Trollingermord. Hendrik Scheunert

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Trollingermord - Hendrik Scheunert

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unterstützte, als einer der wenigen, seinen Vorschlag nach einer Expansion des Weinkonvents Uhlbach.

      »Ich werd’s ihm ausrichten«, tat Kalter das durchaus ernst gemeinte Lob an seinen Koch beiläufig ab.

      Sie ließen den Abend gemeinsam ausklingen. Langsam, aber sicher näherte sich den angeheiterten Winzer die Sperrstunde. Daraufhin verschwand ein jeder wieder nach Hause zu seiner Gattin, über die eben noch gelästert worden war. Daheim sah die Welt dann freilich ganz anders aus.

      Nachdem alle Wengerter gegangen waren, saß Gerd Bäuerle allein am Tisch und schlotzte seinen Lemberger vom Uhlbacher Götzenberg.

      »Trink aus, ich muss gleich zu machen, sonst hab ich die Leute vom Ordnungsamt am Hals«, rief ihm Kalter zu, der hinter dem Tresen die leeren Gläser von Hand spülte.

      »Ich denke, wir sollten uns mal unterhalten«, begann Bäuerle, während er sein Glas auf dem Tisch im Kreis drehte.

      »Wir haben uns doch jetzt die ganze Zeit unterhalten. Was willst du noch besprechen?«

      »Es geht um deinen Weinberg«, fuhr Bäuerle fort und ließ dann eine kurze Pause folgen. »Du weißt so gut wie ich, die Menge, die du verkaufst, lässt sich niemals mit dem Ertrag aus deinem Weinberg erreichen. So etwas ist unmöglich.«

      Andre Kalter trocknete die Weingläser ab und stellte sie fein säuberlich ins Regal oberhalb des Tresens. Danach legte er sein Geschirrtuch beiseite.

      »Was willst du mir damit sagen?«, fragte er lauernd.

      »Tu nicht so blöd. Ich kann rechnen.« Bäuerle tippte sich mit dem Finger an seinen Kopf.

      »Na, wenn du so gut rechnen kannst, dann weißt du ja, was du mir für den Rostbraten und die sechs Viertele schuldig bist«, gab der Wirt unbeeindruckt zurück.

      »Du denkst, du kannst dich blöd stellen? Warts mal ab!«, drohte Bäuerle, stand auf und knallte ihm mit der Bemerkung: »Stimmt so«, 50 Euro auf den Tresen, um grußlos durch die Tür hinaus in die kalte Januarnacht zu verschwinden.

      Im Türrahmen stehend drehte er sich noch einmal um.

      »Du vergisst, wer dir damals den Arsch gerettet hat, als du kurz vor der Pleite warst.«

      Er tippte sich mit dem Finger auf seine Brust.

      »Ich habe dir deinen Daimler abgekauft, sonst hättest du die Schulden bei der Bank niemals tilgen können.«

      Kalter zuckte mit den Schultern.

      »Ich weiß nicht, was du willst«, gab er zurück. »Dafür hast du ja zu einem ziemlich fairen Preis, wie ich meine, den schicken Oldtimer bekommen. Es ist ja nicht so, dass du mir dieses Geld geschenkt hast. Immerhin warst du schon eine Weile scharf auf den Wagen.«

      »Pah!« Bäuerle drehte sich um, dann verschwand er in der Dunkelheit.

      »Maurizio, mach Feierabend«, rief Kalter in die Küche. »Kommt Raffael morgen?«

      »Si, der kommt. Sicher. Was wollte der grad eben von Ihnen?«, erkundigte sich der Koch mit den schwarzgelockten Haaren.

      Maurizio Carnevale war seit einigen Jahren bei Kalter angestellt. Beide hatten sich bei der Besichtigung eines Weingutes in Südtirol kennengelernt. Vom dortigen Winzer, einem nahen Verwandten, wurde er in den höchsten Tönen gelobt. Da Kalter für sein Restaurant einen neuen Koch benötigte – der alte hatte aufgrund von Meinungsverschiedenheiten, was die Speisekarte anging, hingeschmissen – einigte man sich recht schnell. Der kleine Italiener, Anfang 50, stellte sich derweil als Glücksgriff heraus.

