Die weise Schlange. Petra Wagner
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„Jederzeit“, lachte Akanthus und zeigte auf seine feuchten Haare, die Viviane jetzt erst auffielen. „Jeder darf im See schwimmen, nicht nur Drachen. Achte jedoch auf den Sog in der Mitte, besonders jetzt, da du nicht ganz bei Kräften bist.“
„Keine Bange, ich werde mich am Ufer halten. Da komme ich gar nicht erst in Verlegenheit, zu ertrinken. Und ich nehme Dina mit, die kann mich zur Not retten. Ich habe meine Lektion gelernt.“
„Ich werde hier auf dich warten. Nimm die auch gleich mit.“
Akanthus überreichte ihr ein paar Tücher – ein winziges aus Wolle, mit dem ihr Uathach gestern die Zähne poliert hatte, und zwei große Leintücher, die ihr ebenfalls bekannt vorkamen. Unwillkürlich musste Viviane schmunzeln, wenn es auch wehtat. Vorsichtig setzte sie sich in Bewegung.
Zurück kam sie mit Tüchern um Kopf und Schultern gewickelt und leichtem Schritt. Die freudige Begrüßung durch Dina, der Wald, das kalte Wasser – das alles hatte ihr gutgetan. Akanthus hielt ihr gleich eine Schale mit Gerstenbrei hin und schaute so lange streng drein, bis sie alles in sich hineingelöffelt hatte, ob sie wollte oder nicht. Danach zeigte er wieder sein väterliches Lächeln und forderte Viviane auf, ein Stück des Wegs mit ihm zu gehen. Müßig schlenderten sie über die Lichtung, vorbei an den Drachenkriegern, die dicht gedrängt um die Erdöfen schliefen. Viviane sah ihre Körper nun deutlich unter den Decken und überlegte, wie einfach es wäre, sie hier und jetzt zu überfallen, doch Akanthus schwärmte frohgemut von der gestrigen Feier und davon, wie gut ihr Kampfspektakel ausgesehen hatte. Kein Drachenkrieger wachte auf, niemand machte sich Sorgen. Über die Absicherung solcher Feste hatte sich Viviane noch keine Gedanken gemacht und Akanthus ließ ihr ohnehin keine Zeit zum Grübeln.
„Ich möchte mit dir über deine Zukunft sprechen“, begann er ein neues Gesprächsthema und führte sie zu einem Apfelbaum, der so schief stand, dass man sich mühelos darauf setzen konnte. Mit einladender Geste deutete er auf eine bequeme Stelle und nahm selbst auf einer Astgabel gegenüber Platz.
Viviane schaute ihm aufmerksam in die blauen Augen und wartete geduldig auf das, was er zu sagen hatte. Aus Erfahrung wusste sie, dass er nicht duldete, wenn man vorschnelle Fragen stellte oder gar dazwischenredete.
„Ich muss dich heimschicken“, sagte er ruhig und dennoch in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. „Nichts von dem, was ich dir nun mitteile, darf nach außen dringen. In die Gründe für meine Entscheidung werden nur Druiden eingeweiht, selbstverständlich auch die in deiner Heimat. Das lass allerdings meine Sorge sein, du weißt, ich habe Mittel und Wege. Bei dieser Gelegenheit werde ich dich auch gleich bei deinem König ankündigen. Falls jemand fragt, warum du deinen Leuten nicht selbst geschrieben hast, sag einfach, du wolltest sie überraschen. Das wird dir jeder glauben und es ist nicht mal gelogen, wenn du vergisst, zu erwähnen, dass du selber überrascht warst.“
Akanthus warf einen prüfenden Blick auf Viviane, die sich redlich mühte, ihre Verblüffung zu verbergen, und fuhr fort: „Dein Hab und Gut habe ich bereits zur dritten Station deiner Reise vorausgeschickt. Dort erwarten dich auch noch ein paar Extravaganzen, denn ich will eine vornehme Römerin aus dir machen, um dich in römisches Gebiet zu schicken. Alles Weitere ist geplant und in die Wege geleitet.“
Viviane klappte der Mund auf. Schnell machte sie ein verhaltenes Gähnen daraus und hütete sich, irgendetwas zu sagen.
„Ich weiß, du hast dich darauf eingerichtet, hierzubleiben, doch der schwere Kampf, für den wir uns alle rüsten, ist bis auf Weiteres verschoben worden. Meines Wissens wird er noch etwa zwei Jahre auf sich warten lassen. Die große Entfernung zu deiner Heimat wird also für eine Rückkehr kein Problem darstellen.“
Viviane nickte vorsichtig, sie war nun doch etwas verwundert. Der seit Jahren, ach was, seit Jahrzehnten geplante Vernichtungsfeldzug der Römer gegen die britannischen Druiden würde also nicht stattfinden, jedenfalls jetzt noch nicht. Akanthus musste es wissen, er hatte zahllose Berichterstatter, von denen die Römer nichts ahnten.
