Die weise Schlange. Petra Wagner

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Die weise Schlange - Petra Wagner

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wedelte herrisch mit der Hand, als ob sie gleich den Nächsten aufrufen würde, und sah ihr Gegenüber das erste Mal richtig lachen – ein Zähneblitzen so weiß wie eine Perlenkette.

      „Du kannst ruhig auch schreien, wenn es dir hilft, mich stört das nicht.“

      Mit einer königlichen Anmut setzte sich die Sklavin gerade. „Ich werde nicht schreien.“

      „Dann nimm wenigstens diesen Ast, ist besser für die Zähne.“

      Viviane knickte einen daumendicken Ast vom Baum und wartete so lange mit strenger Miene, bis die Sklavin den Mund aufmachte.

      „Gut, dann will ich mal.“ Sich die Hände reibend, trat Viviane hinter den Baumstamm, fasste mit der linken Hand den Arm und legte die rechte ans Schulterblatt.

      „Ich werde langsam bis drei zählen. Bist du bereit?“

      Die Sklavin rollte den Ast zwischen ihren Zähnen in eine bessere Position und nickte.

      „Achtung! Ich zähle! Eins …“

      Und schon war der Arm dort, wo er hingehörte.

      Verwundert nahm die Sklavin den Ast aus dem Mund. Er hatte ein paar Kerben.

      „Du hast nicht bis drei gezählt!“ Tastend glitten ihre Finger über die Schulter. „Ich hatte nicht genug Zeit, mich auf den Schmerz vorzubereiten. Aber kaum tat es weh, war es auch schon vorbei. Ich danke dir von ganzem Herzen.“

      „Gern geschehen. Bei nächster Gelegenheit schneide ich dir ein Weidenästchen ab, falls du Schmerzen bekommst.“

      „Das habe ich nicht gewusst“, keuchte Loranthus. Er war von beiden Frauen unbeachtet herangeeilt und zeigte auf den eingerenkten Arm.

      Ruckartig schwang Vivianes Mahagonihaar herum und peitschte ihm ins Gesicht. Ihre grünen Augen loderten. Hastig trat er einen Schritt zurück. Er hatte plötzlich das Bild eines zähnefletschenden roten Drachen vor Augen, und der Drache grollte: „Du trampelst hier vor Langeweile Muster in den Waldboden, hast es aber nicht für nötig befunden, zu fragen, ob es ihr gut geht?!“

      Loranthus riss die Hände hoch.

      „Oh nein, das siehst du falsch! Ich war lange damit beschäftigt, mich zu säubern! Der Raufbold, der mich festhielt, war nämlich der Meinung, ich würde zu gut riechen! Er hat mir die Hosen vom Leib gerissen und meine feinen Lederstiefel und meinen dicken Wollmantel, beinahe hing noch mein Kopf mit drin in der Kapuze, alles neu, beste Qualität, habe ich mir extra für das rauere Klima hier zugelegt. An meinem dünnen Umhang hier hat er mich umhergezerrt, dort hinüber zu dem Wassergraben!“

      Eilfertig zeigte Loranthus schräg hinter sich zum Wegesrand. Dann veranstalte er einen Ringkampf mit sich selbst, legte sich die Hände um die Kehle, als würde er sich würgen, und quetschte aus schiefgelegtem Hals heraus: „Ich habe mit ihm gerungen, leider war er zu stark. Gerettet hat mich ein dürrer Ast, auf dem ich rücklings zu liegen kam. Als mich der Kerl würgte, brach er unter der Gewalt und knackte dabei laut. Der Idiot hat wohl gedacht, er hätte mir das Genick gebrochen und ließ von mir ab. Aber er verpasste mir noch einen derben Tritt in die Seite. Ich habe keinen Ton von mir gegeben und mich tot gestellt, obwohl meine Rippen heftig wehtaten und er mir noch meine eigenen Sandalen an den Kopf geworfen hat, stell dir das mal vor!“

      Zog Loranthus zu dieser fadenscheinigen Ausrede etwa einen beleidigten Schmollmund? Nun raffte er auch noch seinen Umhang an sich, als wolle er seine Sandalen vorzeigen. Vivianes Augen wurden schmal.

      Solche Jammerlappen waren es nicht wert, auch nur einen Finger für sie zu krümmen. Obwohl, gerade verspürte sie den heftigen Drang, sämtliche Finger in seinen Haarschopf zu krallen und alles, was daran hing, durch diese verlockende Pfütze am Wegrand zu ziehen. Leider tat man das nicht mit Händlern und erst recht nicht mit griechischen. Zudem hatte sie einen Eid geschworen.

