Das Gesetz des Ausgleichs. Johannes Huber

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Das Gesetz des Ausgleichs - Johannes Huber

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erneut eingeladen. Der Direktor war nun wie ausgewechselt. Sinngemäß sagte er, dass die Meinung des Kanzlers viele interessante Aspekte habe, dass er sich offenbar ehrlich bemühe und dass man sehen werde, was die Zeit bringe. Besonnenheit, auch wenn sie glatt ist und bloß als politische Methode der Empfehlung von Spin-Doktoren folgt, führt offenbar zu Besonnenheit.

      Manche Menschen tun sich damit leichter, andere schwerer. Denn die Ursachen für Jähzorn liegen oft in der Endokrinologie. Sie haben zum Beispiel mit dem Testosteronspiegel zu tun, der bei jedem Menschen genetisch determiniert ist. Mit ihm steigt der Hang zur Aggression. Davon mehr im dritten Teil, in dem wir uns auch mit der Wirkung unseres Hormonhaushaltes auf unser Verhalten und mit der Wirkung unseres Verhaltens auf unsere Hormone befassen werden.

      Am Nordufer des Sees Genezareth

      Die Geisteshaltung des Nachgebens und Hinnehmens, selbst wenn wir ungerecht behandelt werden, wurzelt im Christentum. Genau genommen entstand sie am Nordufer des Sees Genezareth. Es ist ein magischer Ort mit warmen Quellen, und wo warme Quellen sprudeln, schwimmen meist auch viele Fische, die wiederum Fischer anlocken. Dort, auf einer Erhebung, hielt Jesus Christus die Bergpredigt, vor Fischern, die seine Apostel wurden, und in der er die Sache mit der zweiten Wange erstmals verkündete.

      Im Matthäus-Evangelium finden wir die Bergpredigt mit ihrer zeitlosen Gesetzmäßigkeit. Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg, heißt es dort. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Dann kommt Jesus zur Sache. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.

      Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.

      Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

      Der Verzicht auf Gegenwehr hat freilich auch in der Bibel nichts mit Kapitulation zu tun. Um das zu erkennen, bedarf es einen Blick auf die sprachlichen Feinheiten. Im Griechischen und im Hebräischen bedeutet »keinen Widerstand leisten« eigentlich, »du sollst deine Art überwinden«.

      Unsere »Art« meint grob gesagt unseren Egoismus, das von unserem Willen geschaffene Konstrukt unserer Überzeugungen, Ideen und Wünsche, das wir vor uns hertragen, und mit dem wir uns oft genug selbst im Weg stehen. Als der Rabbi Akiba, einer der bedeutendsten Väter des Judentums, gefragt wurde, wie er sein hohes Alter erreicht habe, antwortete er: »Ich habe nicht auf meine Art bestanden.«

      Das bedeutet, er konnte nachgeben.

      »Leiste keinen Widerstand und lass dich auf die andere Wange schlagen« heißt in Wahrheit »Entledige dich deiner alten Muster, sei nicht dein altes Du, dein erzürnbares Ego, sondern wachse über deine Art hinaus«. Mit Schwäche hat das ganz bestimmt nichts zu tun.

      Dass wir diese Art der Demut, die Kunst des Nachgebens, nicht einfach von heute auf morgen lernen können, ist klar. Entscheiden wir uns dafür, wird unser erster Impuls, wenn uns jemand auf die Zehen steigt, wohl trotzdem noch eine Weile kein herzliches Dankeschön sein. Das verlangt Übung. Askese. Und Training der inneren Ausgeglichenheit, denn je unruhiger unser Geist ist, desto leichter lassen wir uns reizen.

      Die Feldrede nach der Bergpredigt

      In der Feldrede, einem Teil des Lukasevangeliums, in dem Jesus seine Lehre verkündet, klingt die Botschaft ganz ähnlich. Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd. Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es nicht zurück. Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen. Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. Und wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. Und wenn ihr nur denen etwas leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern in der Hoffnung, alles zurückzubekommen. Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!

