Die weise Schlange. Petra Wagner

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Die weise Schlange - Petra Wagner

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nun in ihre Decken gehüllt herbei. Merdin befand sich unter ihnen. Er warf seine Decke über Viviane, dann schlüpfte er selbst darunter und wickelte sie beide darin ein.

      Verdutzt schaute sie ihn an, doch just in diesem Moment wurde ihr so schön warm, dass aus ihrem fragenden Blick ein dankbares Lächeln wurde. Gerade wurde ihr bewusst, wie kalt ihr vorher gewesen sein musste, dabei hatte sie ihre beiden Decken bislang gar nicht vermisst. Blieb nur noch zu klären, wieso er seinen Arm dermaßen fest um ihre Taille schlang.

      Vielleicht hatte er gemerkt, wie schlecht es ihr ging. Oder es ging ihm schlecht und er musste sich irgendwo festhalten, damit er nicht umkippte und alle lachten. Der erste Kontakt mit Alkohol lag bei den anderen Kriegern schon eine ganze Weile zurück, wenn sie sich an die gestrigen Gespräche mit ihnen richtig erinnerte. Und nun, da sie ihr freundlich zunickten, fiel ihr auch ein, dass sie noch mehr von ihnen wusste.

      „Mittlerweile kennt ihr euch ja alle.“ Akanthus schaute von einem zum anderen. „Und jetzt, da auch unsere Vivian weiß, wo der Hase langläuft, kann ich gleich mit der Tür ins Haus fallen. Euer Weg ist weit und die Zeit knapp bemessen. Dennoch lege ich Wert auf Waschen, Essen und Verabschieden. Ihr nehmt die Reste vom Festessen mit, das reicht als Proviant für einen Tag. Die erste Nacht seid ihr zwar auf euch gestellt, aber alles Weitere ist vorbereitet, bis hin zur Unterbringung in Londinium.“ Akanthus sah aufmerksam in die Runde seiner Zuhörer.

      Viviane konzentrierte sich auf seine Augen und nur auf seine Augen, obwohl Merdins Daumen gerade ihren Bauchnabel streichelte. Das machte er sicher nur aus Versehen, so, wie sie heute selbst ein paar Mal etwas ohne nachzudenken getan hatte. Zu viel Alkohol zu trinken, hatte eben Nachwirkungen.

      „Wir wissen, wo und mit welcher Besatzung das Schiff vor Anker liegt, und wir konnten es lahmlegen, damit es nicht verfrüht ausläuft.“ Er machte eine Handbewegung, als wollte er Holz sägen. „Und wir haben Krieger, die nicht nur kämpfen und Schiffe steuern können, sondern auch die Gegend kennen.“ Er deutete auf die Männer rundum und sah dabei aus wie ein stolzer Vater, der die Künste seiner Söhne anpreist. „Sie kennen jeden Weg, jeden Schlupfwinkel und jede helfende Hand. Daher wird es nicht einen Anführer geben, sondern es wird je nach Gegend gewechselt. Zoak macht den Anfang, dann übernehmen Kassus und Thales; Gaed wird euch schließlich sicher ans Ziel bringen.“

      Viviane musste grinsen. Zum einen, weil Merdins Daumen gerade ihre Hüfte kitzelte, zum anderen, weil die eben genannten Männer gleichfalls grinsten. Sicher fühlte sich jeder von ihnen sehr geehrt, der Truppe voranreiten zu dürfen.

      „Zufällig steht uns ein großes Handelsschiff zur Verfügung“, sagte Akanthus und hob Achtung heischend den Zeigefinger. „Es wird euch im Hafen ausreichend Deckung verschaffen. Der Kapitän gehört zwar nicht zu uns, doch er ist ein ranghohes Mitglied eines anderen Bundes im Kampf gegen Rom. Ich kenne und schätze ihn sehr. Wir können voll und ganz auf seine Findigkeit bauen. Womit alle Probleme gelöst wären, bis auf eines.“

      Akanthus’ buschige Augenbrauen zuckten in die Höhe.

      „Wie gelangt ihr samt Waffen am helllichten Tag unbemerkt aufs Schiff?“

      Viviane saß sofort kerzengerade und dachte über die Frage nach. Was Merdin hinter ihrem Rücken tat, war in diesem Moment egal.

      Scheinbar hatten sich schon alle die Köpfe darüber zerbrochen und noch keine sichere Lösung gefunden. Das war die Gelegenheit für sie, Viviane, etwas zum Gelingen der Aktion beizutragen, sozusagen als Einstand für flügge gewordene Drachen.

