Elvis - Mein bester Freund. George Klein

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Elvis - Mein bester Freund - George  Klein

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sein sollte. Also fragte ich den Jungen: »Was ist denn ein Judenbaby?« Die Frage brachte ihn völlig aus der Fassung, und wie sich herausstellte, hatte er keine Antwort parat. Er zuckte nur mit den Schultern und ging davon. Ich hörte solche Worte nie wieder.

      Als ich an die Humes kam, verlief mein Tag fast immer nach demselben Muster: Nach der Schule legte ich zuerst eine kleine Pause in einem Imbisslokal ein, wo ich ein kaltes Getränk oder etwas Süßes zu mir nahm, dann eilte ich nach Hause, um etwas Zeit mit dem einzigen Luxusgegenstand zu verbringen, den wir besaßen: einem großen, wuchtigen Standradio. Als kleines Kind verpasste ich nur selten eine Folge von Die grüne Hornisse, Lone Ranger oder Superman. Später hörte ich gern die Sendung von Diskjockey Bill Gordon, die nachmittags auf WHBQ lief, dem größten Sender der Stadt. Gordon spielte die aktuellen Hits – jenes Zeug also, mit dem Fräulein Marmann nichts anzufangen wusste. Doch er war ein lustiger Dampfplauderer und außerdem der erste Moderator, den ich je hörte, der etwas über die Platten erzählte und Witze über die Musik riss, die er spielte.

      Noch aufregender war es, wenn ich ein wenig an dem Sendersuchknopf des Radios drehte und von 560 (WHBQ) auf 1070 (WDIA) ging. Im Jahre 1949 war WDIA die erste Radiostation im Süden, die schwarze Diskjockeys einstellte. Den Anfang machte Nat D. Williams. Williams und seine späteren Kollegen Rufus Thomas oder der noch sehr junge B.B. King spielten für die wachsende schwarze Hörerschaft der Stadt eine Musik, die ganz anders klang. Auf WDIA hörte ich zum ersten Mal Musik, die mit dem gängigen Hitparadengedudel rein gar nichts gemein hatte: Songs von Big Joe Turner, den Clovers, Fats Domino, Ruth Brown und Johnny Ace. Diese Musik klang wild und ein bisschen gefährlich, und ich konnte gar nicht genug davon bekommen – wenn ich auch nicht immer begriff, wovon da eigentlich gesungen wurde. Etlichen meiner Klassenkameraden ging es genauso, und wir machten uns eine Art Sport daraus: Wenn ein neuer Song auf WDIA gespielt wurde, versuchten wir, den Text schlecht und recht mitzuschreiben. Am nächsten Tag brachten wir ihn dann mit in die Schule und versuchten zu ergründen, worum es in dem jeweiligen Stück genau ging.

      Ich weiß, dass es Familien gab, in denen die Jugendlichen verprügelt wurden oder Schlimmeres, wenn man sie beim Hören von »Rassenmusik« erwischte. Meine Mutter hingegen sah keine Notwendigkeit, sich über meinen Musikgeschmack aufzuregen. Sie hatte in Russland wirklich schlimme Dinge erlebt und war zufrieden mit dem, was sie in den Vereinigten Staaten hatte. Solange ich nicht in Schlägereien verwickelt war, nicht von der Polizei aufgegriffen wurde und ordentliche Zensuren nach Hause brachte, war es ihr im Großen und Ganzen egal, auf welchen Sender ich das Radio einstellte.

      Während meiner Zeit an der Humes High besuchten Elvis und ich häufig denselben Unterricht, darunter einen Schreibmaschinenkurs, den wir beide nur mit Ach und Krach bestanden, soweit ich mich erinnere. Manchmal begegnete ich ihm auch in der Stadt. Als der Mid-South-Jahrmarkt 1950 auf den Memphis Fairgrounds gastierte, planten einige Freunde und ich, uns die 50 Cent Eintritt zu sparen, indem wir an einer bestimmten Stelle hinter ein paar Zirkuszelten über einen Maschendrahtzaun kletterten. Eines Abends hatte ich den Zaun schon halb überwunden, als ich plötzlich spürte, dass jemand an ihm rüttelte. Ich sah nach links und erblickte Elvis, der sich ebenfalls auf halber Höhe befand. Auch er sparte sich gern die 50 Cent.

      Ich glaube, jeder Highschool-Schüler sucht nach einer Möglichkeit, die eigene Persönlichkeit nach außen zu kehren und sich von der Masse abzuheben. Um Aufmerksamkeit zu erregen, tat man sich damals zumeist im Sport hervor, wurde Cheerleader oder engagierte sich in der Schulpolitik. Ich wählte die politische Schiene, wurde Herausgeber der Schülerzeitung und des Jahrbuchs. In meinem Abschlussjahr war ich Jahrgangssprecher. Ich genoss es, dass ich in der Lage war, mit allen möglichen Klassenkameraden gut auszukommen – den Sportlern, den Denkern und denen, die ein bisschen anders waren. In der zehnten und elften Klasse brachte Elvis seine Gitarre immer öfter mit in den Unterricht, um bei kleineren Veranstaltungen wie Klassenfesten zu spielen. Im Abschlussjahr war es dann ganz klar, dass Elvis etwas Besonderes war.

