Original Linzer Tortur. Erich Wimmer

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Original Linzer Tortur - Erich Wimmer

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Wichtiges zu erledigen und braucht dafür vor allem eines: Zeit.«

      »Und wofür genau braucht sie diese Zeit?«, fragte Korab, während er unaufhörlich in sein Büchlein schrieb.

      »Das hat sie nur angedeutet. Es hängt, glaube ich, mit den Umständen zusammen, wie Dr. Gruber ins KZ gekommen ist. Aber wie gesagt, darüber weiß ich nichts Näheres.«

      Korab versuchte sich an einer Zusammenfassung: »Aber Sie brauchen Frau Wagner, damit die Sie finanziell unterstützt, wenn die konkrete Forderung Ihres Neffen Jorge eintrifft.«

      »Ganz genau, Herr Korab«, sagte Frau Rabental sichtlich erleichtert, »also müssen Sie Frau Wagner möglichst unauffällig suchen und finden und dann als eine Art Geldbote fungieren.«

      »Aber nehmen wir einmal an, ich finde Frau Wagner nicht«, entwarf Korab ein durchaus realistisches Szenario, »haben Sie dann wirklich keine Möglichkeit, das Dokument ohne fremde finanzielle Hilfe von Ihrem Neffen zu kaufen?«

      »Das kommt natürlich auf den Preis an«, gestand Frau Rabental, »aber der wird mit großer Wahrscheinlichkeit außerhalb meiner Möglichkeiten liegen.«

      »Und … mit Verlaub … wenn Sie angesichts der zu erwartenden Großimmobilie dieses kleine Haus hier verkaufen?«, fragte Korab. »Mehr, als dieses Haus wert ist, wird Jorge bestimmt nicht verlangen.«

      »Da haben Sie recht, Herr Korab«, bestätigte Frau Rabental, »aber dieses Haus gehört mir nicht. Ich bin hier nur zur Miete.«

      »Verstehe«, sagte Korab, »und die kleinen Skulpturen draußen beim Eingang? Die sind wirklich gut. Sehen aus wie frühe Arbeiten von Paul Klee. Könnten Sie die nicht verkaufen?«

      »Die sind nur von mir. Die bringen kein Geld. Aber … wie kommen Sie auf diesen Zusammenhang mit Klee? Er hat mich tatsächlich inspiriert.«

      Der Geist der Adlerin, gerade noch ein ferner Punkt, kam jetzt hinter den Wolken hervor und hypnotisierte die Wiesenmaus. Frau Rabental beugte ihren Vogelkörper in Korabs Richtung und unterstrich mit dieser Geste die Dringlichkeit, mit der ihr Blick eine Antwort forderte.

      »Klee ist einer meiner Lieblingsmaler«, erklärte Korab.

      »Warum denn das?«, fragte die alte Frau.

      »Weil er unzählige Scherzkekse gemalt hat, farbenfroh und zärtlich«, antwortete Korab, »und weil er den Brücken Schuhe auf die Fundamente gezeichnet hat. Seither können sie laufen. Dank ihm haben Brücken ihre statische Schwere verloren. Und ich bin immer dankbar dafür, wenn jemand unser Leben erleichtert, indem er das scheinbar Unverrückbare verrückt.«

      »Das ist eine äußerst ungewöhnliche, aber sehr treffende Einschätzung«, sagte Frau Rabental erstaunt. »Wie kommt man als feinsinniger Kleeliebhaber zum rustikalen Beruf eines Privatdetektives?«

      Korab empfand diese Frage als alte Bekannte. Wann immer sie auftauchte, griff er zu seiner bewährten Standardformel. Ich habe Kunstgeschichte studiert. Später, als ich gesehen habe, dass man als Kunstvermittler von der Hand in den Mund lebt, habe ich noch den Kurs für Privatdetektive am Linzer WIFI angehängt. Schnüffeln ist mein zweites berufliches Wackelbein. Anstatt diese Antwort einfach auszusprechen, hörte er sich plötzlich etwas sagen, das ihn selbst überraschte.

      »Durch Flucht vor der Erwartung anderer.«

      Frau Rabental zuckte zusammen. Mit einer neuen Art von Interesse sah sie Korab in die Augen und schien sich dabei zu versichern, ob sie richtig gehört hatte. Korab spürte, dass er dieses Angeschautwerden ohne Skrupel erwidern konnte. Das war kein Taxieren und kein Vorgeplänkel zum Kampf um eine auratische Vorherrschaft. Im Gesicht der betagten Frau spiegelten sich einfach nur alte, prägende Erfahrungen, deren Echo er mit seinem letzten Satz aufgewühlt hatte.

