Die Anfänge Roms. Harald Haarmann

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Die Anfänge Roms - Harald Haarmann marixsachbuch

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Insel Lemnos in der nördlichen Ägäis bekannt. Früher wurde angenommen, dass vielleicht etruskische Piraten auf der Insel Station gemacht hätten. Heutzutage sieht man die Dinge jedoch anders. Aufgrund neuerer Erkenntnisse wird die materielle Hinterlassenschaft (z. B. Keramik) auf Lemnos mit einer proto-etruskischen Kulturstufe assoziiert (Cultraro 2012: 106 f.).

      Auch die Sprache, das Lemnische, ist durch eine Grabstele bekannt, die im Jahre 1885 auf der Insel in der nördlichen Ägäis gefunden wurde. Diese Stele, auf der ein Krieger abgebildet ist, und die eine längere Inschrift mit insgesamt 33 Wörtern trägt, stammt aus dem späten 7. oder frühen 6. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 3).

      Die Schrift, in der die Grabinschrift wie auch Beschriftungen auf der Wandung lemnischer Keramikgefäße abgefasst wurden, zeigt deutliche Ähnlichkeit mit der ältesten Version des etruskischen Alphabets in Italien. Inzwischen ist auch nachgewiesen, dass das auf der Insel verwendete etruskische Alphabet altertümliche ägäische Eigenheiten aufweist (Agostiniani 2012). Es kann sich also bei dem Kriegergrab nicht um eine späte Bestattung eines etruskischen Seeräubers handeln, der aus Italien bis nach Lemnos gesegelt wäre.

      Abb. 3: Grabstele von Lemnos (Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr.; Facchetti 2000a: 27)

      Die Sprache der Etrusker ist nicht-indoeuropäisch (Facchetti 2000a, 2008) und sie gehört zum Kreis der altmediterranen Sprachen (Kausen 2013: 196 ff.). Lemnos mit seinem ägäisch-anatolischen Kulturgepräge liegt nicht weit von der Westküste der heutigen Türkei, und es bleibt die Frage, ob die Insel die einzige Region war, wo Proto-Etrusker lebten, oder ob sich deren Verbreitungsgebiet in der Bronzezeit auch auf den Nordwesten Anatoliens ausdehnte. Das Gebiet südlich des Marmarameeres – den antiken Regionen Hellespont und Bithynien entsprechend, die an Lydien angrenzen – ist von Robert Beekes (2003: 6) als proto-etruskische Urheimat identifiziert worden.

      Eine weitere Stütze für die Anatolien-These findet man in Erkenntnissen der Humangenetik. Moderne Untersuchungen zur mitochondrialen DNA der Bevölkerung in der Toskana (wo sich das Genom der etruskischen Bevölkerung nachweisen lässt) haben ergeben, dass deren Merkmale auf Anatolien als Ausgangsgebiet weisen (Achilli et al. 2007, Brisighelli et al. 2009). Die geographische Nähe der Urheimat zu Troja stützt die Annahme, dass die Proto-Etrusker in spätmykenischer Zeit Verbündete dieses Stadtstaates waren.

      Sprachlich lässt sich das Lemnische zweifelsfrei mit dem Etruskischen assoziieren. In der lemnischen Grabstele findet sich die Formel avis sialchvis, ›(im Alter) von 40 Jahren‹, die sprachlich der etruskischen Formel avils machs sealchls, ›(im Alter) von 45 Jahren‹, entspricht. In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. wurde Lemnos von den Athenern erobert, und die lemnische Bevölkerung assimilierte sich allmählich ans Griechische.

       image Kultur- und Sprachkontakte im ägäischen Raum: Pelasgisch-griechisch-etruskische Beziehungen

      Das Etruskische hat dem Lateinischen zahlreiche Ausdrücke vermittelt, die in die Fachterminologie des Schiffsbaus und der Schifffahrt integriert sind. Dazu gehören auch einige Wörter, die das Etruskische selbst als Entlehnungen aus dem Griechischen aufgenommen hat (z. B. lat. anchora, ›Anker‹; aplustra, ›Schiffsknauf‹; guberno, ›steuern‹ ← etrusk. ← griech.). Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Etrusker im Kontakt mit den Griechen der Magna Graecia diese Ausdrücke von griechischen Seefahrern übernommen hätten. Das kann aber nicht sein, u. zw. aus chronologischen Gründen.

      Als die Etrusker anfingen, mit den Griechen Süditaliens Handel zu treiben, waren sie selbst bereits erfahrene Seefahrer: »Neuere Erkenntnisse zur Seefahrt der Etrusker zeigen technisch hochqualifizierte und weitgereiste Leute, die die Gewässer jenseits von Italien bereits vor dem 8. Jahrhundert v. Chr. befahren haben« (Turfa 2007: 165). Die etruskischen Seefahrer beherrschten also bereits das Know-how des Schiffsbaus, bevor die ersten griechischen Kolonisten nach Süditalien gelangten. Insofern war es gar nicht erforderlich, technische Ausdrücke für den Schiffsbau von den Griechen zu übernehmen.