      Das Auffälligste an ihm war, dass er sich anders kleidete. Die meisten von uns trugen Jeans und schlichte Hemden. Elvis hingegen sah man nie in Jeans (ich erfuhr später, dass er sie hasste, weil sie ihn an die Arbeitskleidung erinnerten, die seine Familie getragen hatte, als sie bettelarm war). Stattdessen zog er schwarze Bundfaltenhosen mit einem rosa Streifen an den Außenseiten der Hosenbeine an und ein Sakko mit aufgestelltem Kragen. Er ließ sein Haar lang wachsen und kämmte es nach hinten. Außerdem trug er Koteletten. Was mich heute noch verblüfft, ist die Tatsache, dass sein Look damals nirgendwo in Memphis angesagt war. Soweit ich weiß, trug niemand solche Klamotten – außer Elvis. Sein Äußeres war zwar sein Markenzeichen, aber er machte keinen großen Wind darum und schien sich nie in den Vordergrund spielen zu wollen. So prägte er sich still und leise dem Gedächtnis seiner Mitschüler ein. Gleichsam wie ein Hammer aus Samt.

      Elvis sah damals noch nicht so gut aus wie später – seine unverwechselbaren Gesichtszüge waren noch nicht voll ausgeprägt. Daher wussten die meisten Mädchen an der Humes nicht recht, was sie mit diesem seltsam anderen Klassenkameraden anfangen sollten. Einige der Jungs wiederum fanden, dass jemand, der derart aus dem Rahmen fiel, eine Abreibung verdient hätte. Eines Tages lauerten ihm ein paar harte Jungs bei den Toiletten auf. Sie fuchtelten mit einer Schere herum und sagten, sie würden ihm die Haare abschneiden. Er versuchte, sich zur Wehr zu setzen, doch seine Tolle wurde nur dadurch gerettet, dass Red West, einer der stärksten und furchtlosesten Burschen der ganzen Schule, zufällig hereinkam und sah, was vor sich ging. Red sagte den Möchtegern-Friseuren, wenn sie Elvis die Haare schneiden wollten, müssten sie zuerst ihm die Haare schneiden, und damit war der Fall erledigt.

      Als krönender Abschluss meiner Schulzeit an der Humes durfte ich als Jahrgangssprecher eine Rede vor der gesamten Schule halten. Der schönste Augenblick für Elvis war vermutlich sein Auftritt bei dem Talentwettbewerb, den die Abschlussklasse jedes Jahr veranstaltete. Die Aula war bis auf den letzten Platz gefüllt. Er betrat die Bühne und sang Teresa Brewers »Til I Waltz Again With You«. Ich erinnere mich noch, wie erstaunt ich war, dass einige der raubeinigen Football-Typen, die es Elvis so schwergemacht hatten, bei diesem Auftritt begeistert pfiffen und ihm zujubelten.

      Ich sagte zu einem von ihnen: »Du klatschst ja wie verrückt – ich dachte, du kannst Elvis nicht leiden.«

      »Ach was, Elvis ist in Ordnung«, sagte der Junge. »Wir haben ein bisschen Schabernack mit ihm getrieben, aber er hat es ganz locker weggesteckt. Außerdem ist er in unserer Klassenstufe, und er ist der beste Sänger da oben auf der Bühne.«

      Dagegen ließ sich nichts mehr einwenden.

      Während meiner Zeit an der Humes hörte ich immer häufiger WDIA. Je mehr Musik ich dort kennenlernte, desto weniger interessierte mich der glattgebügelte Weichspülerpop von Leuten wie Doris Day, den Ames Brothers oder Mitch Miller. WDIA sendete allerdings nur bis Sonnenuntergang, danach musste man WHBQ einstellen, wenn man abends noch neue Klänge hören wollte. Der Sender hatte spätabends eine Show namens Red, Hot and Blue im Programm, die von einem wilden, verrückten Original namens »Daddy-O« Dewey Phillips moderiert wurde.

      Dewey hatte als Verkäufer in der Schallplattenabteilung von Grants Kaufhaus in Memphis angefangen. Irgendwann war ihm eine Idee gekommen, wie er den Verkauf ankurbeln könnte: Er spielte seine Lieblingsplatten über die Haussprechanlage und kommentierte dies mit einem schnellen, wilden Gebrabbel. Er klang dabei wie eine Mischung aus Hinterwäldler, Tanzanimateur, Auktionator und Wahnsinniger. Viele Kunden kamen nur deshalb, weil sie ihm bei der Arbeit zuhören wollten. Die Verkaufszahlen schossen in die Höhe. Es dauerte nicht lange, da beschloss man bei WHBQ, den komplett unerfahrenen und nicht als Sprecher ausgebildeten Dewey mit einer eigenen Sendung über den Äther zu schicken. Er wurde auch dort zum Renner. Im Jahre 1951 stand seine ungemein beliebte Sendung sechsmal pro Woche von 21 Uhr bis Mitternacht auf dem Programm. In Red, Hot and Blue bekamen die Jugendlichen frischere, aufregendere Klänge zu hören: Doo-Wop, Jump Blues, Deep Country und vor allen Dingen etwas ganz Neues, das sich »Rhythm and Blues« nannte.

      »Aufgepasst«, hörte

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