Katzmann und das verschwundene Kind. Franziska Steinhauer
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Читать онлайн книгу Katzmann und das verschwundene Kind - Franziska Steinhauer страница 7
«Dir kann so schnell keiner was vormachen, wie?» Konrad führte den Besucher in sein Wohnzimmer. «Ich war heute mit einem Mädchen und einem Hund in der Elbe baden.»
«Aha. Muss ich mir jetzt Sorgen um deine geistige Gesundheit machen? Weder ist das die richtige Jahreszeit, noch hast du elementare Grundregeln beachtet: Die Kleidung behält man beim Baden nicht an!»
«Ich fürchte, du hast recht, aber ich hatte keine Badebekleidung zur Hand. Wie wäre es mit einem Glas Wein?»
«Aus Großvaters Weinkeller? Gern!», freute sich Ganter. Nachdem Flasche, Gläser und Kekse aus der Küche geholt und auf dem Tisch verteilt waren, schenkte Konrad ein und prostete dem unerwarteten Besucher freundlich zu.
«Mensch Konrad, wir sollten mal wieder in die Bierschenke gehen! Gemütlich ist es dort, nicht so trist wie sonst in der Stadt. Vielleicht gibt es in diesem Jahr auch Elefantengulasch.» Fritz leckte sich die Lippen bei der Erinnerung. «Das wäre doch eine großartige Sache!»
«Unwahrscheinlich», konterte Konrad. «Zum Glück muss Sarrasani nicht in jedem Jahr einen seiner Elefanten töten. Sonst wäre der Zirkus sicher schon längst Geschichte.»
«Mag sein. Löwensteak? Giraffengulasch? Ich wäre da nicht wählerisch. Im Augenblick bekommen ohnehin alle lächerlich wenig Fleisch. Aber das war schon exotisch, so etwas wie Elefantenbraten mit Soße an Kartoffeln auf einer Dresdner Speisekarte zu finden», schwärmte Ganter weiter mit leuchtenden Augen. «Und lecker war es außerdem!» Er sah sich um. «Hast du inzwischen alle Bände deines Lieblingsautors?»
Katzmann lachte leise. «Nein. Aber lang dauert es nicht mehr. Es ist nur noch wenig Platz in meinem Karl-May-Regal frei, wie du siehst. Den füllen die beiden fehlenden Bände dann aus.»
Der Freund registrierte eine Bewegung unter der Decke auf dem Sofa. «Was hast du denn da?»
«Nichts, was man essen wollte! Das ist der nasse Hund, der zu den nassen Kleidern passt. Weißt du, es gibt Tage, an denen passieren einfach unglaubliche Dinge. Und das war ein echtes Abenteuer - auf Leben und Tod!»
Ganter schmunzelte amüsiert über die dramatische Pose, die der Freund eingenommen hatte. So war Konrad immer schon gewesen: leichtsinnig und in irgendwelche Abenteuer verstrickt. Zu Schulzeiten war er dadurch oft in Schwierigkeiten geraten. «Wenn man mit Hund und ohne Schirm in einen heftigen Regen gerät, ist das für mich nichts, was ich als Abenteuer bezeichnen würde!»
«Aber Fritz! Heute hat es gar nicht geregnet! Bei den Temperaturen wäre das auch nur schwer möglich. Es hätte geschneit», widersprach Katzmann gut gelaunt.
«Na los, erzähle!»
«Es hat schon gestimmt: Ich war mit einem Mädchen und diesem Hund in der Elbe baden. Natürlich nicht aus Spaß. Jemand hat einen Sack übers Geländer der Augustusbrücke geworfen, ich wollte nachsehen, was es war. Plötzlich hörte ich Hilfeschreie aus dem Wasser. Na, du kennst mich ja …»
«Also bist du voller Angst weggelaufen», neckte der Freund.
«Ich rein ins eisige Wasser. Und was finde ich da?»
«Einen sprechenden Hund. Toll! Mit dem kannst du ab sofort im Zirkus auftreten. Vielleicht fällt dann ab und zu mal einen Löwensteak für dich ab. Das teilst du dann hoffentlich mit deinem besten Freund.»
«Quatsch. Ein Mädchen hatte die Aktion mit dem Sack auch beobachtet und wollte ihn aus dem Wasser ziehen. Am Ende musste ich beide aus der Elbe retten, Mädchen und Beutel. Der Hund hier war drin. War gar nicht so einfach. Ich hatte die Temperatur über- und die Strömung an der Stelle unterschätzt.»