      Egoismus, der sich im Kleid der Nächstenliebe verbirgt, hat da keine Chance mehr. Der Effekt eines solchen Verhaltens, ins Heute umgelegt, wäre sicht- und messbar. Wir bräuchten weniger Rechtsanwälte und würden unser Herz-Kreislauf-System entlasten. Mahatma Gandhi hat gezeigt, dass sich damit auch Politik machen lässt. Gewaltlos lässt sich die Welt verändern. Das gilt für jeden Menschen und jedes politische Problem. Würden wir das Wangen-Gebot im Nahen Osten einhalten, gäbe es dort möglicherweise schon Frieden. Das ist die große Conclusio: Böses mit Bösem zu vergelten, führt zu einer exponentiellen Ausbreitung des Bösen. Böses mit Gutem zu vergelten, führt zu einer exponentiellen Ausbreitung des Guten.

      Umso nachdenklicher stimmt es, wenn die Symbole dieser Botschaft in Flammen aufgehen. In Frankreich und Amerika brennen immer öfter Kirchen und Heiligenstatuen werden geköpft.27 Weltweit werden immer mehr Christen verfolgt. Wer darüber spricht, wird schnell als islamophob oder rechtsextrem gebrandmarkt.28 Und Brüssel schweigt dazu.

      Charakterfitness-Trainingsstufe fünf:

      Höre auf den Wald

      In der Natur liegt eine Kraft, die uns zu besseren Menschen macht. Wenn wir uns mit ihr vereinen, vereinen wir uns letztlich auch mit uns selbst und mit einem größeren Ganzen, das uns die Dinge relativer sehen lässt. Doch Natur ist mehr als Blumen, Wald und Wiesen. Uns die Natur bewusst zu machen und uns mit ihr zu vereinigen, hat auch etwas mit Viren zu tun, ohne die es uns gar nicht gäbe.

      Das Dekameron ist der Titel einer Novellensammlung des italienischen Autors Giovanni Boccaccio, einem Stück Weltliteratur.29 Die Handlung: Als im 14. Jahrhundert in Europa die Pest wütet, fliehen zehn junge Edelleute, sieben Frauen und drei Männer, in ein von üppigen Gärten umgebenes Landhaus bei Florenz und vertreiben sich die Zeit, indem sie einander zehn Tage lang Geschichten erzählen.

      Die Flucht in die Natur, auch Retreat genannt, ist wieder massentauglich geworden. Sie hat den Rang eines spirituellen Rückzugs aus dem Alltag und dient als Ruhepause für Körper und Geist. Man fährt aufs Land und lässt die Seele in den Himmel schauen. Man macht kreative Seminare und erweitert den Horizont. Der Wald heilt. Bäume sind gute Ärzte. Dass das keine verträumte Romantik einiger Esoteriker ist, die barfuß über die Wiese hopsen und Bäume umarmen, zeigen Wissenschaft jede Menge Fachliteratur.

      Eine Studie aus Dänemark besagt: Wer in seiner Wohnung von Grün umgeben ist, hat ein um 55 Prozent geringeres Risiko, an psychischen Problemen zu erkranken. Eine amerikanische Studie bestätigt: Nur dreißig Minuten im Grünen senken den Cortisolspiegel bereits deutlich. Eine britische Studie ergab: Ausgeglichenheit und Wohlbefinden sind dann am größten, wenn wir mindestens zwei Stunden pro Woche im Freien verbringen. Eine japanische Studie wiederum ergab: Der Mensch hat mehr Immunzellen, wenn er die Nacht über eine Luft einatmet, die aus dem Wald kommt. Das stärkt die natural killer cells, die durch Terpenoide gestärkten, natürlichen Killerzellen. Und eine Studie aus Pennsylvania, schon von 1993, belegte: Wenn wir von einem Krankenzimmer

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