Die Anfänge Roms. Harald Haarmann

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Die Anfänge Roms - Harald Haarmann marixsachbuch

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in die römische Lebenswelt übernommene Kulturerbe der Griechen) blieb erhalten und wurde in vielerlei römischen Transformationen tradiert. Die westliche Welt trat das Kulturerbe der römischen Zivilisation an, und auf diese Weise ist auch vieles vom etruskischen Kulturerbe in spätere Epochen transferiert worden. Es gibt sogar Bereiche des modernen Lebens, in denen die etruskische Komponente gar nicht wegzudenken ist. Ein solcher Bereich ist die Tradition des »Römischen« Rechts. Viele Darstellungen lassen sich darüber aus, wie grundlegend diese Tradition unsere westliche Rechtsauffassung beeinflusst hat.

      Was einer näheren Betrachtung ebenso wert ist, ist der grundlegende Einfluss, der für die Prägung des Römischen Rechts selbst verantwortlich ist. Das ist die vorrömische, etruskisch geprägte Rechtstradition, deren Einfluss auf das öffentliche Leben und die Rechtsordnung während der Königszeit und noch im republikanischen Rom spürbar ist. In der westlichen Tradition des Römischen Rechts gehören lateinische Kernbegriffe wie causa, damnum, norma, titulus (im Sinn von ›Rechtstitel‹), vitium (im Sinn von ›Sachschaden‹ in der Marktwirtschaft) u. a. seit altersher zur juridischen Nomenklatur. All diese und etliche andere Kernbegriffe sind etruskischer Herkunft. Die etruskische Rechtstradition ist nur wenig bekannt und soll hier näher vorgestellt werden.

      Das Gleiche gilt auch für all die anderen Einflussschneisen, über die sich etruskischer Einfluss nachhaltig geltend gemacht hat. Die Etrusker vermittelten den Römern das elementare Know-how zum Aufbau einer Zivilisation im Sinn von »Hochkultur«: Schriftlichkeit, Urbanisierung und Stadtplanung, Architektur (Rundbau, Wasserleitungen), urbane Kommunalverwaltung, Basiselemente des öffentlichen und privaten Rechts, Kalenderwesen, religiöse Feste, Metallverarbeitung (Eisen-, Silber- und Goldschmiedehandwerk), Schiffsbau, Militärwesen, Weinkultur und das Theater. Den etruskischen Fingerabdruck in der Prägung der römischen Zivilisation sichtbar zu machen, ist eine faszinierende Aufgabe, die hier angegangen werden soll.

      Die Namen etruskischer Herrscher, von Kulturschaffenden und politisch einflussreichen Patriziern gehören der Geschichte an, und ihre Bedeutung kommt für bestimmte Perioden zum Tragen. Der Name von zumindest einem Etrusker ist durch alle Zeiten im kulturellen Gedächtnis der Europäer lebendig geblieben. Dieser Etrusker war Maecenas, ein politisch einflussreicher Beamter, der auch die Rolle eines Stellvertreters für Kaiser Augustus übernahm. Maecenas war den Künsten gesonnen, und sein Reichtum ermöglichte ihm eine weitreichende Förderung dichterischer und künstlerischer Talente. Sein Mäzenatentum machte Schule, und sein Name (Maecenas → Mäzen) wurde zum Prestigebegriff im Kulturschaffen (s. Kap. 14).

      Es war ein langer Weg von der rustikalen Idylle auf den sieben Hügeln, als in Italien die Angehörigen vieler Völker lebten und viele Sprachen gesprochen wurden, bis hin zu der Zeit, als das mächtige Rom zur Metropole aufgestiegen war und soviel Autorität besaß, dass es im Jahre 90 v. Chr. verfügen konnte, das Lateinische als alleinige Amtssprache in ganz Italien einzuführen. Und es war ein ebenso langer Weg, bis sich aus dem gesprochenen Latein eine romanische Sprache ausgliederte, das Italienische. In der Vielfalt der Dialekte Italiens spiegelt sich das Erbe der vorrömischen Regionalkulturen. Und was sich in Italien über die Jahrhunderte entwickelt hat, findet seine Parallelen in vielen der ehemaligen Provinzen des Imperium Romanum, wo es zur Ausbildung romanischer Sprachen gekommen ist.

      Die westliche Zivilisation ist ohne den Input der römischen Traditionen nicht vorstellbar. Ebenso wenig vorstellbar wäre die römische Zivilisation ohne den Input des etruskischen Kulturerbes. Unsere Welt ist multikulturell und multilingual geprägt. Multikulturell und multilingual geprägt waren bereits die Anfänge der römischen Welt mit ihrem Charakter einer Mosaikkultur.

       1.