„So ist es“, bestätigte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Sämtliche meine Späher berichten das Gleiche: Der Kampf, den die Römer gegen uns Druiden im Sinn haben, muss warten. Im Moment sind sie nicht dazu in der Lage, gegen uns ins Feld zu ziehen, oder besser gesagt: Sie sind im Moment noch zu schwach, um es mit uns Druiden aufzunehmen.“
Trotz ihrer Vorsicht konnte Viviane nicht anders, sie musste kichern.
Auf Akanthus’ Gesicht machte sich ein verschwörerisches Grinsen breit, bevor er weitersprach: „Natürlich werden wir die gewonnene Zeit nutzen, um noch mehr Druiden vor den Römern in Sicherheit zu bringen. Und auch dazu, den Kampfgeist der römischen Truppen weiter in die Knie zu zwingen. Es hat eben seine Vorteile, in den Bergen zu leben, umgeben von Stämmen, die den Römern Einhalt gebieten. Die Wölfe mögen sich den Osten Britanniens einverleibt haben, aber am Westen werden sie sich die Zähne ausbeißen. Dafür werde ich mit meinesgleichen sorgen.“ Feierlich legte sich Akanthus die Hand aufs Herz, um seine Rede zu bekräftigen. „Der Westen ist und bleibt unser, so wahr ich ein Silurer bin und Anführer der Drachenkrieger. Und ich bin froh, meine Tochter, sehr froh, dich an meiner Seite zu wissen, wann immer ich dich brauche.“ Sein Blick glitt über Viviane, die ihn gebannt beobachtete, und er zeigte wieder das von ihr so geliebte väterliche Lächeln. Unvermittelt wurde daraus ein verschmitztes, ja, ein verschlagenes Grinsen. Er rieb sich die Hände und gluckste erfreut: „Im Kampf gegen die Römer sind nicht nur Berge und Verbündete von Vorteil. Es ist auch recht nützlich, dass ihre eigenen Söldner kaum gebildet sind.“
Akanthus zog seine buschigen Augenbrauen hoch und schaute erwartungsvoll drein. Nun war für Viviane der richtige Moment gekommen, ihre Gedanken zu äußern.
„Die machthabenden, gebildeten Römer verstehen nicht, warum ihnen genau diese Unwissenheit zum Verhängnis werden könnte. Mit wahrer Meisterschaft betreiben sie Volksverdummung, um ihre niederen Stände im Zaum zu halten. Und wirklich erschaffen sie dadurch viele Krieger, die marschieren und gehorchen und töten für Sold, weil ihnen sonst nichts anderes übrig bleibt.“
Viviane zog verächtlich die Mundwinkel herab, was Akanthus zu eifrigem Nicken animierte, und sie fuhr fort: „Doch jeder Söldner, egal woher, fürchtet sich vor dem, was es mit sich bringt, einen Druiden zu töten. Er weiß: Wir Druiden sind den Göttern nahe. Wir Druiden bewahren das, was die Götter uns geschenkt haben. Wir streben nach Wahrheit und höchster Moral. Wir forschen, handeln und herrschen weise. Und die Götter sehen mit Wohlwollen, wie wir Brücken bauen aus Wissen, Weisheit und Gedenken, wie wir Götter und Menschen verbinden in jedem Clan, jedem Stamm, überall auf der Welt. Was also tun die Söldner, wenn sie gegen den Willen der Götter handeln sollen, wenn sie Druiden töten sollen, nur weil die Römer Angst vor unserer Macht haben?“
Viviane rutschte vom Apfelbaum und hob Achtung heischend den Finger. Dann tat sie, als würde sie mit Schild und Schwert in einem Schildwall stehen und Akanthus prustete los, als ihre Beine zu schlottern anfingen.
„Rufen sie: ‚Führt eure Schlacht doch selbst?‘ Nein, sie brauchen ja ihren Sold. Also fühlen sie lieber die kalte Angst ihre Beine hinaufkriechen, nehmen die Rache der Götter für eine Handvoll Münzen in Kauf und hoffen, irgendwie drum herumzukommen. Doch welcher Gott wird ihnen vergeben, wenn sie seinen Mittler getötet haben, oder zwei, oder gar noch mehr? Die überirdischen Götter, die irdischen Götter, die unterirdischen Götter – sie werden richten, wann es ihnen passt, wo es ihnen passt und wie. Schlimme, sehr schlimme Tode harren den Frevlern. Kein