      Wie aber kann der Transfer technischer Terminologie aus dem Griechischen ins Etruskische erklärt werden? Dieser Transfer fand sicherlich viel früher statt, zu einer Zeit, als die Vorfahren der Etrusker Italiens, die Proto-Etrusker, in der ägäischen Region als Nachbarn der mykenischen Griechen lebten. Im Kontakt mit diesen lernten die Etrusker, wie man Schiffe baut, und damals machten die Etrusker ihre ersten Erfahrungen mit der Seefahrt im Ägäischen Meer. Ihre Lehrmeister, die Mykener, hatten selbst das Einmaleins der Seefahrt von ihren Vorgängern gelernt.

      Als die Vorfahren der Griechen im 3. Jahrtausend v. Chr. vom Nordwesten des Schwarzen Meeres nach Süden migrierten, wussten sie noch nichts von der Seefahrt. Das lernten sie erst vor Ort in ihrer neuen Heimat, Hellas, u. zw. von den Nachkommen der seeerfahrenen Alteuropäer, den Pelasgern. Im kulturellen Gedächtnis der Pelasger war das Know-how des Schiffsbaus tradiert worden, und dieses Know-how gaben die pelasgischen Schiffsbauer an die Griechen weiter. Zusammen mit den technischen Fertigkeiten wurden auch spezielle Ausdrücke der Fachterminologie in den altgriechischen Wortschatz integriert.

      Der Transfer dieser griechisch anmutenden, aber ihrer Herkunft nach pelasgischen Ausdrücke in das etruskische Vokabular findet im Kontext der Kontakte zwischen Griechen und Etruskern im Norden der Ägäis eine schlüssige Erklärung. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass die Etrusker die betreffende Terminologie direkt von den Pelasgern adaptiert haben, d. h. ohne Vermittlung durch das Griechische. Es kommt auch noch die Verbindung zu den Minoern Altkretas in Betracht, die ebenfalls erfahrene Seeleute waren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Etruskische und das Minoische verwandte Sprachen waren (s. dazu Facchetti 2002a: 111 ff.). In jedem Fall bot das multikulturelle Milieu in der Inselwelt der Ägäis und in der balkanisch-anatolischen Kontaktregion ausreichend Gelegenheit für die Verbreitung von Kenntnissen im Bereich Schiffsbau und maritimen Handelskontakten bei den verschiedenen ethnischen Gruppen.

      Von den drei im Kontakt stehenden Populationen, den Etruskern, Griechen und Pelasgern sind die letzteren immer noch weitgehend mit dem Schleier des Mysteriösen verdeckt. Das hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass erst in den letzten Jahren in der Forschung Klarheit über die ethnische Zuordnung der Pelasger und über die genealogische Affiliation ihrer Sprache erreicht worden ist, denn bis dahin war man als moderner Beobachter von den Beschreibungen der Pelasger bei antiken Autoren abhängig. Um sich die Rolle der Pelasger für die Vermittlung vorgriechischen Kulturguts an die Griechen zu vergegenwärtigen, ist ein kurzer Exkurs sinnvoll.

       Die Regionalkultur der Pelasger in Südosteuropa

      Die bronzezeitliche Kultur der Pelasger muss als zentrale Vermittlerinstanz für alteuropäisches Sprach- und Kulturgut an die Griechen verstanden werden. In Hellas vollzog sich ein Prozess, wie er sich in ähnlicher Form in späteren Perioden wiederholt hat: die Kultur derjenigen, die beherrscht wurden, beeinflusste die Kultur der Herrschenden nachhaltig. In der Balkanregion waren es später die Römer, die politisch den Ton angaben, während sich andererseits ihre Kultur und Sprache vollsogen mit adaptierten griechischen Elementen.

      Die Periode zwischen dem 3. Jahrtausend und dem 1. Jahrtausend v. Chr. ist von der bronzezeitlichen Kultur der Pelasger geprägt. Eine Kontinuität pelasgischer Siedlungen im südlichen Griechenland ist bis in die archaische Ära (8.–6. Jahrhundert v. Chr.) dokumentiert. In der älteren Forschung ging man davon aus, dass die Pelasger ein altes indoeuropäisches Volk auf dem Balkan gewesen wären. Allerdings sind alle Ansätze zu einer Rekonstruktion des Pelasgischen als indoeuropäisch fruchtlos geblieben. Basierend auf den Forschungen von

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