Max und Moritz - Was wirklich geschah. Johannes Wilkes
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»Ich sagte, ihr macht besser die Biege«, hörten sie die Alte nun zischen.
»Und warum, bitte schön?«, fragte Mütze.
»Finsterfelde ist nichts für Fremde«, murmelte die Alte und wandte sich wieder der Säuberung des Gehsteigs zu und dies mit einer Energie, dass es nur so staubte.
Siebzehntes Kapitel
»Hühnerfrikassee«, antwortete der Wirt.
Karl-Dieter rollte die Augen. Er hätte sich etwas Abwechslung auf der Speisekarte gewünscht, Mützes Augen hingegen blitzten. Sie waren die einzigen Gäste bis auf den Mann mit dem Hut und dem Rauschebart, der wohl kein anderes Zuhause besaß und an der Theke stand. Die beiden Freunde hatten an dem Tisch Platz genommen, an dem sie schon gestern Abend gesessen hatten. Der gemütliche Wirt, den alle nur »Wolke« zu nennen schienen, rieb sich die Hände an der Schürze sauber.
»Wieder vom Bio-Hof?«, fragte Mütze.
»Hof ist übertrieben.« Den Mund des Wirts umspielte ein geheimnisvolles Lächeln.
»Wohl aus Privatproduktion?«
»Wärmer.«
»Aus dem Bestand einer am Ort ansässigen Dame?«
»Noch wärmer.«
»Einer Dame, bei der man auch nächtigen kann?«
»Heiß!«
»Von Witwe Bolte!«
»Ich hab nichts gesagt.«
Mütze tat, als sei er überrascht. Manchmal war es hilfreich, sich dumm zu stellen. Er machte ein leicht betrübtes Gesicht.
»Wie man sich freiwillig von seinen geliebten Tieren trennen kann …«
»Nun, ja, so ganz freiwillig ist das wohl nicht gewesen«, sagte der Wirt und senkte die Stimme, obwohl sie doch niemand hören konnte. Oder ob der Mann dahinten am Tresen, der mit Hut und Rauschebart, heimlich lauschte?
»Wie ist das zu verstehen?«, fragte Mütze.
»Haben Sie den Zettel an unserer Gemeindetafel nicht gesehen?«
»Zettel? Welchen Zettel?«
Nun ging der Wirt in die Knie und sprach noch leiser. »Max und Moritz haben die Viecher auf dem Gewissen!«
»Max und Moritz?«
Karl-Dieter war es fast unheimlich, wie gut sich Mütze verstellen konnte.
»Die beiden verzogenen Knaben von Erwin Bolte, dem verstorbenen Mann Ihrer Wirtin. Bevor sie sich aus dem Staub gemacht haben, haben sie Brot an Bindfäden gebunden, daran sind die Hühner verreckt.«
»Wann war das?«
»Wann das war? Seitdem es Hühnerfrikassee gibt«, grinste der Wirt.
»Und seit wann gibt es Hühnerfrikassee?«
Da verzog sich das Gesicht des Wirtes, das Grinsen verschwand, und eine misstrauische Falte quoll zwischen seinen Augen auf. Mit einer raschen Bewegung erhob er sich und fing wieder an, sich die Hände an seiner verdreckten Schürze zu reiben.
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, sagte er und verschwand in der Küche.
Achtzehntes Kapitel
»Verrat mir doch, was du vermutest!«
Die Freunde waren auf dem Weg zurück zur Pension, Karl-Dieter platzte vor Neugier.
»Alles noch nicht spruchreif«, knurrte Mütze, »wenn ich recht habe, stimmt da was nicht.«
»Was stimmt denn nicht?«
Mütze sah sich um. Sie hatten das Dorf verlassen, niemand war zu sehen. Nur weit draußen, auf den Feldern weit hinter dem Friedhof, tockerte ein alter Traktor entlang und zog eine staubige Fahne hinter sich her. War denn schon die Erntezeit gekommen?
»Also gut«, lenkte Mütze ein.
Eigentlich hatte er sich geschworen, Karl-Dieter bei seinen Ermittlungen nur in das Nötigste einzuweihen, aber dieser Fall war in mancherlei Hinsicht besonders. Vorsichtig zog er eine Klarsichttüte aus seiner Schimanskijacke, in der Tüte glänzte es weiß.
»Was ist das?«, fragte Karl-Dieter, obwohl es sich eindeutig um den Rest einer Eierschale handelte.
»Hab ich unter Witwe Boltes Apfelbaum gefunden.«
»Jedes legt noch rasch ein Ei und dann kommt der Tod herbei …« Karl-Dieter betrachtete die Schale nun mit sichtbarem Entsetzen. »Dann stimmt es also, was der zeichnende Dichter auf das Blatt geschmiert hat.«
»Wie man’s nimmt.«
»Was meinst du damit?«
»Schau genauer hin.«
Mütze hob die Tüte höher.
»Mensch, das gibt es doch nicht!«, rief Karl-Dieter aus.
»Eben!«, sagte Mütze, und in seiner Stimme lag ein leiser Triumph.
Als sie die Pension erreichten, kam schwanzwedelnd der Spitz um die Ecke gelaufen. Hinter ihm hergeschossen aber kam die Witwe, packte ihn bei der Leine und zog das widerstrebende Tier hinter sich her in den Garten, um ihn an dem Apfelbaum festzubinden.
Neunzehntes Kapitel
Dieses Miststück! Keine Minute lässt sie einen aus den Augen. Manchmal wünschte ich, ich wäre wieder eine Krähe. Als Vogel hat man andere Möglichkeiten, andere Freiheiten. Allein der Flug nach Dortmund-Dorstfeld zu Tante Dörte, was für ein Abenteuer ist das gewesen. Von der Mark Brandenburg quer über Deutschland bis in den Pott, wo die Sonne verstaubt, wie Herbert Grönemeyer so schön gesungen hat. Stolz wie Oskar bin ich auf mich gewesen, in nicht einmal sechs Stunden hatte ich den Langstreckenflug hinter mich gebracht und war in ihrem Garten gelandet. Wie hätte ich das als Hund schaffen sollen? Aber auch bei dem, was nun zu erledigen war, kam mir meine neue Identität sehr zugute, denn jetzt kam es auf die Feinmotorik an. Die Feinmotorik einer Krähe ist eindeutig besser als die eines Hundes. Dennoch, mit Schnabel und Krallen die wichtige Botschaft in den Sand zu scharren, ist kein Kinderspiel gewesen. Aber Tante Dörte hat’s erkannt! Ich wusste es, die Stelle war gut gewählt. Den Sandweg zu den Beeten harkt sie stets mit Sorgfalt, er war wie eine blank geputzte Tafel. Sie hat meine Botschaft entdeckt und hat mir Karl-Dieter und seinen Freund Mütze geschickt. Mit Hilfe der beiden Freunde werde ich die Saubande ins Kittchen bringen. Nicht eher will ich ruhen.
So eine Seelenwanderung hat durchaus auch ihre gute Seite. Wenngleich der Grund, warum ich meinen menschlichen Körper verlassen musste, natürlich ein abscheulicher gewesen ist. Selbst als Krähe hat es mich noch geschüttelt, wenn ich an die Szene in dem Schneiderhaus dachte, an das wüste, schwitzende Durcheinander, das Gewühl der nackten Leiber, brrr … Niemals