überfahrt wurde jedoch von einem jüdischen Rechtsanwalt aus Memphis bezahlt, durch welchen sie auch meinen Vater kennenlernte. Sie ließen sich in einem kleinen Haus in der Leath Street im Norden von Memphis nieder, wo sie erst meine Schwester Dorothy und dann mich bekamen. Meine Eltern waren geflohen, noch bevor Hitler an die Macht kam, und wollten sich nun in Amerika ein neues, besseres Leben aufzubauen. Die Dinge nahmen jedoch eine unglückliche Wendung, weil mein Vater schwer krank wurde. Ich kann mich an ihn als Teil meiner Kindheit eigentlich kaum noch erinnern und weiß offen gestanden nicht einmal ganz genau, woran er litt. Ich habe nur ein paar undeutliche Erinnerungen daran, wie wir ihn in einer Spezialklinik in Hot Springs im Bundesstaat Arkansas besuchten, wo er die letzten Jahre seines Lebens ans Bett gefesselt war.

      Wir waren niemals wohlhabend, kamen aber zurecht, konnten saubere Kleider tragen und hatten immer etwas zum Abendessen. Mein Vater hatte vor seiner Erkrankung ein Geschäft für landwirtschaftliche Erzeugnisse eröffnet. Er kaufte Obst und Gemüse von den Bauern und verkaufte sie dann an Gemüseläden weiter. Von dem Gewinn erwarb er zwei kleine Häuser im Norden von Memphis, eines für uns selbst und eines zur Vermietung. Nach seinem Tod lebten wir zum Teil von den Mieteinnahmen. Daneben arbeitete meine Mutter als Schneiderin und änderte in einem der feineren Konfektionsgeschäfte in der Innenstadt von Memphis Anzüge. Sobald ich alt genug war, ging auch ich einem Broterwerb nach: Ich trug Zeitungen aus und brachte zusätzlich etwas Geld nach Hause, indem ich bei Paraden Ballons und anderes verkaufte.

      Im Norden von Memphis wohnten nicht sehr viele Juden. Ich weiß außerdem, dass es in der Südstadt Bezirke gab, wo sich meine Mutter und ich nicht gerade willkommen gefühlt hätten, insbesondere vor dem Hintergrund der Spannungen während des Zweiten Weltkriegs. Meine Familie wurde jedoch so problemlos akzeptiert und fügte sich so perfekt ein, dass das einzige Mal, als ich mit Vorurteilen konfrontiert wurde, gar nicht wusste, was gemeint war. Ich ging gerade in die siebte Klasse, mein erstes Jahr an der Humes, als eines Nachmittags ein älterer Junge zu mir herkam und mich ein »Judenbaby« nannte. Vielleicht hatte er erwartet, dass ich in Tränen ausbrechen oder nach ihm schlagen würde,

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