«Konrad, du Held!» Fritz hob sein Glas, blinzelte dem Reporter zu und nahm einen kräftigen Schluck. «Es ist wie früher, nicht wahr? Du bringst dich noch immer in brenzlige Situationen. Weißt du noch, wie du von der Gruppe um Jürgen verschleppt worden bist? Weil du den kleinen Anton vor ihnen beschützt hattest, als er Klassenkeile beziehen sollte?»
Katzmann grinste. «Aber diesmal warst du nicht zur Stelle. Der Sohn eines Polizisten, der den Katzmann sonst immer gerettet hat. Wie damals, als du mich aus dem Verlies geholt hast. ‹Mein Vater wird euch alle verhaften!›, hast du gerufen. Das war sehr, sehr beeindruckend, Fritz!»
«Es hat gewirkt! Obwohl ich klein und dick war, haben sie mir ihren Gefangenen übergeben», erinnerte sich Ganter grinsend und fragte dann: «Wie hieß denn nun die holde Maid, die du aus dem Wasser gezogen hast?»
«Katja. Mehr weiß ich nicht. Urplötzlich tauchten ein paar Tanten von ihr auf und nahmen sie mit nach Hause. Offensichtlich hatten sie schon länger nach ihr gesucht. Ich weiß nicht einmal, wo sie wohnt. Eigentlich gehört Harry ihr.»
«Wie sah deine Katja denn aus?», fragte Fritz mit erwachtem beruflichem Interesse.
«Fritz! Es war dunkel. Immerhin konnte ich auf der Straße erkennen, dass sie lange dunkle Haare hat und sehr große dunkle Augen.»
«Dann ist es nicht die, die ich suche. Das Mädchen ist blond.» Der Kommissar lehnte sich wieder ins Polster zurück. «Ehrlich, der Wein deines Großvaters ist sehr wohlschmeckend. Aber mir steht eher der Sinn nach einem Bier. Lass uns irgendwo hingehen, ins Waldschlösschen zum Beispiel. Ich möchte dir eine Geschichte erzählen.»
«Du hast es wieder getan, nicht wahr?», zischte ihre Stimme schneidend durch die Küche, und ihre knochigen Finger schlugen hart gegen seine Wange.
Eine Verkehrte reinhauen, so nannte sie das, und es bedeutete, dass sie mit der Rückseite der Hand zuschlug. Ihr Ring riss eine hässliche Wunde. Der Schmerz brannte sich bis zu den Zähnen vor, und er konnte Blut riechen. Sein Blut. Er spürte, wie es durch die Barstoppeln rann.
«Ich hatte es dir verboten! Ausdrücklich!» Wieder zog der Ring eine Verletzung. Diesmal knapp neben dem Auge.
Er wimmerte. Das tat er in Situationen wie dieser immer. Manchmal half es, manchmal nicht.
«Du Memme!», schleuderte sie ihm in Gesicht.
Sie griff nach dem Schrubber in der Ecke neben dem dreckverkrusteten Herd und drehte das borstige Ende nach oben. «Hast du dir je überlegt, wovon wir leben sollen, wenn ich diese Anstellung verliere? Wie sollen wir die Preise auf dem Schleichmarkt bezahlen? Nein, darüber hast du nicht nachgedacht, natürlich nicht! Dazu ist dein Spatzenhirn nicht ausreichend, das beschäftigt sich mit ganz anderen Fragen!»
Unerwartet heftig sauste die stinkende Bürste auf ihn nieder. Er hörte das Knacken, als sein Nasenbein brach.
«Warum habe ich nicht auf meine Mutter gehört? Die hat mir gleich gesagt, dass einer wie du nichts taugt!»
Er schluchzte, bekam keine Luft mehr, röchelte, schmeckte Blut, roch Blut. Panik erfüllte ihn. Er wollte nicht sterben. Schützend barg er sein Gesicht in der Armbeuge.
«Aber nein, ich musste ja ausgerechnet einen Spinner wie dich heiraten! Nicht einmal für die Hausarbeit taugst du!»
Wieder holte sie zu einem mächtigen Schlag aus, diesmal gegen seine Lende, so dass er im Reflex die Arme herunterriss und ächzend die Seite umklammerte.
«Du kannst nicht