Die weise Schlange. Petra Wagner

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Die weise Schlange - Petra Wagner

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so sehr beugen, strecken, um die Achse drehen und die Augen zusammenkneifen – Uathach war nirgends zu finden, weder in einfacher noch doppelter Ausführung. Es standen einfach zu viele Krieger im Weg, allesamt mit Essen, Trinken und Gestikulieren beschäftigt. Ja, sie redeten dermaßen überschwänglich aufeinander ein, als würden sie nur einmal im Jahr die Gelegenheit dazu bekommen, bis irgendjemand „Jetzt beginnt das Spektakel!“ johlte. Das wirkte wie ein Aufruf zur Flucht.

      Die einen sprangen nach rechts, die anderen nach links, schon war die Lichtung wie leer gefegt; alle standen am Rand und drückten einen Brocken Fleisch und ein Horn voll Met an sich, oder was sie sonst in Händen hielten. Nur Viviane und Merdin verharrten wie festgewachsen mitten auf der Lichtung und klammerten sich an das Horn mit Korma, wobei Viviane immer noch um sich blickte. Diesmal wusste sie wenigstens, in welche Richtung sie sich drehen musste, und so fiel ihr die Kinnlade herunter, als Uathach endlich aus dem Wald und in Sicht kam.

      „Ja, da staunst du“, gluckste Merdin. „Deine Freundin übertreibt es mal wieder mit dem großen Spektakel.“

      „Sie sollte uns doch bloß die Pferde bringen! Beim Geweih von Cernunnos, was soll das werden?!“

      Uathach preschte zwischen den letzten Bäumen hindurch auf die Lichtung, als gelte es, sich selbst zu überholen. Breitbeinig stand sie auf einem Streitwagen, die Zügel locker in einer Hand, und sah einfach zum Fürchten aus mit ihrer Kriegsmontur aus Helm, Kettenhemd, Schild, Steinschleuder, zwei Schwertern, fünf Messern, einer Axt und fünf verschieden langen Blasrohren. Dazu befanden sich in der Wagenhalterung noch jede Menge Speere. Dina und Arion – gestriegelt und frisiert – fungierten als Zugpferde. Viviane bekam den Mund nicht mehr zu.

      Obwohl Dina wesentlich kleiner war als Arion, gaben die beiden ein wunderschönes Paar ab, wie sie mit ausgreifenden Hufen über das Gras galoppierten, makellos weiß und die silbernen Mähnen zu vielen Zöpfen geflochten.

      „Ich bin übrigens selbst überrascht“, versicherte Merdin. „Deine Dina und mein Arion hübsch zurechtgemacht am Führstrick – damit habe ich ja gerechnet, aber gewiss nicht so extravagant miteinander verbunden. Dazu noch dieses wilde Weib …“

      „Sie wollte uns bestimmt mal überrumpeln.“

      „Bloß nicht!“ Merdin packte Vivianes Arm und zerrte sie hinter den großen Silberkessel. Offenbar hatte er das mit dem Überrumpeln wörtlich genommen.

      Trotz rasanter Fahrt über holprige Grasbüschel, voller Kriegsmontur und Zügeln im Griff schaffte es Uathach noch, fröhlich zu winken und zu johlen: „Ich fahr euch schon nicht gleich über den Haufen! Bring bloß die Pferde! Wie versprochen!“

      „Plus Streitwagen!“, lachte Viviane und tat so, als hätte sie gar nichts anderes erwartet – was das ‚Über-den-Haufen-Fahren‘ anging, stimmte das auch. Im Zweifelsfalle wäre sie nämlich schon längst davongerannt. Sie würde sich garantiert nicht von einem Streitwagen über den Haufen fahren lassen, allein schon wegen der Klingen an den Rädern rechts und links. Sehr schnell rotierende, scharfe Klingen wohlgemerkt, die ein ganz spezielles Geräusch von sich gaben. Es war wie ein Wirbel aus Sirren, Rasseln, Klirren und Zischen. Man konnte es gar nicht richtig beschreiben, so eigentümlich hörte es sich an – ein absolut tödlicher Klang eben. Ganz zu schweigen von der riesigen Kriegerin obendrauf, die all ihre Waffen meisterlich beherrschte und acht donnernden Hufen die Richtung angab. Im Handumdrehen wäre man von ihr kleingehäckselt, niedergetrampelt, erstochen, erschlagen, zerschnitten, zerquetscht, zerhackt oder alles zusammen und könnte nicht mal mehr über einen raschen Tod nachdenken.

