Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia. Marion Schimmelpfennig

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Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia - Marion Schimmelpfennig

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Wildschweine darin oder pinkeln da nachts Frösche rein? Nichts von alledem (so hoffen wir zumindest) ist der Fall. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Produkte als Mineralwässer mit Fruchtsaftanteil. Häufig wird Fruchtsaft mit Hilfe von Schweinegelatine „geklärt“, und auf diese Schweinegelatine hat Spreequell verzichtet. So weit, so gut. Doch die Aussage „Unser Mineralwasser ist natürlich auch vegan“ bereitet mir immer noch Kopfzerbrechen …

      Doch die Berliner sind nicht die einzigen, die – nein, ich sage nichts weiter dazu …

      Oregon Rain Natural Virgin Water sagt: „100 Prozent Regenwasser. Über dem Pazifischen Ozean, wo frische, kalte Luft vom Nordpol auf warme Luft vom Äquator trifft, entstehen Wolken voller natürlich sauberer, purer Wassertropfen. Diese Wolken gleiten über den Ozean, wobei sie bewohnte Regionen vermeiden, und kommen schließlich über dem Tal von Willamette an. Und dort, auf einer ganz besonderen Farm, fängt Oregon Rain das Wasser auf, schickt es durch einen Mikronenfilter und ozoniert es in der Flasche. Das Ergebnis ist wahrhaftig der Himmel im Wasserglas.“

      Ich sage: So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört.

      Gerolsteiner sagt: „Durch seinen einzigartigen Ursprung ist Gerolsteiner von Natur aus vollkommen rein, ausgewogen mineralisiert und zu hundert Prozent natürlich. Gefiltert durch die verschiedenen Gesteinsschichten der Vulkaneifel sammelt es sich bis zu 200 Meter tief unter der Erde. Hier bleibt das Wasser vor Verunreinigungen und Umwelteinflüssen geschützt.“

      Ich sage: Ein Orangensaft aus 100 Prozent Orangen ist zwar ein natürliches Produkt, aber deswegen noch lange nicht frei von Rückständen wie Pestiziden oder anderen Kontaminanten. Beim Mineralwasser ist es genauso: Ein natürliches Mineralwasser entstammt der Natur – inklusive aller enthaltener Rückstände.

      Auf unsere Anfrage antwortete Gerolsteiner: „Erst seit 2006/2007 ist eine neuartige, hoch empfindliche Analysemethode (LC-MS/MS) verfügbar, mit der in sehr niedrigen Spurenbereichen Stoffe nachgewiesen werden können, deren Nachweis bis dahin außerordentlich schwierig war. Zu diesen Stoffen gehören sog. nicht-relevante Metaboliten, das sind Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln. Sie haben selbst keinerlei Wirkung mehr und sind für den Menschen und die Umwelt völlig unschädlich.“

      Wir haben Gerolsteiner daraufhin auf die Studie von Andreas Kortenkamp von der School of Pharmacy der University of London (siehe Kapitel „Extrem gefährlicher Cocktail“) aufmerksam gemacht, in der nachgewiesen werde konnte, dass es auch dann zu Gesundheitsrisiken kommen kann, wenn mehrere Chemikalien in derart niedrigen Dosen vorhanden sind, dass die einzelne Substanz für sich genommen keinerlei Wirkung hat, und baten um Stellungnahme. Man werde unser Schreiben „mal an die Fachabteilung weiterleiten“ und sich wieder melden. Wir mussten dann noch einmal nachhaken, bevor dann – umgehend! – die Antwort kam: Man verwies uns lapidar auf die Mineralwasser- und Tafelwasserverordnung. Wir haben uns daraufhin beschwert, dass die Frage nicht beantwortet wurde. Gerolsteiner entgegnete, man habe offensichtlich aus unseren Informationen nicht die richtige Frage herausfiltern können, und bat uns, die Frage als Frage formuliert zukommen zu lassen. Grundgütiger! Wir haben unser Ansinnen dann – grammatisch korrekt mit Fragezeichen – noch einmal formuliert. Denn wenn der Verbraucherservice von Gerolsteiner glaubt, uns mit Hinhaltetaktik mürbe machen zu können, ist er schief gewickelt. Nach einem weiteren Erinnerungsschreiben kam dann endlich die Reaktion von Gerolsteiner: Man könne die Studie leider nicht beurteilen, denn man verfüge nicht über die notwendigen Fachkenntnisse. Mit „nicht-relevanten Metaboliten“ und „neuartigen Analysemethoden“ kennt man sich also aus, aber eine Studie kann man nicht beurteilen? Liegt’s vielleicht daran, dass man sie nicht beurteilen will?

