Miryams Geheimnis. Ruth Gogoll

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Miryams Geheimnis - Ruth Gogoll

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war sie auf eine Art abhängig, wie sie es nie hatte sein wollen.

      Sie saß zwischen Baum und Borke. Sie konnte im Krankenhaus bleiben und eine große Rechnung anhäufen oder sie konnte Miryams Vorschlag annehmen und zwar keine reale, aber eine Rechnung in ihrem Kopf anhäufen.

      Die dritte Möglichkeit war, sie ging in ihre eigene Wohnung zurück. Aber wer sollte sie dort versorgen? Sie und Inka.

      Erneut holte sie tief Luft und atmete wieder aus. Manchmal half das beim Denken. Besonders in einer Situation, die so wenig Auswege zum Denken ließ.

      Aber wie sie es auch drehte und wendete, es öffnete sich kein Schlupfloch. Solange sie im Krankenhaus war, war sie völlig hilflos. Und konnte sich nicht um Inka kümmern.

      Langsam ließ sie sich ins Kissen zurücksinken und starrte an die Decke.

      Auch wenn Miryam sie jetzt etwas überrumpelt hatte, konnte sie bei ihr im Haus vielleicht über eine andere Lösung nachdenken.

      Hier im Krankenhaus war ihr das nicht möglich.

      6

      Sie ist wirklich unerbittlich. Miryam lächelte. Und dabei fiel ihr auf, dass sie fast immer lächelte, wenn sie an Ella dachte. Dass sie oft amüsiert wirken musste, wenn sie mit ihr sprach. Das war etwas völlig Neues.

      Auf jeden Fall hatte sie sich nicht getäuscht. Ihr Leben unterschied sich von dem von Ella wie der Tag von der Nacht. Anscheinend war sie arm wie eine Kirchenmaus. Miryam wusste nicht, ob sie überhaupt schon einmal so jemanden kennengelernt hatte. Jemanden, der sich noch nicht einmal eine Krankenversicherung leisten konnte.

      Leute, die aus dem Ausland stammten, natürlich schon. Flüchtlinge, Asylanten, Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben nach Deutschland kamen. Aber Deutsche, die hier aufgewachsen waren? Da war sie immer davon ausgegangen, dass die alle eine Krankenversicherung besaßen, und wenn eine vom Sozialamt. Außer Obdachlose vielleicht.

      Aber zu dieser Gruppe gehörte Ella Cziebinsky gewiss nicht. Ihr Name klang polnisch, aber es gab ungeheuer viele Menschen mit polnischen Nachnamen, deren Familien schon seit Generationen in Deutschland lebten. Alles, was sie noch mit Polen verband, war wahrscheinlich nur genau dieser Name.

      Miryam hatte schon öfter sehr blonde Polinnen gesehen, und auch Ella war so blond. Ein sehr blonder Typ. Helle Haut, helle Augen und helle Haare. Miryam selbst empfand sich eher als eine Art Mischform. Ihre Augen waren zwar hell, wenn auch nicht blau, doch ihre Haare waren dunkel. Auch hatte ihre Haut einen fast olivfarbenen Ton, sobald sie mit den Strahlen der Sonne in Berührung kam.

      Ellas Haut musste weich wie die eines Kindes sein . . .

      Ich sollte mich wirklich schämen. Miryam verzog das Gesicht. Sie bewunderte Ella dafür, wie sie ihr Leben mit all diesen Hindernissen, die Miryam nie gekannt hatte, meisterte. In einer Konsumwelt, in der alles seinen Preis hatte, am Rande des Existenzminimums lebte, und weder ihren Stolz noch ihre Würde verloren hatte.

      Auf einmal lächelte sie fast noch mehr. Ella war sehr stolz. Ja, das war sie. Wollte keinen Cent annehmen, den sie sich nicht selbst erarbeitet hatte. Das beeindruckte Miryam sehr, denn sie kannte viele Leute, für die eher das Gegenteil galt. Die gern die Hand aufhielten, ohne das Gefühl zu haben, etwas dafür tun zu müssen. Die meinten, sie hätten das Recht dazu, obwohl sie nie etwas dafür getan hatten, es sich zu verdienen.

      Vielleicht war es das, was sie so für Ella einnahm. Sie strahlte nicht nur diese gewisse Art von Unschuld aus, sondern auch Ehrlichkeit. Sicherlich litt sie sehr darunter, dass sie nun auf einmal auf die Hilfe Fremder angewiesen war. Fremder wie Miryam. Sie wollte lieber für sich selbst sorgen. Für sich und ihre Hündin.

