Tübinger Fieberwahn. Maria Stich
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Die Wohnung war geräumig und sehr schön aufgeteilt. Obwohl er nie Zeit gehabt hatte, sich um das Wohnungsprojekt zu kümmern, gefiel sie ihm. Gleich an die Eingangstür schloss sich ein geräumiger Flur an. Von dort ging es rechts ins Schlafzimmer, das auch Zugang zum Balkon hatte. Eine weitere Tür links führte ins Bad mit Tageslicht. Daneben lag das Gästeklo und gegenüber die Tür zu seinem geplanten Arbeitszimmer.
Dann öffnete sich der Flur in den großen Raum, das kombinierte Wohnzimmer mit der Küche. Vor der Einbauküche stand sein Eichentisch mit acht Stühlen und die weiße Couch an der Wand. Die raumhohe Fensterfront gab den Blick auf den Balkon und auf das Nachbarhaus frei. Dort waren alle Rollos geschlossen.
Auf dem aufblasbaren Gästebett im Schlafzimmer, Siegrun hatte das Boxspringbett mitgenommen, lagen Berge von Kissen und Decken, Stühle waren übereinandergestapelt, Teppichrollen und mehrere lange Kartons waren gegen die Wand gelehnt und überall standen Umzugskisten.
Ben saß auf einem der Eichenstühle am Tisch und hatte den Essbereich in Besitz genommen. Vor ihm standen vier Flaschen Tannenzäpfle, die er gerade aus dem Kasten neben dem Kühlschrank geholt hatte. An Getränke hatte Wotan gedacht und auch noch einen Kasten Mineralwasser am Tag vor dem Umzug besorgt.
Ben strich sich mit dem Handrücken die Locken aus dem Gesicht. Dann zog er einen Zollstock aus der Hosentasche. Routiniert öffnete er mit vierfachem Plopp die Kronkorken.
Jetzt gab es erst mal die Pizzen, die man essen sollte, solange sie nicht völlig ausgekühlt waren.
Wilde stapelte die Kartons der Pizzeria »Da Giovanni« auf den Küchentisch. Gerade war er von dort zurückgekehrt. Ein Regenschauer hatte ihn erwischt, als er die Bestellung abholte.
»Nach 15.00 Uhr keine Lieferungen mehr, nur noch Selbstabholung!«, hatte ihn Giovanni aufgeklärt. Manchmal wäre so ein Auto schon praktisch, hatte Wotan gedacht. Aber er war bekennender Radfahrer.
Den grasgrünen Fiat Punto fuhr nur seine Frau beziehungsweise ehemalige Frau. Ob sie den Wagen wohl im Container nach Südafrika schippern ließ? Eigentlich war ihm das total egal. Den Tiefgaragenstellplatz in seinem neuen Wohnhaus würde er vermieten.
Der Kommissar rubbelte sich seine Haare mit einem Geschirrtuch trocken, das er wie durch ein Wunder zuoberst in einem Umzugskarton gefunden hatte.
»Chef, das Ding schließt aber nicht richtig«, bemerkte Aristos. Panagiotis und er hatten die Zigarettenpause auf dem Balkon beendet und machten sich an der raumhohen Drehkipptür zu schaffen.
Ächzend ließ Wotan sich auf einem Stuhl nieder und öffnete den obersten Pizzakarton. Wilde fühlte sich für einen Augenblick sehr erschöpft. So ein Umzugstag war anstrengend. Er fühlte ein Kribbeln in der Nase. Hoffentlich hatte er sich keine Erkältung geholt.
Genüsslich sog er den kräftigen Käsegeruch der Pizza Quattro Formaggio ein. Sein Magen knurrte wie der eines hungrigen Löwen.
Wilde nahm ein Stück, biss hinein, kaute mit geschlossenen Augen, genoss den Geschmack der italienischen Kräuter in der Tomatensoße. Er schluckte und biss wieder mit Heißhunger in das Pizzastück.
»Steht ganz oben auf der Mängelliste!«, antwortete Wilde undeutlich und wäre fast an einem Champignon erstickt. Er würgte und hustete. Ben reichte ihm eine Serviette.
Die Brüder schoben Kissen und Decken beiseite und setzten sich auf die verbliebenen Stühle an den Eichentisch. Ben reichte ihnen je ein Bier. Die vier Männer prosteten sich zu und jeder tat einen tiefen Schluck.