      Die Experten von Hipp sind auch nicht besser. In ihrem Internet-Forum kommentieren die Fachleute die Bedenken einer Mutter, deren Arzt ihr geraten hatte, ihr Baby möglichst nur mit glutenfreier Milch zu ernähren, nicht etwa mit Aufklärung (sie hätten zum Beispiel schreiben können: „Milch enthält kein Gluten“), sondern mit den Worten: „Sie können Ihrer Kleinen weiterhin unsere [Produkt XY] füttern. Sie ist wie jede Säuglingsnahrung glutenfrei. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben.“ Oder die Spanier. Mit dem Prestige LifeStraw Wasserfilter gelingt es Ihnen, wie von Zauberhand vegetarisches Wasser zu produzieren. In Spanien können Sie auch das Agua Energizante, ein „Mineralwasser ohne Kalorien“, kaufen sowie ein aus Brasilien stammendes glutenfreies Wasser. Im Jahr 2008 wurde in den USA die Wassermarke Fortifido eingeführt. Noch nie was davon gehört? Das ist auch kein Wunder, denn erstens kam das Wasser bei den Kunden offenbar nicht gut an, denn es wurde wieder vom Markt genommen, und zweitens war es nicht für den menschlichen Verzehr gedacht. Sondern für Hasso, Kira & Co. – Hunde. Fortifido gab es in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen, darunter Petersilie (etwas, das sich jeder Hund wünscht?!) und eines mit Spearmint für frischen Atem. Mein Hund hätte sich eher ein Wasser mit dem Aroma eines toten Bussards gewünscht. Auf dem Etikett wurde dem geneigten Hundehalter mitgeteilt, dass der Flascheninhalt zu 99,9 Prozent aus „Feuchtigkeit“ bestehe. Nun, das wollen wir doch hoffen, wenn wir eine Flasche Wasser kaufen!

      Und wenn Sie jetzt sagen, jaaaa, aber das ist doch Amerika, die machen oft so einen Schwachsinn, dann gebe ich Ihnen zwar mit dem Schwachsinn Recht, aber ansonsten muss ich Sie enttäuschen, denn im Tierfuttermarkt Ihres Vertrauens können Sie für Ihren Schmusetiger MultiFit Wasser für Katzen erwerben. Der Hersteller schreibt, es sei unwiderstehlich erfrischend. Nun, dafür, dass ein Liter dieses Wunderwassers 66 Cent kostet, darf man auch etwas erwarten, denn einen Liter stinknormales Mineralwasser bekommt man schon ab 19 Cent. Leitungswasser wäre noch billiger, kostet durchschnittlich nur 0,2 Cent, aber das ist für Mieze nicht gut genug – niemals!

      … vor allem den Herstellern. Die neue Verordnung zur Lebensmittelkennzeichnung, die seit Dezember 2014 gilt, sollte mehr Transparenz für Inhalt und Qualität von Lebensmitteln und Getränken schaffen: Wichtige allergieauslösende Stoffe, Nettofüllmenge der Packung, Einfrierdatum sowie Herkunftskennzeichnung müssen die Hersteller künftig angeben – alles soll nunmehr mit einem Blick auf die Zutatenliste erkennbar sein. Die Realität ist ernüchternd: In den Zutatenlisten finden sich weiterhin oft nur allgemeine Bezeichnungen wie „Gewürze“, ohne dass diese einzeln genannt werden müssen. Es gibt viele Menschen, die allergisch sind – nicht gegen alle Gewürze, aber gegen einzelne Gewürze. Auf verpackten Lebensmitteln muss zwar der Vermarkter angegeben werden, nicht aber der Produzent. Das bedeutet, dass die Herkunft der Zutaten in solchen Produkten auch heute oft unbekannt bleibt, verschwiegen werden darf. Woher stammen die Orangen in Ihrem Saft? Oder die Äpfel in Ihrer Schorle? Äpfel beispielsweise werden heute häufig aus China importiert – China ist der weltweit größte Apfelproduzent. Das Problem ist nur, dass in China deutlich mehr Pestizide verwendet werden dürfen als in Europa. Gleiches gilt für Orangen und andere Früchte oder Gemüse, die in Getränken verarbeitet werden: andere Länder, andere Sitten, andere Pestizidgrenzen. Die Hersteller sind dem Gesetzgeber dankbar, wir Verbraucher stehen wieder einmal wie der „Ochs vorm Tor“, weil wir kaum klüger sind als zuvor.

      Eigentlich wollte ich diesen Absatz mit „Manipulation vom Feinsten“ betiteln, aber das könnte rechtlich problematisch sein. Doch ich kann Ihnen auch auf andere Weise deutlich machen, wie leicht es ist, uns zu beeinflussen.

      Um jemanden davon zu überzeugen, dass etwas wahr ist, das in Wirklichkeit gar nicht wahr ist, müssen Sie lediglich zwei Dinge erzielen: Sie müssen die Wahrheit so verschleiern, dass man sie nicht sieht oder nicht erkennt. Dann müssen Sie Ihrem Gegenüber eine angenehme und bequeme „alternative Wahrheit“ anbieten, die so nah wie möglich an einer Aussage liegt, die man mit gesundem Menschenverstand akzeptieren würde. Klingt kompliziert? Ich gebe Ihnen ein Beispiel.

      Nehmen wir an, Sie möchten sich im Internet über gesunde Ernährung informieren. Den Herstellern und deren Verbänden trauen Sie nicht so recht, deshalb suchen Sie nach einer unabhängigen Expertenmeinung. Bei Ihren

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