      »Und Ihnen ist diese Flucht gelungen?«, fragte Frau Rabental vorsichtig, beinahe zärtlich.

      »Vielleicht … aber meiner Schwester nicht«, fügte Korab so leise hinzu, dass er selbst nicht gleich wusste, ob er diesen Satz nur gedacht oder wirklich ausgesprochen hatte.

      Obwohl ihn seine plötzliche Offenheit selbst erstaunte und sogar ein wenig erschreckte, spürte Korab gleichzeitig, dass er sich dieser Frau gegenüber nicht zu verstellen brauchte. Jedes Wort, das die Wahrheit nur umspielte, war vor dem gütigen Tribunal dieser fordernden Augen fehl am Platz. Korab ließ die Bilder aufflackern. Jasmins strahlendes Gesicht und die Zuversicht, mit der sie ihn ihren großen kleinen Bruder genannt hatte. Und dann, später, irgendwann, die beiden unvergesslichsten Sätze seines Lebens, ausgesprochen von dem Beamten, der damals in der Leichenhalle auf ihn zugeeilt war, um ihn aufzuhalten: Ich an Ihrer Stelle würde sie nicht mehr anschauen. Bewahren Sie Ihre Schwester so in Erinnerung, wie sie gewesen ist.

      »Sie taumeln«, flüsterte Frau Rabental, als hätte sie jeden einzelnen von Korabs Gedanken gelesen. »Aber die Kunst hält Sie in der Spur.«

      Korab reagierte nicht. Seine Augen waren feuchte Kübel, versunken in der gespenstischen Zone einer ständig gegenwärtigen Vergangenheit.

      »Möchten Sie eine Tasse Tee?«, fragte die alte Frau wie eine Schiffslotsin, der vor einer Tiefe schaudert, die sie vergeblich zu messen versucht. Frau Rabental deutete Korabs Schweigen als Bejahung und verschwand lautlos im Nebenraum.

      Es gibt eine innere Landschaft, dachte Korab, wo Menschen wie Frau Rabental unbemerkt und unscheinbar in deiner Nähe leben, gleich im nächsten Tal. Wie viele solcher Täler gibt es in dir? Und wie viele davon erreichst du im Lauf deines Lebens? Das Tal Anita und das Tal Isonzo.

      Auch dort hat mich der Zufall hingespült. Und manchmal spült er dich darüber hinaus, und du gelangst in die nächsten vertrauten Gefilde. Dann stehst du da, mit den Haaren am Kopf, wie manche Großväter so treffend formulieren, und fragst dich, ob du nicht schon einmal hier gewesen bist, in einem früheren Leben, in diesem Tal, an diesem Ort mitten im Wasserwald.

      »So, bitte sehr«, sagte Frau Rabental und stellte eine kobaltblaue Teetasse vor ihrem Gast auf den Tisch.

      »Haben Sie die selbst getöpfert?«, nutzte Korab die Chance und wechselte das Thema.

      »Ja.«

      »Ein Freund von mir macht das auch«, sagte Korab nachdenklich.

      »Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Frau Rabental, nachdem sie wieder Platz genommen hatte, »dass Sie künstlerisch begabte und extravagante Freunde haben.«

      »Extravagant ist ein ideales Wort, um ihn zu beschreiben«, bestätigte Korab. »Isonzo ist ein von der Stadt extrahierter Vagant. Er lebt zwischen Wald und Wasser im Schilf.«

      »Leben Sie nicht bei ihm?«, fragte Frau Rabental.

      Korab verschluckte sich an der heißen Flüssigkeit. Er setzte die Tasse ab, räusperte sich und blickte in Frau Rabentals Richtung, ohne ihr in die Augen zu schauen.

      »Warum sollte ich?«, fragte Korab erstaunt.

      »Weil Sie dann glücklicher wären.«

      »Wie kommen Sie darauf?«

      »Durch Ihre Stimme«, sagte die alte Frau. »Ihre Stimme leuchtet, wenn Sie um diesen Ort kreist.«

      Korab griff nach einer Serviette, wischte sich über den Mund und dachte dabei an die sagenhaften Schwerter,

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