Der Tote in der Hochzeitstorte. Thomas Brezina

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Der Tote in der Hochzeitstorte - Thomas Brezina

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in dem ein kleines Restaurant untergebracht war. Zu dieser Jahreszeit hatte es keinen Betrieb.

      Nachdem Raoul das Motorrad abgestellt hatte, holte er eine Drohne aus der Transportbox hinter dem Sitz. Er öffnete sein Handy und tippte auf eine App. So konnte er die Drohne vom Handy aus steuern und die Bilder sehen, die sie lieferte.

      Die Drohne besaß eine Infrarotkamera, die ihm anzeigte, ob sich irgendwo in der Umgebung Menschen versteckten. Mehrere Male ließ er die Drohne über dem Gipfelplateau kreisen, bis er Gewissheit hatte, allein zu sein. Die einzigen Lebewesen, die die Drohne zeigte, waren zwei Gämsen, die beim Lärm des Flugkörpers aus ihrem Versteck unter einem Felsvorsprung sprangen und die Flucht ergriffen.

      Auf dem Handy schaltete Raoul zur zweiten Funktion der Drohne: Sie konnte nun Kameras aufspüren. Aber auch dieser Rundflug blieb ohne Ergebnis. Er war unbeobachtet.

      Nachdem er die Drohne wieder weggepackt hatte, marschierte Raoul auf den spiegelnden Würfel zu. Er stand auf einer Ecke, was ihn noch spektakulärer aussehen ließ, fast wie das Spielzeug eines Riesen, das hier auf den Gipfel geworfen worden war.

      Raoul betrachtete sich in der Spiegelung der Würfelwände. Er war froh, dass das Visier des Helms sein Gesicht verdeckte. Die Lähmung des Gesichtsnervs auf einer Seite ließ Mundwinkel und Auge hängen. Es waren die letzten Folgen der Infektion, die er als Baby erlitten hatte.

      Unter der Jacke zog er eine kleine Metallkassette hervor. Sie war mit einem Zahlenschloss versperrt, dessen Code er später nach Erhalt des Geldes preisgeben würde. Er hob das Gitter des Schuhabstreifers vor dem Eingang und hinterlegte die flache Kassette in einer Aussparung an der Seite. Danach kehrte er zu seinem Motorrad zurück.

      Niemand würde jemals erfahren, wer der Erzeuger dieser Gifte war. Raoul hatte es immer geschafft, unerkannt zu bleiben. Es gab keine Möglichkeit, eine Spur zu ihm zurückzuverfolgen. Sobald er in sein Labor zurückgekehrt war, würde er den Besteller, den er gerade beliefert hatte, über die Notwendigkeit des Gegenmittels informieren. Es war in diesem Fall von noch größerer Wichtigkeit als sonst, weil sonst aus einem lebensrettenden Selbstmord ein bedauerlicher Todesfall werden konnte.

      Sein Handy meldete eine neue Nachricht. Die zweite Hälfte seines Honorars war soeben auf seinem Konto eingegangen. Raoul blickte sich prüfend nach allen Seiten um. Wieso wusste der Besteller, dass die Ware hinterlegt war? Er sah hinüber zu den Gipfeln der anderen Berge und ihm kam der Verdacht, es könnte ihn jemand mit einem sehr starken Fernrohr beobachten.

      Egal, dachte er. Die Nummerntafel seines Motorrades war aus dieser Entfernung sicherlich nicht zu lesen und von ihm selbst war nur der Lederanzug und der Helm zu sehen. Weil er gute Laune hatte, schickte er über einen verschlüsselten Kanal den Nummerncode für die Schatulle mit dem Gift. Wie immer fügte er die Warnung an, das Gift frühestens in drei Tagen einzusetzen.

      Es war Zeit, die Rückfahrt anzutreten. Raoul stieg auf das Motorrad, ließ den Motor an und sog noch einmal das traumhafte Bergpanorama mit den Augen ein. Er konnte sich an den schroffen Felsen, den schneebedeckten Kuppen und dem Licht der untergehenden Sonne nicht sattsehen.

      Schließlich riss er sich von dem Anblick los und fuhr die Bergstraße hinunter. Ihn überkam eine Fröhlichkeit, die ihm sonst unbekannt war. Raoul legte sich in die Kurven und genoss es, die Fliehkraft zu spüren. Die Waghalsigkeit versetzte ihm einen anregenden Nervenkitzel.

