Original Linzer Tortur. Erich Wimmer

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Original Linzer Tortur - Erich Wimmer

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du rostiger Schibus«, seufzte Isonzo theatralisch und blieb stehen. Er legte seine Hand auf Korabs Schulter und improvisierte eine kleine Familienaufstellung. Mooser stand an der Stelle der milchreichen Mutter, während Isonzo den väterlichen Freund, den netten Onkel sowie das milde Auge des Gottes Saturn repräsentierte.

      »Ich hab viele Semester lang mit dem Kraken Biologie studiert«, begann Isonzo. »Der gebiert Wunderzunder, eminent vehement. Aber seinen Freunden gibt er immer mehr Energie, als er abzapft. Er ist ein sturmgepeitschtes Meer, aber gleichzeitig auch ein äußerst großzügiges bed of roses, verstehst du? Und er rechnet nie mit einem Energieausgleich. Aber manchmal, in ganz seltenen und speziellen Fällen, beim Herandräuen von Schicksalsdellen, braucht sogar ein Titanenmann wie er eine Klitzekleinigkeit an Unterstützung. Und nur darum geht’s. Um kleine Zuarbeiten, um konsensuale Momente. Hast du gewusst, dass der Krake neben seinem Studium als Grabredner und Mediator gewerkelt hat? Außerdem war er der wuchtig-geniale Schlagzeuger bei den Fetten Föten, damals eine absolute Kultband. Und er war auf allen diesen Gebieten ziemlich erfolgreich.«

      »Das ist mir neu«, gab Korab zu.

      »Siehst du«, sagte Isonzo, »und jetzt beruhigen wir uns wieder, atmen tief den Bärlauchmief und geben ihr unsere mildeste Segnung, der nahenden Begegnung. Glaub mir, Pius, der Krake freut sich auf euer Treffen. Bis jetzt kennt er dich nur von Passfotos. Und seien wir ehrlich. Auf Fotos wirkst du so unscheinbar wie eine Nennformgruppe in einem engen Schacht in einer dunklen Nacht.«

      »Dafür hältst du mich?«, fragte Korab.

      »Ja, und nicht nur ich«, bestätigte Isonzo, »sogar der Krake hat mich gefragt, ob das wirklich Haare sind, die da auf deinem Kopf liegen, oder gebleichte Salatblätter, die du gepresst hast, um eine Glatze zu verdecken.«

      »Und was hast du ihm gesagt?«

      »Weder Haare noch Salatblätter«, gab Isonzo zu, »sondern ein speziell präparierter Pappendeckel, den du zuerst in einer Lauge einweichst, dann im Toaster trocknest und mit einer hautverträglichen Salbe auf deine Kopfhaut klebst.«

      »Ihr seid bloß neidisch auf meinen Seitenscheitel«, sagte Korab.

      »Ja, und nicht nur auf den«, gestand Isonzo, »wir hätten auch gerne so eine fantastische Beulen-Jacke wie du. Ich habe dem Kraken und seinen Begleitern erzählt, dass du sie sogar in der Sauna trägst und neben den Ausweisen, die sie dir gemacht haben, noch jede Menge anderes Equipment reinstopfst: Notfischerausrüstung, Handschellen, Schreckschusspistole, Messer, Signalspray und Müsliriegel. Und nicht zu vergessen: deine extraverknitterten, sich aber teilweise selbstentfaltenden Plastiksackerl. Deine Jacke ist eine Legende, eine tragbare Gemischtwarenhandlung, die gleichzeitig in drei verschiedenen Grüntönen schimmelt.«

      »Du meinst schimmert«, verbesserte Korab.

      »Nein, Pius«, sagte Isonzo, »ich meine schimmeln im guten Sinn des Wortes. Jeder Grasfleck und jeder einzelne Pilz auf deiner Jacke zeugt von deiner Naturnähe und beweist, dass du evolutionär schon auf der nächsten Stufe stehst. Du bist einer der ersten Menschen, die sich nach einer langen Periode der Entfremdung wieder mit der Natur versöhnen.«

      In Korabs Mundwinkeln sammelten sich kleine, säuerliche Grinser. Isonzo sprach unbeirrt weiter.

      »Im Prinzip wirkst du so epochal wie die erste Kaulquappe, die ihren Kopf aus dem Wasser gestreckt und das Land erobert hat, nur umgekehrt. Angeführt von Vorpreschern wie dir kehrt die Menschheit zurück in den Schoß der Mutter Natur. Was glaubst du denn, wie diese Einschätzung dem Kraken und seiner Truppe imponiert hat?«

      »Ich hör euch jetzt noch wiehern und nach Luft schnappen«, sagte Korab. Isonzo überging diese Anmerkung und legte noch eins drauf.

