Max und Moritz - Was wirklich geschah. Johannes Wilkes

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Max und Moritz - Was wirklich geschah - Johannes Wilkes

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der Napoleonischen Kriege ereignet haben soll. Lange hatte sich der Glaube daran gehalten, die Leiche des Soldaten würde als Gespenst durch die Nächte geistern und seine Mörder suchen. Schauerlich.

      Mütze staunte einmal mehr, was Karl-Dieter alles über Fontane und seine Mark Brandenburg wusste.

      »Er ist eben mein Lieblingsdichter«, sagte Karl-Dieter.

      »Habt in eurem Theater wohl schon viele Stücke von ihm aufgeführt?«

      »O Mann, Mütze! Theaterstücke von Fontane sind ungefähr so zahlreich wie Wellnesshotels in Finsterfelde.«

      »Oder Meisterschalen in Herne-West?«

      »Auch das.«

      Hinter der Kirche bogen Hund und Wirtin links ab. Ein schmaler Feldweg wand sich hinunter zu den grünen Auenwiesen, durch die sich die Dosse schlängelte. Der Weg endete nach einigen Hundert Metern an einer gesperrten Holzbrücke, rot-weiße Flatterbänder knatterten im Wind. Dicht daneben führte eine frisch geschotterte Zufahrt zu einer langen Eisenplatte, die man neben dem Holzsteg über den Fluss gelegt hatte. »Behelfsbrücke. Benutzung auf eigene Gefahr«, stand warnend auf einem Schild. Darunter war ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen gemalt: »Eltern haften für ihre Kinder.« Dem Spitz schien die Eisenplatte nicht geheuer zu sein, heftig zog er an der Leine, um ans andere Ufer zu gelangen. Nicht weit vom Fluss entfernt duckte sich ein niedriges Haus unter alte Kopfweiden, an der Straßenseite schaukelte an einem ausschwingenden Haken eine kupferne Schere im Wind. »Kunstschneiderei Böck«, stand über der grünen Eingangstür, »Maßanfertigungen und Änderungen aller Art.« Mit ein paar schnellen Handgriffen band die Witwe den Hund an einer Weide fest und klopfte an die Tür. Ein kleines Fenster ging auf, und ein schmaler Kopf schob sich ins Freie.

      »Erkennst du ihn?«, flüsterte Mütze und stieß Karl-Dieter in die Seite.

      »Der Mann mit dem roten Zinken und der Zwickerbrille, einer der Skatbrüder«, flüsterte Karl-Dieter zurück, während der Kopf wieder verschwand. Kurz darauf wurde die Haustür geöffnet und Witwe Bolte schlüpfte ins Haus.

      Mütze und Karl-Dieter hatten sich in den Büschen neben der Brücke versteckt gehalten. Jetzt sahen sie sich fragend an. Sollten sie es wagen, zur Schneiderei zu schleichen? Vielleicht konnten sie durch das geöffnete Fenster ein paar Brocken von dem Gespräch aufschnappen. Warum nicht? Was hatten sie schon zu verlieren? Sie wollten gerade loslaufen, da gab es einen schnalzenden Laut. Der Spitz! Er hatte sich mit einem Ruck vom Baum losgerissen und kam über die Brücke gelaufen, direkt auf sie zu. Er schien in keiner Weise überrascht, sie zu sehen, im Gegenteil, wie auf einen geheimen Befehl stoppte er unmittelbar vor ihren Füßen, machte Sitz und sah sie schwanzwedelnd an. Dann entfuhr ihm ein geheimnisvolles »Rawau!«, zugleich machte er einen Sprung an ihnen vorbei, sah sich um und blickte sie aufmunternd an, machte einen weiteren Satz und blickte erneut zurück.

      »Der hat was für uns!«, rief Mütze. »Los, hinterher!«

      So liefen sie den Weg zurück dem Dorfe zu, immer auf den Spuren des Hundes, der sich von Zeit zu Zeit umsah, wie um sich zu vergewissern, dass sie ihm noch folgten. Vor dem Dorf schlug er sich in einen Feldweg, der im weiten Bogen um den Dorfkern herum zum Friedhof führte. Der Gottesacker war mit einer niedrigen Feldsteinmauer umgeben, Findlinge gab es in der Mark Brandenburg an jeder Ecke, die letzte Eiszeit hatte unzählige herbeigerollt. Ein schmiedeeisernes Tor schloss den Friedhof zur Straße hin ab. Hier blieb der Spitz sitzen und wartete ungeduldig auf Mütze und Karl-Dieter. Ohne lange zu überlegen, drückte Mütze das Tor auf, und der Spitz schoss an ihnen vorbei, die kleine Allee von Lebensbäumen entlang, um vor dem Leichenhaus scharf links abzubiegen. Als die Freunde den Abzweig erreicht hatten, sahen sie den Hund vor einem frischen Grabhügel, der dicht mit Stiefmütterchen bepflanzt worden war, sitzen. Karl-Dieter mochte Stiefmütterchen nicht, sie sahen aus, als hätten sie den bösen Blick. Er wünschte sich nichts als einen Rosenstock aufs Grab.