      „Nun ja, ich schlage vor …“, begann sie und schaute sich in der Gegend um, um zu sehen, ob noch jemand zu ihrer Besprechung kommen würde. „Da ich offensichtlich die einzige Maid bin, übernehme ich die Lösung dieses Problems.“

      „Du bist dermaßen raffgierig, Vivian.“ Merdin hörte abrupt auf, ihr Rückgrat zu kneten, doch nur, um sogleich an den Schultern weiterzumachen. „Raffgierig wie ein Römer. Ich meinte, Römerin.“

      „Das, mein Bester, hast du gut erkannt.“

      Viviane drehte sich in die Runde und versuchte sich an einem lasziven Augenaufschlag. Uathach war der Meinung, das würde bei ihr sehr verführerisch wirken, und wenn es die Krieger in ihren Bann schlug, sollte es auch als Ablenkungsmanöver im Hafen funktionieren. Die Männer um sie herum schauten jedoch nur verständnislos drein.

      „Ach, mein Gesicht ist ja noch ganz blau“, fiel es ihr nach einem kurzen Seitenblick auf Merdin ein.

      Dieser hatte inzwischen verstanden und zeigte ein dementsprechend lüsternes Mienenspiel. „Ihr müsst euch die blauen Spiralen in meinem Gesicht wegdenken, selbstverständlich auch die restliche Körperbemalung. Nur die Zöpfe, die will ich unbedingt behalten. Wenn ich schon in geheimer Mission gegen die Römer ziehe, will ich wenigstens ein Zeichen setzen.“

      „Vivian! Was genau hast du vor?!“ Merdin grollte, keine Spur von Gier mehr im Gesicht. In seinen himmelblauen Augen zog ein Gewitter auf und seine Finger, die gerade noch sanft ihre Schulterblätter massiert hatten, packten jetzt ihren Nacken ganz fest.

      Viviane fand den harten Griff äußerst wohltuend bei all den verspannten Stellen, die immer mehr zu werden schienen.

      „Mmh, keine Sorge“, schnurrte sie. „Ich mach es einfach wie du.“ Sie bedachte Merdin mit einem besonders provokanten Augenaufschlag. „Erst kitzle ich mal hier, mal da, dann pack ich zu, genau dort.“ Sie deutete auf die Stelle, an der Merdin offenbar ihr Genick brechen wollte, und trällerte: „Wenn du alles fein weich machst, knete ich dich nachher auch ordentlich durch. Und dann wirst du mein Bruder.“

      „Aber ich bin doch schon dein Bruder!“

      Beleidigt schob Merdin die Unterlippe vor. Er schnaubte und murmelte noch mehr vor sich hin, doch das ging im allgemeinen Gekicher der Männer unter. Was auch immer er von ihr zwickte und zwackte und kniff und quetschte - Viviane genoss seinen Ärger, bis sich jemand lautstark räusperte.

      „Nun, Vivian, ich hätte gerne mehr von deinem Vorschlag gehört“, sagte Akanthus und schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wie ich dich kenne, hast du alles längst ausgeklügelt. Aber jedwede List – auch eine von weiblicher Raffinesse - bedarf präziser Vorarbeit, wenn sie gelingen soll. Ich sorge mich zwar nicht derart tatkräftig wie Merdin, dennoch: Es könnte hilfreich sein, den einen oder anderen Boten auszusenden.“

      Viviane wurde es heiß vor Scham und ihr Gesicht begann zu glühen. Sie war dermaßen eingenommen von sich und ihrer ach so perfekten Idee, dass sie das Pferd von hinten aufgezäumt hatte. Mit einem schmachtenden Augenaufschlag eroberte man noch lange kein Sklavenschiff, dazu brauchte es mehr. Zum Glück kannte sie einen Mann, der weitreichende Kontakte hatte.

      „Du hast recht, mein Meister“, sagte sie daher und holte tief Luft. „Wäre es möglich, Schiffspassagen zu bekommen? Für Merdin und mich und unsere Pferde?“

      „Du willst offiziell auf dieses Schiff?! Du und Merdin, ganz allein?“

      „Und die Pferde.“ Viviane zuckte die Schultern. „Wenn man heimlich etwas tun will und noch dazu am helllichten Tag, dann am besten so, dass es für alle gut sichtbar ist.“

      Akanthus starrte sie an und überlegte, endlich nickte er.

      „Mit Gold kann man bei den Römern alles kaufen. Eure Schiffspassagen sind so gut wie sicher. Was noch?“

      „Wir bräuchten verlässliche Helfer, die uns Wasserfässer bereitstellen. Dazu Stroh und Heu, das man zu

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