Die Anfänge Roms. Harald Haarmann

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Die Anfänge Roms - Harald Haarmann marixsachbuch

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Griechen im südlichen Italien konzentriert. Während die Herkunft der Griechen aus dem östlichen Mittelmeer unbestritten ist, sind sich die Forscher über die Herkunft der Etrusker bis heute nicht einig.

      Was die Kulturchronologie der Präsenz beider Populationen in Italien betrifft, so sind die Kontakte der Griechen mit den Einheimischen in Italien älter als die der Etrusker. Griechen, genauer gesagt mykenische Griechen, haben bereits zu einer Zeit Handelsstützpunkte in Süditalien angelegt, als es die Etrusker als ethnische Gruppierung noch gar nicht gab. Archäologische Hinweise auf mykenische Griechen in Italien gehen auf das 13. Jahrhundert v. Chr. zurück. Die Besiedlung Siziliens und Süditaliens durch griechische Kolonisten datiert dagegen in eine jüngere Periode, mit Anfängen im 8. Jahrhundert v. Chr.

      Umstritten ist, ob das Volk der Etrusker seine ethnisch-sprachliche Charakteristik in nachmykenischer Zeit in Italien entwickelte, oder ob sich eine solche Identität bereits im ägäischen Raum ausgebildet hatte, von wo sie mit Migranten nach Italien transferiert wurde. Um die Aufklärung des Mysteriums der Herkunft der Etrusker haben sich Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen bemüht: Sprachwissenschaftler, Archäologen, Ethnizitätsforscher, Kulturwissenschaftler und in den vergangenen Jahren verstärkt auch Humangenetiker. Von welchem Standort auch immer das Herkunftsproblem angegangen wird, die Forschungsmethodologie muss sich interdisziplinär orientieren. Konstruktive Einblicke in die Problematik sind nur unter der Bedingung zu erwarten, dass Erkenntnisse der vergleichenden Sprachwissenschaft mit solchen der Kontaktforschung sowie mit Analysen zur ethnischen Identität und zusätzlich mit Daten der humangenetischen Forschung korreliert werden, um ein Gesamtbild zu vermitteln.

       Tyrsenoi/Tyrrhenoi – Rasenna – Tusci

      Die Etrusker nannten sich selbst Rasenna (bzw. in spätetrusk. Form Rasna). Nach Herodot (I.94) war Rasenna der legendäre Führer, der die Vorfahren der Etrusker aus Kleinasien nach Italien führte. Bei den Griechen hieß dieses Volk Tyrsenoi (bzw. Tyrrhenoi), und in ägyptischen Texten aus der Zeit des Pharao Ramses III. (20. Dynastie, 12. Jahrhundert v. Chr.) werden die Etrusker (Teresh genannt) unter den »Seevölkern« aufgeführt (Cultraro 2012).

      Der Name, den die Römer ihren Nachbarn gaben (Tusci), lebt bis heute im Namen der Toscana weiter. Die griechische Namenform dagegen setzt sich fort in der Benennung für den Teil des Mittelmeeres im Nordwesten Italiens, das Tyrrhenische Meer. Mit Etrurien (lat. Etruria) wird das Kernland etruskischer Siedlung bezeichnet.

       image Tyrsenoi/Rasenna

      Für die griechische Namenform sind die verschiedensten Deutungen vorgeschlagen worden (Briquel 2004, de Simone 2013). Die wahrscheinlichste dieser Deutungen ist wohl die, wonach sich die griechische Form Tyrsenoi aus zwei Grundkomponenten zusammensetzt. Die eine ist Tur-, das sich wohl von etrusk. tur, ›Gefolgsleute, Angehörige‹, herleitet. Die andere Komponente, -senoi, ist eine Verkürzung des Namens Rasenna (mit der griech. Pluralendung -oi).

      Nach mythologischer Überlieferung waren die Tyrsener Verbündete Trojas im Krieg gegen die Mykener und gehörten damit zu den Verlierern des wohl berühmtesten Krieges der griechischen Antike. Vielleicht gab der verlorene Trojanische Krieg den Ausschlag, dass ein großer Teil der proto-etruskischen Elite – womöglich die gesamte Aristokratie – auswanderte. Der Seeweg nach Italien war seit Langem bekannt, denn die Mykener unterhielten in Süditalien zahlreiche Handelsniederlassungen. Obwohl die Mykener den Krieg gegen ihre Rivalen, die Trojaner, gewannen, konnten sie sich ihres Sieges nicht lange erfreuen. Denn schon im 12. Jahrhundert v. Chr. zerfiel ihre eigene Macht. Damit waren die Handelsrouten auch für die einstigen Feinde der Mykener, die Proto-Etrusker frei. Deren Landung in Mittelitalien vollzog sich ohne Behinderungen, denn es gab damals kein italisches Volk, das es mit einer politisch so gut organisierten Elite, wie es die Proto-Etrusker waren, hätte aufnehmen können.