      Die nächste Rechtskurve tauchte vor ihm auf und Raoul senkte den Kopf wie ein angriffslustiger Stier. Er lenkte, das Motorrad gehorchte zuerst, rutschte dann aber seitlich unter ihm davon. Wasser rann über die Fahrbahn. Die Reifen schlitterten wie auf Eis. Raoul zog die Bremsen und versuchte, durch Verlagern seines Körpergewichts das Motorrad wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die schwere Maschine raste unerbittlich auf die Leitplanke zu. Die Wucht des Zusammenstoßes schleuderte Raoul über die Planke. Dahinter fiel der Fels senkrecht in die Tiefe.

      Für Bruchteile von Sekunden schien die Welt stillzustehen. Alle Geräusche verstummten. Dann zog ihn die Schwerkraft nach unten. Er strampelte. Aus der Felswand ragten kleine Bergkiefern, deren Wurzeln fest in den Felsspalten verwachsen waren. Raoul versuchte, eine davon zu fassen zu bekommen.

      Der Sturz endete mit einem Aufschlag, der seinen Körper in einen einzigen glühenden Schmerz verwandelte.

      LADY ROSS

      »In einer Woche ist es also so weit.«

      Veronika, die gerade Suppe aus einer kleinen Terrine in den Teller schöpfte, hielt inne und sah in die stark geschminkten Augen ihres Gastes. Lady Ross besaß einen hypnotisierenden Blick, der immer Veronikas Zunge lockerte, selbst, wenn sie nichts erzählen wollte.

      »Ja, heute in einer Woche kommen die Hochzeitsgäste. Vielleicht reisen sie sogar schon am Donnerstag an.«

      Lady Ross riss die Arme auseinander und schlug Veronika dabei fast die Suppenschüssel aus den Händen. »Was für eine entzückende Idee, das Hotel in ein Hochzeitsschlösschen zu verwandeln.«

      Zum Glück konnte Veronika die Terrine samt Inhalt retten und auf den Tisch zurückstellen.

      »Verzeihen Sie, Kindchen, aber meine Begeisterung über Ihren Plan ist mit mir durchgegangen.« Die Lady deutete in den kleinen Speisesaal im Tiroler Stil. Ihre Finger flatterten dabei wie dünne Insekten. »Das hier ist genau der richtige Ort für die ›besondere‹ Hochzeit.«

      Wieder einmal faszinierten Veronika die sorgfältig lackierten Nägel und die Ringe mit den glitzernden Diamanten. Sie waren genauso speziell wie die leuchtend kupferroten Haare, die immer perfekt geschnitten waren. Lady Ross ließ dazu jedes Mal extra eine Maskenbildnerin aus dem Tal kommen, die normalerweise für große Fernsehproduktionen arbeitete.

      »Ich hoffe, die Gäste werden zufrieden sein. Es ist die erste Hochzeit hier, ich habe nicht viel Erfahrung und meine Eltern werfen mir jeden Prügel vor die Füße, den sie nur finden können.«

      »Kindchen, lassen Sie die beiden alten Herrschaften.« Lady Ross legte Veronika die kühle Hand beruhigend auf den Unterarm. »Sie werden das sicher gut machen. Ich fürchte nur um mein Essen. Sie wissen, Ignaz kann alles, aber nicht kochen. Wenn ich auf ihn angewiesen wäre, hätte mich schon der Hungertod ereilt.«

      »Der Ignaz.« Veronika lachte auf. Ignaz war kurze Zeit Hausdiener im Hotel gewesen und von Lady Ross abgeworben worden. Er war ein hochgewachsener Tiroler mit kantigem Gesicht, ein wenig älter als Veronika, der nur die allernotwendigsten Worte sprach. »Sonst sind Sie aber immer noch mit ihm zufrieden?«

      »Zufrieden?« Lady Ross trommelte mit dem Suppenlöffel auf den Tisch. »Er ist ein Engel der Berge für mich. Was täte ich nur ohne ihn? Mein Haus wäre längst verfallen und ich erfroren. Ignaz ist wirklich ein Mann für alles, nur nicht fürs Kochen.«

      Als Veronika den Rest der Suppe in die Küche tragen wollte, hielt sie Lady Ross zurück. »Kindchen, setzen Sie sich doch zu mir und leisten Sie mir ein wenig Gesellschaft. Alleine zu essen gehört zu den langweiligsten Tätigkeiten, die ich kenne.«

      Gehorsam ließ sich Veronika auf den Stuhl gegenüber sinken und sah zu, wie Lady Ross sehr vornehm die Suppe löffelte. Es war Apfel-Sellerie-Suppe mit Würfeln von geräuchertem Butterfisch. Als sie fertig war, tupfte sich die Lady mit der weißen Serviette den Mund ab. Auf dem Stoff blieben Spuren des violett-roten Lippenstiftes zurück.

      »Sie müssen Ihren Hochzeitsgästen eine Attraktion bieten. Eine Überraschung, mit der Sie nicht rechnen.«

      Veronika stand auf und servierte ab.

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