Das Gesetz des Ausgleichs. Johannes Huber
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Christliches Vokabular mit Worten wie »Schuld«, »Eingestehen« oder »Vergebung« bereinigt also unser Leben, und wenn wir das Ganze naturwissenschaftlich betrachten, sehen wir rasch, dass da einiges dran ist.
So beschäftigte sich eine Studie der Universität von Iowa, durchgeführt an älteren Menschen, mit dem Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit und der Anzahl der Kirchenbesuche. Die Forscher entdeckten eine eigentümliche Korrelation. Je häufiger die Probanden die Kirche besuchten, desto geringer war der Anteil eines bestimmten Entzündungsmarkers. Was im Rahmen der durchgeführten Langzeitbeobachtung auch das Sterblichkeitsrisiko senkte. Als hätte ein höheres Wesen seine schützende Hand über die Gläubigen ausgebreitet.
Die Studie erregte naturgemäß den Zorn der Atheisten. Kirchen als Jungbrunnen darzustellen, wäre ein Wunschtraum, zu dem nur Spinner in der Lage wären, meinten sie. Dem hielten die verantwortlichen Wissenschaftler entgegen, dass die Probanden eben an etwas glaubten, und schon allein diese Gewissheit brächte inneren Frieden. Doch dazu wie angekündigt mehr im zweiten Teil.
Absurderweise haben sich im Internet auch Hunderte digitale Möglichkeiten etabliert, Abbitte zu leisten, etwa auf www.beichthaus.com: Sünde wählen, Klick, dann die Vergehen im Raster definieren. Aggression, Begehrlichkeit, Eitelkeit, Faulheit, Fremdgehen, Lügen, Masturbation, Schamlosigkeit, Trägheit, Trunksucht, Vandalismus, Verschwendung und Verrat.
Per E-Mail kann der Sünder präzisieren, was er sich im Detail vorwirft beziehungsweise was er verbrochen hat. Was natürlich nicht funktioniert. Der dunkle Monolith bleibt dabei im Kopf. Es braucht die persönliche menschliche Interaktion, um ihn aufzulösen. Nur der Dialog von Mensch zu Mensch reinigt die Seele und den Körper gleich mit dazu.
Zu den großen Vorteilen des sich Mitteilens bei unserem Versuch, gut zu sein, gehört, dass wir damit eine Ventilfunktion bedienen. Es federt den Zorn ab, den wir andernfalls vielleicht an anderen auslassen, was uns zwangsläufig zu schlechten Menschen machen würde. Auch hier sind einige positive medizinische Begleiterscheinungen evident, die ich vorwegnehmen möchte: Forscher fanden heraus, dass sich gewisse Formen von Autoimmunkrankheiten als sogenannte Autoaggressionskrankheiten interpretieren lassen. Sie entstehen, wenn Zorn oder Wut nicht ausgedrückt werden. Stattdessen sorgen sie dafür, dass sich unsere Physiologie und unsere Biochemie gegen uns selbst richten. Wie eine Strafe, die wir uns selbst auferlegen.22
Die Beichte, wem gegenüber wir sie nun auch ablegen, ist also ein Geständnis, das nur gute Folgen hat. Ein Lächeln, eine Linderung. Belastungen fallen ab, Bürden verschwinden. Trost stellt sich ein. Wir sind erlöst und nun erst recht bereit, gute Menschen zu sein.
Ebenso wie wir dafür aus einem Kreis unterschiedlichen Vertrauenspersonen wählen können, wählen viele Menschen dafür auch besondere Orte aus. Die Kirche, das Sofa eines Psychotherapeuten, die Natur. Besonders beliebt ist der Berg Athos. Er bildet eine orthodoxe Mönchsrepublik mit autonomem Status unter griechischer Souveränität in Griechenland. Mein Arztkollege Prof. Rudolf Likar und ich besuchen ein Kloster, das hoch in den Bergen liegt und in der Dämmerung wie ein Geheimversteck aus einem alten James-Bond-Film wirkt, einmal im Jahr. Der russische Präsident Wladimir Putin selbst ließ es einst revitalisieren und besucht es auch. Die Räume glänzen in Gold und es sind kontemplative Tage, die man dort verbringt, mit Beichte, Fasten, Meditation und Gebet. Erwünscht sind nur Männer, Frauen dürfen den Berg Athos leider nicht betreten. Besucher aus allen sozialen Schichten finden sich dort ein, orthodoxe Büßer ebenso wie Verbrecher aus Russland.