      Historiker und Archäologen tun sich bis heute schwer mit der Vorstellung von den Etruskern als Einwanderern (s. Shipley 2017: 28 ff. zu den Argumentationen für Bodenständigkeit einerseits und für Einwanderung andererseits). Es wird immer wieder dasselbe Argument angeführt, wenn es um die Ablehnung der Einwanderungsthese geht: Die Etrusker können nicht eingewandert sein, weil sich das typische Gepräge ihrer Kultur erst in Italien ausgebildet hat. Dies klingt logisch, und von der Einwanderung eines voll entwickelten Volkes der Etrusker kann deshalb auch keine Rede sein. Tatsächlich sind auch nicht die Etrusker eingewandert, wie wir sie aus Italien kennen, sondern deren Vorfahren, die Proto-Etrusker, in deren Kultur wahrscheinlich noch viel mehr ägäisches Erbgut lebendig war, als es sich im Profil der etruskischen Kultur der vorrömischen Ära identifizieren lässt. Die Frage nach der Einwanderung der Etrusker als des historischen Volkes, das uns in Italien entgegentritt, ist also abwegig, eben weil sie falsch gestellt ist. Damit erübrigt sich aber nicht die »richtige« Frage nach der Herkunft des unübersehbaren ägäischen Kulturerbes. Woher kamen die Vorfahren der Etrusker, die Proto-Etrusker? In dieser Form gestellt, wird die Frage wiederum den Realitäten ethnischer Transformationsprozesse gerecht, mit denen wir es hier zu tun haben.

      Bei den Einwanderern, die im Verlauf des 11. und 10. Jahrhunderts v. Chr. nach Italien gelangen, handelte es sich um »eine zahlenmäßig wahrscheinlich gar nicht starke Gruppe von ›Tyrrhenern‹, die aus dem kleinasiatisch-ägäischen Bereich kommen« (Pfiffig 1989: 8). In den vergangenen Jahren hat die archäologische und sprachhistorische Forschung Erkenntnisse geliefert, die für die Migrationsthese sprechen, und die Annahmen von der Urheimat der Proto-Etrusker im ägäischen Raum stützen.

      In einer Gesamtschau von Charakteristika der etruskischen Zivilisation wird eine Reihe von Parallelen mit altägäischen Kulturen hervorgehoben (Haarmann 1995: 154 ff.):

      –Die prominente Rolle der Frau in der etruskischen Öffentlichkeit;

      –Die Vorliebe für bestimmte Hutformen (konisch, mit Dekor geschmückt, mit Spitze) in der weiblichen Mode;

      –Verbreitung der Doppelflöte als Musikinstrument (bekannt von kykladischen Statuetten, minoischen Fresken und etruskischen Wandmalereien);

      –Die Rituale in Verbindung mit der Ahnenverehrung;

      –Der Typ der sogenannten »Hüttenurne«, der in den Kulturen der ägäischen Bronzezeit und in Etrurien verbreitet war;

      –Geflügelte Greifen in der figuralen Kunst;

      –Der spezielle Typ der Grabstele für Krieger (Lemnos und Etrurien);

      –Die Rolle religiöser Prozessionen;

      –Die Rolle von Masken und ihre Verwendung in Ritualen;

      –Die Sitte, Votivgaben in Heiligtümern zu deponieren, die Körperteile wiedergeben;

      –Die Sitte, Skulpturen von Kindern als Votivgaben zu deponieren;

      –Die religiöse Bedeutung von Tieren (Stier, Schlange);

      –Die graphischen Parallelen ägäischer und etruskischer Zahlensysteme;

      –Die Sitte, anthropomorphe und zoomorphe Votivgaben zu beschriften;

      –Die Sitte, Spiraltexte zu verfassen.

       Lemnische Kultur und Sprache, und frühe Schriftzeugnisse

      Seit Ende des 19. Jahrhunderts v.

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