      »Außerdem habe ich ihnen von deinen drei Berufen erzählt. Sie wissen jetzt, dass du als Kunstvermittler arbeitest und die Museumsbesucher mit deinen Metaphern in den Orbit ihrer eigenen Begeisterung katapultierst. Und wie ich dem Kraken dann noch auseinandergesetzt habe, dass du als Fliegenfischer-Guide schon Stammkunden hast, die extra aus Amerika einfliegen, nur um einen Tag mit dir an der Gmundner Traun zu fischen, und du in deinem dritten Nebenjob als Ein-Mann-Detektei weniger Detektiv bist als vielmehr ein South African Ridgeback, also ein Löwenjagdhund, der sich so lange und so tief in einen Fall verbeißt, bis er seinen Klienten ihren kleinen Notgroschen wieder zurückgebracht hat, da sind dem Kraken und seinen Begleitern vor lauter Hochachtung und Rührung endgültig die Nasenrammel geschmolzen und als Vorboten einer freundschaftlichen Zuneigung aus der Nase geträufelt.«

      »Ich habe einen einzigen amerikanischen Kunden«, schränkte Korab ein, »und der war bisher zwei Mal mit mir fliegenfischen.«

      »Pius, wer wird denn so pingelig sein«, sagte Isonzo. »Ich habe dein Licht nicht über den Scheffel gestellt, sondern nur dein Wesen erhellt. Äußerlich erscheinst du als Motte, aber innerlich bist du eine Flugzeugträgerflotte, ein starkstromdurchzucktes Bündel aus Feuerkobolden und ungeheuer holden Rittern, die in Gewittern gegen Blitze kämpfen. So ein seltenes Phänomen bedarf schon einer näheren Erläuterung. Das ist nicht so wie bei uns Durchschnittsbürgern, wo Schein und Sein zusammenfallen.«

      Korab lachte laut auf.

      »Du hast mit einem Durchschnittsbürger so viel gemeinsam wie eine Kernfusion mit einem Karpfenrülpser. Im Mittelalter hätten sie dich mit deiner Lästerzunge schon längst an ein Burgtor genagelt.«

      »Mein lieber Specht«, sagte Isonzo, »da hast du recht. Ich würde aber glatt auf den Burgtorfichten weiterdichten. Mit Blut und Tränen und Hyänenhumor. Schließlich ist jeder noch so schlechte Reim heiß und ein Paradiesbeweis. Wenn sich Worte aufeinander reimen, dann können wir Menschen das auch. Wir müssen die Reime nur melken und ausloten. Sie sind die Vorboten einer blühenden Harmonie, wie Käsekeime im Brie, wie Erbse und Schote, wie Boote und Ruder, wie Lack und Luder.«

      »Und außerdem«, überging Korab den lyrischen Lobgesang seines Freundes, »Ein-Mann-Detektei stimmt auch nicht. Wäre ich Sherlock Holmes, dann wäre Anita mein Dr. Watson. Manchmal glaube ich sogar, dass sie nur pro forma an der Museumskassa sitzt. Den Großteil ihrer Arbeitszeit verbringt sie im Internet und recherchiert für mich. Ohne ihre Hilfe wäre ich hilflos.«

      »Und wie geht’s ihr, wenn sie nicht für dich recherchiert?«, erkundigte sich Isonzo. »Hat sie sich schon wieder halbwegs erholt von dem … Schreck?«

      »Schreck?«, wiederholte Korab, als hätte er sich verhört. »Das war der Schock ihres Lebens. Keine Ahnung, ob man so ein Trauma überhaupt verdauen kann.«

      Obwohl er damals nicht unmittelbar dabei gewesen war, sondern nach einer schweren Unterkühlung im Krankenhaus gelegen hatte, wurde Korab sofort von den Bildern umlagert, die Isonzos Frage heraufbeschwor. Korab sah den gläsernen Behälter mit der Batteriesäure, das Gesicht des krankhaft rachsüchtigen Mesners, der sich an ihm revanchieren wollte, indem er seine beste Freundin verunstaltete, und Isonzo, wie er seine Gummischleuder spannte und dem wahnsinnigen Typen eine hartgepresste Karpfenfutterkugel an die Stirn knallte.

      »Ich bin kein Psychologe«, fuhr Korab fort, »aber seit ihr das passiert ist, verändert sie sich.«

      »Inwiefern?«

      »Sie ist konsequenter geworden«, sagte Korab. »Gleich nach dem Schock hat sie die Scheidung eingereicht und sich damit das nächste Problem eingefangen. Ihr Ex, ein gewisser Krainer, hat der Scheidung nicht zugestimmt. Stattdessen stalkt er sie. Momentan verschickt er Nacktfotos von ihr. Nicht nur im Netz, sondern auch als Ausdrucke, denen er noch abartige Informationen beifügt. Anita ist natürlich verzweifelt. Sie versteht einfach nicht, woher er als

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