Bei der Beichte sitzt ein Priester vorne im Saal. Alle singen. Jeweils ein Mann steht auf, geht nach vorn und flüstert ihm etwas ins Ohr. Der Priester legt ihm seine eigene Stola um, spricht ihn frei und zieht die Stola wieder weg. Dabei wird vielleicht eine besondere Energie frei, die alle im Saal zu spüren vermeinen.
Beichten als regelmäßige Übung könnte uns sogar vor Krankheit schützen und macht uns als Menschen besser. Probieren Sie’s aus.
Charakterfitness-Trainingsstufe drei:
Pflege den Kompromiss
In unserer von Egomanie geprägten Gesellschaft hat sich der Kompromiss den Ruf als etwas erworben, bei dem beide verlieren. In Wirklichkeit ist er viel mehr als eine Vereinbarung mit wechselseitigen Vor- und natürlich auch Nachteilen. Er ist ein Grundprinzip der Evolution und als Muster tief in unserem Genom eingeschrieben. Denn wir sind nichts anderes als der Kompromiss zwischen den Genen unserer Eltern. Wenn wir uns im Kompromiss üben, üben wir uns in nichts Geringerem als dem Einhalten der Verfassung der Natur.
Lange war ich Mitglied der Bioethikkommission, die der vormalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eingerichtet hatte. Sechs Jahre davon leitete ich sie auch. Die Essenz aus der schönen Tätigkeit steckt im Wort Kompromiss. Sich einigen auf etwas Gemeinsames, statt stur auf dem Eigenen zu beharren.
Singuläre Kurzsichtigkeit führt immer über eine Einbahnstraße an eine Wand. Sackgasse. Ende. Hier geht es nicht weiter.
Gute Menschen zeichnet das Zugehen auf Menschen mit anderer Gesinnung aus. Annäherung ist ein Zeichen des Verständnisses. Kompromissbereitschaft ist der rote Teppich des Respekts.
Kooperation ist die einzige Verhaltensweise, die immer zum Erfolg führt. Zusammenarbeit auf allen Ebenen macht Individuen, Gruppen, ganze Staaten und Kontinente fitter und erfolgreicher. Wer auf andere zugeht, Wünsche und Vorstellungen respektiert und den Mittelweg der Vernunft sucht, kommt ans Ziel. Vielleicht nicht immer schnell, aber dafür sicher.
Die Evolution ist seit Millionen Jahren voller Kompromisse. Es geht also, wenn wir wollen. Jeder einzelne Mensch ist ein Kompromiss, und zwar der zwischen den Genen seines Vaters und den Genen seiner Mutter.
Die biologische männliche Rolle ist es dabei, das Kind möglichst groß, stark und robust zu machen. Die väterlichen Gene haben den Ehrgeiz, das Baby wachsen zu lassen und nehmen auf die Mutter, die es auszutragen hat, wenig Rücksicht. Bei der biologischen weiblichen Rolle kommt hinzu, dass die Mutter überleben will und muss, damit auch das Kind überleben kann. Das Kind darf also nicht zu groß, zu stark und zu robust für ihren Körper werden. Die mütterlichen Gene versuchen also, den schwangeren Körper der Frau zu schützen.
Die Überlebens-Gene des Vaters und die Schutz-Gene der Mutter bilden also einen Kompromiss zwischen »Das Kind soll groß und stark werden« und »Ja schon, aber überleben möchte ich bitte auch.«
Diesen Mega-Kompromiss gibt es seit 300 Millionen Jahren. Seit damals schlüpfen die Nachkommen einer Art nicht mehr ausschließlich aus Eiern, sondern bei einigen Arten werden sie im Körper groß. Dieser Kompromiss ist in uns verankert, in jeder Zelle, in unserer kompletten DNA. Wir sind sozusagen ein genetischer Überlebenspakt zwischen dem männlichen und dem weiblichen Prinzip in der Evolution der Säugetiere.
Die Evolution entschloss sich auch beim Vorgang der Geburt zu einem Kompromiss.