      Aber hatten Viviane oder Merdin Angst? Nein, im Gegenteil. Staunend standen sie hinter dem großen Silberkessel und sahen zu, wie Uathach sich gegen das Weidengeflecht lehnte, um die Kurve besser zu kriegen. Sie konnten sich gar nicht daran sattsehen, wie gut ihre beiden Pferde miteinander harmonierten, sich gegenseitig im Blick behielten und auf den kleinsten Zug am Zügel reagierten. Kraftvoll preschten sie im Kreis um die Lichtung, vollführten noch eine geschmeidige Wende um den großen Kessel und galoppierten in einen neuen, entgegengesetzten Kreis, als hätten sie nie etwas anderes getan, als Streitwagen zu ziehen.

      „Das haben die drei heimlich trainiert“, knurrte Merdin in Vivianes Ohr.

      „Ja, das haben sie wohl“, gluckste diese und schmiegte sich an Merdins Wange, bis das Gespann exakt vor ihnen hielt und sie ihre Freude aufteilen musste. Ihre neckische Begrüßung: „Du bestes, irres Kriegerweib! Du hast mich vollkommen überrumpelt!“ ging in Johlen, Pfeifen und Klatschen unter.

      Uathach grinste, als hätte sie dennoch jedes Wort verstanden, lehnte ihren Schild an das Weidengeflecht und sprang vom Wagen; sogleich fiel ihr Blick auf das Horn voll Korma, an dem sich bloß noch Merdin festhielt, und sie schnappte es ihm aus der Hand. Während sie frech grinsend trank, schirrte Merdin die Pferde ab und Viviane gesellte sich schnell zu ihm.

      In kurzer Zeit standen Dina und Arion für ihre eigentliche Nutzung parat. Viviane und Merdin legten ihre neuen Schwertgürtel ab und bekamen von Uathach, die nun wieder die Hände frei hatte, zwei alte, speckige, bestückt mit hölzernen Schwertern, Äxten und Messern. Prompt machte ein erfreutes Raunen die Runde, das alle drei zum Feixen brachte.

      Das Raunen wurde noch lauter, als Uathach Rundschilde und Speere verteilte. Natürlich hatten die Speere keine Spitzen und die Schilde waren aus dünnem Eschenholz, sie hatten weder Schildbuckel noch sonstige Extras – Eisenstachel zum Beispiel, wie Uathachs hoher Schild für den Nahkampf zu Fuß – sie wollten sich schließlich nicht gegenseitig umbringen.

      Nein, sie wollten bloß ein bisschen spielen.

      Jeder Neuzugang bei den Drachenkriegern demonstrierte am Ende der Initiation seine Fähigkeiten. Das war keine Pflicht, aber irgendwann hatten einige Initianten damit angefangen und nun gehörte es eben zur Abschlussfeier dazu. Jeder dachte sich etwas aus, was er besonders gut beherrschte, möglichst mit spektakulärem Unterhaltungseffekt.

      Es hatte schon die interessantesten Vorführungen gegeben: Kampfkunst mit Feuer oder Eis, mit gefesselten Armen oder Beinen, mit verbundenen Augen oder verstopften Ohren, Kampfkunst mit Hypnose, Gesang oder Gift und natürlich Gegengift … Viviane und Merdin hatten sich für eine Reitervorführung entschieden. Das war vielleicht nicht allzu spannend, aber es würde lustig werden, dafür hatten sie gesorgt.

      Vor sechs Jahren hätte Viviane wie ein Pferd gewiehert, wenn ihr jemand diese Idee vorgeschlagen hätte. Damals hatte sie das erste Mal auf dem Rücken ihrer kleinen Dina gesessen, doch sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, von dort aus zu kämpfen oder sich mitten im Galopp kopfüber hängen zu lassen, ohne Zaumzeug.

      Heute konnte sie sich sogar unter Dinas Bauch durchhangeln oder im Rennen aufspringen, und das verdankte sie ihren zwei besten Freunden, Uathach und Merdin.

      „Vivian ist betrunken“, erklärte Merdin und sah dabei Uathach so vorwurfsvoll an, als hätte sie Viviane höchstpersönlich mit Korma abgefüllt. „Wie soll sie da irgendwas treffen? Oder besser, wie soll sie da nichts treffen, wenn sie alles doppelt und dreifach sieht?! Ich meine, ich kann mich ja noch erwehren, da mach ich mir keine Sorgen, aber der Rest … sollen wir den Abstand verkürzen oder hast du eine bessere Idee? Abblasen können wir das Spektakel nicht.“

      „Ach“, gluckste Uathach und tätschelte das leere Horn in ihrer Gürtelschlaufe. „Du solltest doch auf sie aufpassen? Wie kann sie da betrunken sein? Warst wohl anderweitig beschäftigt? Bist ins Fass gefallen? Schwimmen gegangen mit besten Freunden?“

      „Gar nicht wahr, ich hab aufgepasst! Ich war nur ganz kurz …“

      „So, so … ganz kurz.“ Kichernd schob Uathach ihren Zeigefinger

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