Kurze Zeit später saßen sie einträchtig kauend neben den Umzugskartons im Chaos.
»Chef, was ist eigentlich in den heiligen Kisten, die da an der Wand lehnen?«, wollte Ben wissen, nachdem er die Hälfte einer Pizza mit Meeresfrüchten verspeist hatte.
Wotan Wildes Augen begannen zu leuchten. Er erhob sich ganz langsam, fast feierlich. Die drei Männer beobachteten ihn erwartungsvoll.
3. Der Absturz
»Brauche dich dringend für meinen Bilderzyklus ›Vollmond‹ auf der Burg Hohenneuffen! Um 22.00 Uhr an der Baustelle! A.«
Auf einer Vernissage von Ackermanns Fotozyklus »Licht und Schatten« im Tübinger Schloss war ihm die Idee für seinen teuflischen Plan gekommen. Die SMS war der erste Teil davon.
Werner Wüst würde A. mit dem Namen Ambrosius Ackermann gleichsetzen. Da der Hobbyfotograf zu außergewöhnlichen Zeiten an außergewöhnlichen Orten fotografierte, verwunderte ihn nichts.
Die SMS war aber nicht von Ambrosius Ackermann, obwohl seine Nummer angezeigt wurde. Sie war von ihm! Man würde das aber nicht zurückverfolgen können. Zacharias, ein Mitglied des Chaos Computer Klubs und der Sohn seines Freundes Dieter, hatte das für ihn erledigt.
Dazu kam, dass er bei einem Ausflug Wüsts Namen auf dem Baustellenschild gelesen hatte, das am Eingang zum Burghof von Hohenneuffen stand. Hier war Werner Wüst noch als technischer Bauberater tätig, obwohl er schon im Ruhestand war. Auch Ackermann wusste das.
Sie hatten die beiden, Werner Wüst und seinen früheren Geschäftspartner Ambrosius Ackermann, schon lange im Visier. Jetzt hatten er und seine Freundin Silja wegen ihrer immer akuter werdenden Lungenfibrose aber keine Zeit mehr, länger mit ihren Plänen zu warten.
Wie er ihn einschätzte, würde Werner Wüst zwar seinen exzentrischen Freund verfluchen, sich aber dann arglos auf den Weg in seinen eigenen Untergang machen.
Jetzt kauerte der nächtliche Verschwörer neben der Garage auf Wüsts Grundstück. Der leichte Nieselregen hatte die Schulterpartie seines dunkelgrünen Parkas durchweicht.
Auch durch die schwarzen Jeans fühlte er schon die Nässe kriechen. Nur seine Gore-Tex Stiefel hielten ihn noch warm.
Er warf einen Blick auf die Natursteinplatten vor der Garage. Wenigstens hinterließ er keine Fußspuren im durchweichten Rasen. Das Gartentor hatte offen gestanden und ihm problemlos Zutritt zum parkartigen Grundstück gewährt. Die kugelig gestutzten Buchsbüsche gaben ihm Sichtschutz. Er hasste ihren moderig bitteren Geruch. Sie erinnerten ihn an die Friedhofbesuche, die er jeden Sonntagnachmittag an der Hand seiner Mutter machen musste. Aber jetzt war keine Zeit für Sentimentalitäten.
Wo blieb das Arschloch? Er warf einen Blick auf seine falsche Rolex, die er von einem Türkeiurlaub mitgebracht hatte. Der Typ ließ sich Zeit.
Dann gingen im Bungalow die Lichter aus und das Garagentor schob sich wie von Geisterhand nach oben. Er ließ sein Messer aufschnappen, sprang auf und schlüpfte gebückt durch den Spalt unter dem Tor. Gleichzeitig ging die Garagenbeleuchtung an.
Wüst, der durch eine Verbindungstür zum Haus in die Garage trat, konnte auf den Überraschungsangriff nicht mehr reagieren. Der Angreifer, der sich neben der Tür postiert hatte, sprang auf ihn zu, packte den fülligen Mann von hinten und hielt ihm das Messer an den Hals.
Sein Opfer war für den Nachtausflug auf Burg Hohenneuffen passend gekleidet. Er trug eine gelbe Regenjacke und blaue Jeans. Gegen die Kälte hatte er einen blauen Kaschmirschal um den Hals gebunden. Nur seine weißen Schuhe passten nicht recht zu dem Outfit.
»Jetzt