       WHO IS WHO IN DER FRÜHZEIT ITALIENS? VÖLKER UND KULTUREN VON DEN ALPEN BIS SIZILIEN

      Italien ist altes Kulturland und hier haben Menschen seit der Altsteinzeit gelebt. Die Präsenz des archaischen Homo sapiens (bzw. auch des Neandertalers) ist durch Funde in Mittelitalien (u. a. in der Grotta Guattari nahe San Felice Circeo südlich von Rom) bezeugt, deren Alter auf ca. 50 000 Jahre datiert wird. Vertreter des anatomisch modernen Menschen (moderner Homo sapiens) sind in Italien seit ca. 43 000 Jahren nachgewiesen (Grotta del Cavallo). Die ältesten Hinweise auf das Kunstschaffen des Frühmenschen findet man in den Höhlenbildern Siziliens und in weiblichen Figurinen (z. B. die Venus von Savignano, Provinz Modena; ca. 25 000 Jahre vor der Jetztzeit); (Leighton 1999). Die Entstehung der Höhlenbilder und Figurinen ist zeitgleich mit der altpaläolithischen Höhlenkunst in Südwestfrankreich und Nordspanien.

      Während der mittleren Steinzeit (Mesolithikum) und in der frühen Jungsteinzeit (Neolithikum) werden in Sizilien und auf Sardinien Megalithbauten errichtet, was auf die Zugehörigkeit Italiens zur Kultur der Großsteinsetzungen in der westlichen Mittelmeerregion hindeutet. Die Entwicklung während des Neolithikums steht im Zeichen des Übergangs zum Ackerbau und der Übernahme der Keramikherstellung als innovativer Technologie. Die Jäger und Sammler Unteritaliens waren die Ersten, die in Kontakt mit Ackerbauern auf der anderen Seite der Adria traten. Grund für die Kontakte und die damit verbundenen Fahrten über das Meer war der Tauschhandel mit Obsidian. Aus diesem Grundmaterial konnten vielerlei Werkzeuge (scharfe Klingen, Schaber und Messer) hergestellt werden. Obsidian wurde überwiegend auf den vorgelagerten Inseln im Küstengebiet gewonnen.

      Im Kontakt mit den Handelspartnern an den Küsten der Balkanregion und des griechischen Festlandes lernten die italischen Jäger die Welt der Ackerbauern kennen, machten sich mit dem Agrarpaket vertraut und fingen selbst mit der Pflanzenkultivation an. Die Verbreitung des Ackerbaus auf italischem Boden beruht weitgehend auf dem Akkulturationsprozess der einheimischen Jäger und Sammler (Abb. 1).

      Abb. 1: Der Obsidianhandel und die Regionen mit frühem Ackerbau (Cunliffe 2008: 116)

      Die einheimische Bevölkerung Italiens waren Nachkommen der Urbevölkerung des anatomisch modernen Menschen und dies war die Mehrheitsbevölkerung bis zur Ankunft der Indoeuropäer. In der Zeit zwischen der Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. und der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. gelangen Migranten in mehreren Wellen nach Italien und dringen bis in den Süden vor (Cocchi Genick 1994). Die Migranten kamen aus Mitteleuropa, und ihre Verbreitungsrouten in Italien sind an der materiellen Hinterlassenschaft zu erkennen, u. a. an neuen Waffentypen (Bronzedolche, Streitäxte aus Stein). Eingeführt wurde auch eine Tierart, die den altmediterranen Bewohnern Italiens bis dahin unbekannt war, das Pferd.

      Die Einwanderer aus dem Norden stellen schon bald die Bevölkerungsmehrheit, und ihre Kultur und Sprache gliedern sich entsprechend von ihren Siedlungsgebieten regional aus. Die Sprachen der seit der späten Bronzezeit in Italien heimischen Populationen, der Italiker, bilden einen eigenen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie (Beekes 2011, Haarmann 2016). Zu den antiken Völkern mit indoeuropäischer Sprache gehören auch Nicht-Italiker, wie die Veneter (im Nordosten), die Lepontier (im Norden), die Messapier (im Südosten) und die Sikeler (in Sizilien). Ob das Elymische, eine der vorgriechischen Sprachen in Sizilien, indoeuropäisch war, ist bislang umstritten. Jedenfalls besteht keine nähere Verwandtschaft mit dem italischen Sprachzweig. Altmediterrane Sprachen und Kulturen haben sich bis in römische Zeit bei den Ligurern (im Nordwesten), Kamunern und Rätern (im Norden), bei den Paläosarden (auf Sardinien) sowie bei den Sikanern (in Sizilien) erhalten.

       Italische Sprachkulturen

      Die Hauptrichtung der Jahrhunderte andauernden

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