      »Erwin Bolte«, las Mütze von dem schmalen Holzkreuz ab.

      Ein zerzauster Efeukranz lag daneben. »In ewiger Liebe, deine Witwe«, stand auf der Schärpe zu lesen. Genau an dieser Stelle hatten sie gestern beim Weg von der Gastwirtschaft zurück zur Pension ihre Wirtin beim Blumenpflanzen gesehen.

      »Und nun?«, fragte Karl-Dieter, indem er sich zu dem Spitz niederkniete, um ihm den Hals zu kraulen.

      Zu Karl-Dieters nicht geringem Erschrecken aber sprang der Spitz plötzlich auf den Grabhügel hinauf und fing an, die Blumen und die Erde wegzuscharren, dass es nur so spritzte.

      »Er will sein Herrchen ausbuddeln«, rief Karl-Dieter entsetzt.

      Sie waren so überrascht, dass sie den Mann nicht bemerkten, der hinter sie getreten war. Er setzte einen Fuß auf das Grab, packte den Spitz mit harter Hand am Nackenfell und riss ihn unsanft in die Höhe.

      »Was soll der Blödsinn?«, rief der Mann mit böser Stimme.

      Sie blickten ihm ins Gesicht. Es war sehr rund, ohne jedes Haar am Kopf, ja selbst Brauen und Wimpern fehlten, dazu war es auffallend gerötet. Sie kannten den Grobian bereits, kein Zweifel. Es war einer der Skatbrüder vom gestrigen Abend. Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er mit dem jaulenden und zappelnden Hund am ausgestreckten Arm zur Friedhofsmauer, warf ihn mit Schwung hinüber und verschwand.

      Elftes Kapitel

      Dieser Idiot von Dorfschullehrer! Klar, dass er nervös wurde, hing er doch tief in der dreckigen Sache mit drinnen. Diese Bande, diese Verbrecher! Ich aber werde es ihnen zeigen, darauf können Sie sich verlassen. Warum ich dem ollen Lämpel nicht in die Hand gebissen habe? Nun, noch muss ich den harmlosen und etwas dämlichen Spitz spielen. Zum Glück aber hab ich von jetzt ab zwei Verbündete, Mütze und seinen Freund. Nur ich scheine zu wissen, was die beiden Fremden in Finsterfelde suchen, ein unschätzbarer Vorteil. Die beiden hab ich nur der guten Dörte zu verdanken, meiner Schwippcousine. Sie hat meine Botschaft verstanden. Ich könnte ihr das Gesicht abschlecken vor Dankbarkeit!

      Zwölftes Kapitel

      »In Edinburgh gab es mal einen Hund, Bobby hat er geheißen, glaube ich. Der hat 14 Jahre lang das Grab seines verstorbenen Herrchens bewacht. Als er dann selbst starb, hat man ihn heimlich auf dem Friedhof bestattet, direkt neben dem Grab, an dem er immer gesessen hatte. Ist das nicht eine schöne Geschichte?«, seufzte Karl-Dieter. »Welche Liebe, welche Treue!«

      »Schöne Geschichte? Nichts weiter als ein tierischer Reflex. Kein Zeichen von Liebe, kein Zeichen von Treue, sondern lediglich ein Zeichen von Dummheit.«

      »Aber Mütze, wie kannst du so reden! Nicht vom Grab eines geliebten Menschen zu weichen, ist das nicht ein wunderbarer Beweis ewiger Verbundenheit?«

      »Ewige Verbundenheit? Blödsinn! Was würdest du dazu sagen, wenn ich nach dem Tod 14 Jahre nichts Besseres zu tun hätte, als an deinem Grab zu hocken?«

      Im selben Moment merkte Mütze, dass er einen Fehler gemacht hatte. Karl-Dieters Gesicht verschattete sich, schmerzhaft verzog sich sein Mund.

      »Mensch, Knuffi! Jetzt sei doch nicht gleich wieder beleidigt, ich meine, das würde ich doch auch von dir nicht verlangen, stell dir mal vor, du würdest 14 Jahre bei Wind und Wetter an meinem Grab sitzen.«

      »Schon. Du hättest es aber etwas freundlicher ausdrücken können.«

      »Na schön«, seufzte Mütze, »entschuldige! Ich wollte nur sagen, die Aktion von dem Spitz bringt uns keinen Millimeter weiter. Auf dem Grab

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