      Daher summte sie die Isa-Rune für innere Ruhe, wie sie es gelernt hatte, und allmählich trat die erwünschte Wirkung ein: Wozu sich aufregen? Dieser Loranthus vom Stamm der Hornochsen würde gar nicht begreifen, dass er in ihren Augen ein selbstsüchtiger, nutzloser …

      „Als ich so tot es ging da lag, hörte ich noch, wie der Anführer sagte, sie bräuchten sich nicht zu beeilen, sein Jüngster wolle noch etwas Schonzeit, bevor er wieder vom Weib des Statthalters ausgequetscht würde. Da haben alle gegrölt vor Lachen und dem Blonden auf die Schulter geklopft. Mein Peiniger fragte ihn sogar, ob sich sein Weib noch nicht beschwert habe oder ob er sie auch noch schaffe, wenn die Herrin mit ihm fertig sei.“ Entrüstet schüttelte Loranthus den Kopf. „Beim Zeus, ich hätte ihm für diese Dreistigkeit einen Fausthieb verpasst! Wie redete der denn mit dem Sohn seines Anführers?! Aber der Blonde hat nur geseufzt. Er gebe sein Bestes, hat er gesagt. Es war eine seltsame Unterhaltung, wenn ich so recht darüber nachdenke, denn Hermunduren haben ja gar keinen Statthalter.“

      Wozu der Hundeblick?! Verstand der griechische Hornochse den logischen Zusammenhang nicht? Nun, da konnte Viviane ihm auch nicht helfen, den verstand sie nämlich selbst nicht. Oder hätte der brave Bürger Roms gerne einen Statthalter für die Hermunduren? Viviane schürzte die Lippen, ihre Augen wurden sehr schmal. Wenn er jetzt noch anfing zu hecheln, flog gleich ein Stock bis nach Griechenland.

      Doch so weit kam es nicht, ein heftiges Zähneklappern brachte sie zum Umlenken. Auf Pfiff kamen ihre Pferde angetrabt und sie zog aus einer der vielen Taschen einen gelbgrün karierten Wollmantel, ein gelbes Hemd und brombeerfarbene Hosen. In einer anderen Tasche kramte sie nach einem Paar kniehoher Filzstiefel. Kaum drehte sie sich mit dieser Ausbeute in Händen um, zuckte Loranthus zusammen und ging ein Stück weg.

      Viviane konnte es nicht lassen und schleuderte das Stöckchen mit den Bisskerben weit über seinen Kopf in den Wald hinein, doch er sprang nicht darauf an; er schien es nicht einmal gemerkt zu haben. Achselzuckend legte sie der Sklavin die neuen Kleider auf den Baumstamm und half ihr beim Umkleiden.

      Diese ließ es mit müden Bewegungen geschehen und flüsterte: „So schöne Farben und so weich. Du bist so gut zu mir. Ich wünschte, ich könnte es dir vergelten.“

      „Ich nehme dich beim Wort, aber fürs Erste reicht es mir, wenn du mir deinen Namen verrätst, damit ich meine Patientin richtig anreden kann.“ Viviane wackelte neckisch mit den Augenbrauen. „Die Stiefel sind eigentlich für Schnee gedacht, aber die taugen auch für kleine frierende Wildkätzchen. So, jetzt ummantele ich dich noch fein, gleich wird es warm. Ist beste Filzwolle, da kann Loranthus’ dünnes Sommerdeckchen nicht mithalten.“ Resolut stülpte sie ihr die Kapuze über den Kopf, schlang den Mantel gleich zweimal herum, stach eine bronzene Fibel mit Pferdekopf-Motiv hindurch und klemmte die Nadel sicher in die Halterung. Zufrieden betrachtete sie ihre Einwickelkünste. Eine Raupe hätte es nicht besser gekonnt, auch die Farben passten gut.

      Die Arme konnte ihr Gegenüber zwar nicht mehr von sich strecken, aber dafür zeigte sie wieder dieses hübsche Perlenlächeln.

      „Mein Name ist Hanibu.“

      „Hanibu?! Ein feiner Name.“ Viviane nickte freundlich. Sanft strich sie über die verletzte Schulter, dann raffte sie die verdreckten Sachen zusammen und beorderte Hanibu mit einem Kopfnicken dicht an ihre Seite.

      „Komm!“, herrschte sie Loranthus an, der sich inzwischen wieder herangewagt hatte.

      „Hanibu braucht Ruhe! Eine viertel Wegstunde von hier liegt ein Gasthaus. Dort werden wir die Nacht verbringen. Und wehe, du sagst auch nur ein Wort dagegen. Also keinen Widerpart, ich hadere selbst genug mit

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