      Die Kochkünste des aus Sizilien stammenden Mannes machten sein Lokal weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und sorgten dafür, dass auch unter der Woche nie ein Mangel an Gästen herrschte. Einzig die Tatsache, am Wochenende nicht arbeiten zu wollen, nahm er widerwillig zur Kenntnis. Der Ersatz, ein Cousin von Carnevale, den er stattdessen schickte, stand dessen Kochkünsten aber in nichts nach.

      »Nichts weiter«, gab Kalter auf die Frage seines Kochs zurück. »Nur etwas Belangloses. Aber dein Zwiebelrostbraten wurde über die Maßen gelobt.«

      »So etwas freut mich«, lachte er mit seinem italienischen Dialekt, »dann kann ich ja jetzt Schluss machen.«

      »Mach’s gut«, rief Kalter hinter ihm her, als der Koch wenig später durch die Tür in die Nacht verschwand. Er hörte noch, wie der Italiener seinen alten Fiat 500 nach einigen Versuchen zum Laufen brachte. Kurz darauf schaltete er dann selbst das Licht aus.

      1. Kapitel

      Montag

      Tübingen lag an diesem kalten Januartag, es herrschten Temperaturen um die minus zehn Grad, ruhig am Ufer des Neckars, schien sich für jenes bevorstehende Ereignis, welches hier stattfinden würde, nicht sonderlich zu interessieren. Mit der 1477 gegründeten Eberhard Karls Universität gehörte sie zu den ältesten Universitätsstädten in Deutschland. Die Lehranstalt ruhte umgeben von sattem Grün mitten in der Stadt. Eine fast schon gespenstische Ruhe lag an diesem frühen Morgen auf dem Campus. Was sich bald ändern würde, wenn Heerscharen von Studenten sowie Dozenten hereinströmten.

      Ähnlich sah die Sache bei Walter Riegelgraf, dem Rechtsmediziner aus Stuttgart, aus. Er sollte just an diesem Tag von der Universität Tübingen seine Ehrendoktorwürde erhalten. Davon hatte er insgeheim nicht nur geträumt, sondern auch darauf gehofft. Es war, so seine Meinung, nur eine Frage der Zeit gewesen, bis man ihm diesen Titel verlieh. Doch heute, am Ziel seiner Träume angelangt, überkam ihn ein mulmiges Gefühl.

      Die Laudatio, die sein ehemaliger Professor auf ihn halten würde, war die angenehme Seite der Medaille. Doch er kam nicht umhin, selbst eine Rede vortragen. Dabei würden sich alle Augen, insbesondere die seiner geschätzten Kollegen von der Kripo Stuttgart, die sich dieses Ereignis auf keinen Fall entgehen lassen wollten, auf ihn richten. Allein die Vorstellung trieb ihm trotz des kalten Wetters Schweißperlen auf die Stirn.

      Wochenlang feilte er an seiner Rede, schrieb diese mehrmals um, korrigierte sie, warf den Zettel weg, kramte ihn wieder hervor. Doch jetzt, wenige Stunden vor seinem Auftritt, hätte er am liebsten kehrtgemacht, um sich in seinem Büro im Untergeschoss des Katharinenhospitals zu verstecken. Aber alles Jammern half nichts, er musste da durch.

      Aus der Ferne hörte er das bekannte sonore Brummen eines V8 Motors. Dabei konnte es sich nur um Frank Jonas’ Mercedes handeln. Wie er seinen Kollegen, Oberkommissar Richard Bauer, kannte, nutzte dieser die Gelegenheit, ganz die schwäbische Gewohnheit, sich chauffieren zu lassen.

      Er selbst besaß einen alten blauen VW Käfer aus dem Jahre 1977 mit weißen Ledersitzen. Der Oldtimer durfte trotz des kürzlich verhängten Dieselfahrverbotes in die Stadt, da er über ein sogenanntes H-Kennzeichen verfügte, doch allein die Abgase aus diesem Auto hätten gereicht, die Grenzwerte am Neckartor für mindestens ein Jahr zu überschreiten.

      Frank Jonas stellte seinen weißen E-Klasse Kombi auf dem Parkplatz vor den Vorlesungsräumen der Universität in der Nauklerstraße neben dem blauen VW Käfer ab.

      Er stieg aus und umarmte Walter Riegelgraf.

      »Na, schon aufgeregt Herr Doktor honoris causa?«, grinste er schelmisch.

      Kommissarin Lisa Danninger, die ebenfalls mitgekommen war, nahm ihn zur Begrüßung in den

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