      Aber irgendwann einmal im Leben war man doch immer auf andere angewiesen. Das musste auch sie lernen.

      Und Miryam sah nicht ein, warum sie das nicht in ihrem Haus lernen sollte.

      Deshalb würde sie sie jetzt dort hinbringen.

      7

      Ella wusste nicht genau, was sie erwartet hatte. Vielleicht hatte sie sich auch nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht. Aber als Miryam von ihrem Haus gesprochen hatte – auch wenn sie gesagt hatte, es wäre ein großes Haus –, hatte Ella sich nicht gerade dieses Fast-Schloss vorgestellt, in dem sie jetzt angekommen waren.

      Geradezu entgeistert blickte sie sich in der Eingangshalle um. Sie saß in einem Rollstuhl, den Miryam besorgt hatte, denn weder konnte Ella ihr rechtes Bein belasten noch ihre rechte Schulter. Das hieß, sie konnte sich auch nicht an Krücken durch die Gegend schwingen.

      »Silly? Wo bist du?«, rief Miryam die Treppe hinauf, während sie die Handschuhe, die sie beim Autofahren getragen hatte, abstreifte.

      Allein schon diese Treppe hätte den Umfang von Ellas Wohnung gesprengt. Aus dieser Eingangshalle, die man wirklich als nichts anderes als eine Halle bezeichnen konnte, denn sie hatte mindestens die Größe eines luxuriösen Autosalons, schwang sie sich im hinteren Bereich nach oben wie in einer Gemäldegalerie.

      Der Eindruck war auf jeden Fall zutreffend, denn es hingen tatsächlich mehrere Gemälde an der weiß gestrichenen Wand hinter der Treppe. Große Gemälde. Und wahrscheinlich sehr teure. Sie sahen nicht aus, als stammten sie aus einem Kaufhaus. Einige davon mussten mindestens zwei mal drei Meter groß sein. So etwas hatte Ella noch nie gesehen.

      »Silly«, rief Miryam noch einmal. Sie ging auf die Treppe zu und stellte einen Fuß auf die unterste Stufe, während sie hinaufblickte. »Bist du da oben?«

      Endlich rührte sich etwas. Am oberen Rand der Treppe zeigte sich eine Bewegung. Ein junges Mädchen in Ellas Alter trat auf dem Absatz nach vorn und blickte gelangweilt in die Halle hinunter. Sie sagte nichts, sah aber aus, als hätte sie sich nur widerwillig von dem losgerissen, was auch immer sie gerade getan hatte, und fühlte sich von der Aufforderung ihrer großen Schwester ausgesprochen gestört.

      »Ich habe jemanden mitgebracht«, erklärte Miryam, ohne sich von der Stimmung ihrer jüngeren Schwester beeinflussen zu lassen. »Das ist Ella Cziebinsky.« Mit einem ausgestreckten Arm wies sie auf Ella, die sich in ihrem Rollstuhl hier unten in der überdimensionalen Halle ziemlich verloren vorkam. »Sie wird jetzt für eine Weile bei uns wohnen.«

      Das schien ihre Schwester etwas aus ihrer Lethargie zu reißen, und sie kam langsam die Stufen herunter. Fast wie auf einer Showtreppe setzte sie Schritt vor Schritt, als inszenierte sie einen Auftritt. Immer noch sagte sie nichts, sondern starrte Ella nur an, als versuchte sie, sich darüber klarzuwerden, was zur Hölle dieses exotische Tier in ihr Zuhause getrieben hatte.

      Ella hatte den Eindruck, diese Art von Verhalten war Miryam schon gewöhnt, denn sie kümmerte sich nicht darum. »Sie braucht ein bisschen Hilfe«, setzte sie ihre Erklärung fort. »Sie hatte einen Unfall. Deshalb kann sie im Moment weder ihr Bein noch ihren Arm richtig benutzen.«

      Endlich hatte Silly ihren Auftritt beendet und trat neben ihre Schwester, die jetzt von der Treppe zurückgetreten war und wieder in der Halle stand.

      »Das ist meine Schwester Selina«, stellte Miryam völlig unbeeindruckt von der ablehnenden Haltung, die Selina ausstrahlte, vor, als befänden sie sich auf einem Sektempfang. »Ihr beide werdet jetzt die meiste Zeit miteinander verbringen, denn ich muss ja arbeiten.«

      Na, das kann ja heiter werden! dachte Ella.

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