Energiepolitik und Elektrizitätswirtschaft in Österreich und Europa. Axel Kassegger
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• Wettbewerbsfähigkeit
• Energiepolitik soll in die Kompetenz der EU fallen
Mit dem Beitritt von Finnland, Österreich und Schweden im Jahr 1995 hatte die Europäische Union nunmehr 15 Mitgliedstaaten. Die Umsetzung des Energiebinnenmarktes als integralem Bestandteil des umfassenden europäischen Binnenmarktes erfolgte in drei Binnenmarktpaketen, die im Folgenden beschrieben werden.
DIE UMSETZUNG DES ENERGIEBINNENMARKTES BIS 2009
Am 13. Dezember 1995 veröffentlichte die Kommission das Weißbuch „Eine Energiepolitik für die Europäische Union“20 und beschreibt in diesem 45-seitigen Dokument den Weg zur Verwirklichung des Binnenmarktes im Bereich der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft.
Das 1. Energiebinnenmarktpaket 1996/98
Am 19. Dezember 1996 erließen das Europäische Parlament und der Rat die „1. Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie“21, die gemeinsam mit der am 22. Juni 1998 von Europäischem Parlament und Rat erlassenen „1. Gasbinnenmarktrichtlinie“22 das „1. Energiebinnenmarktpaket“ bildete.
Die „1. Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie“ setzte erste Schritte in Richtung Verwirklichung des Binnenmarktes und Liberalisierung des Marktes der Elektrizitätswirtschaft. Sie beschäftige sich mit der Regelung der Verfahren für die Genehmigung neuer Erzeugungsanlagen, stellte fest, dass es für das Übertragungsnetz eine verantwortliche Stelle geben muss, bereitete die Trennung von Erzeugung, Verteilung und Vertrieb im Bereich des Rechnungswesens vor, schuf Regelungen hinsichtlich des Zuganges Dritter zum Netz und sah eine unabhängige Streitschlichtungsstelle vor.
Die Richtlinie wurde in Österreich am 18. August 1998 mit dem „Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz“ (ElWOG) 1998 in nationales Recht umgesetzt.23
Das 2. Energiebinnenmarktpaket 2003
Mit dem „2. Energiebinnenmarktpaket“ 200324, dessen beide Richtlinien in der Literatur oft auch als „Beschleunigungsrichtlinien“25 bezeichnet werden, wurde der Prozess der Marktliberalisierung und der Verwirklichung des Energiebinnenmarktes in den Bereichen der Elektrizitätswirtschaft und der Gaswirtschaft beschleunigt fortgesetzt.
Die „2. Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie“ vom 26. Juni 2003 stellte fest, dass die Haupthindernisse für einen voll funktionsfähigen und wettbewerbsorientierten Binnenmarkt unter anderem mit Netzzugang, Tarifierung und unterschiedlicher Marktöffnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten zusammenhängen. Zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts sei ein nichtdiskriminierender, transparenter Zugang zum Netz zu angemessenen Preisen von größter Bedeutung.
So legte die Richtlinie fest, dass die Mitgliedstaaten ihre Strommärkte für alle Kunden bis 1. Juli 2007 zu öffnen hätten. Es sollte also jedem Kunden zukünftig offenstehen, Elektrizität vom Lieferanten seiner Wahl frei beziehen zu können. Der Betreiber des Netzes, an das der Kunde angeschlossen war, musste dies zulassen. In Österreich wurde dies für den Stromsektor mit 1. Oktober 2001 und für den Gassektor mit 1. Oktober 200226 bereits davor umgesetzt.
Eine weitere wichtige Neuerung für die Mitgliedstaaten war die Verpflichtung, Regulierungsbehörden einzurichten, die von den Interessen der Elektrizitätswirtschaft vollkommen unabhängig sein mussten und Nichtdiskriminierung, echten Wettbewerb und ein effizientes Funktionieren des Markts sicherzustellen hatten. Mit der Gründung der E-Control durch das Energieliberalisierungsgesetz 2000 wurde auch dieser Punkt in Österreich bereits vor der „2. Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie“ umgesetzt.
Auch die Auftrennung von zur Gänze vertikal integrierten Unternehmen, also Unternehmen, die sowohl Erzeugung/Import als auch den Netzbetrieb und somit die Verteilung als auch den Handel und Vertrieb durchführten und somit dem Stromkunden gegenüber eine De-facto-Monopolstellung hatten, wurde weiter vorangetrieben. Dieser unter dem Fachbegriff „unbundling“ bekannte Prozess wurde zunächst einmal auf der rechtlichen Ebene durchgeführt27.
Das Selbstverständnis der EU, was die Zuständigkeiten und Kompetenzen in energiepolitischen Fragen betrifft, wird im Punkt 31 der Präambel zur „2. Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie“ klar zum Ausdruck gebracht: „Da das Ziel der beabsichtigten Maßnahme, nämlich die Schaffung eines voll funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarkts, auf dem fairer Wettbewerb herrscht, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.“
Grünbuch der Kommission vom 14. Juni 2006
Ein sehr wichtiges Dokument für die gesamte Energiepolitik der Europäischen Union bis zum heutigen Tag war das Grünbuch der Kommission vom 14. Juni 2006 „Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie“28, in dem erstmals ganz klar die drei primären Ziele der Energiepolitik explizit genannt wurden:
• Nachhaltigkeit
• Wettbewerbsfähigkeit
• Versorgungssicherheit
Darüber hinaus definierte das Grünbuch sechs vorrangige Bereiche für die europäische Energiepolitik der Zukunft:
• Energie für Wachstum und Beschäftigung in Europa: Vollendung der europäischen Binnenmärkte für Strom und Gas
• Ein Energiebinnenmarkt, der die Versorgungssicherheit gewährleistet: Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten
• Sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung: hin zu einem stärker nachhaltig ausgerichteten, effizienteren und vielfältigeren Energieträgermix
• Ein integrierter Ansatz für den Klimaschutz
• Innovation fördern: ein strategischer Plan für europäische Energietechnologien
• Auf dem Weg zu einer kohärenten Energieaußenpolitik
Der Vertrag von Lissabon 2007
Mit den Verträgen von Amsterdam 1999 und Nizza 2001 wurde die Europäische Union im Wesentlichen auf die Beitritte vieler Staaten des ehemaligen Ostblocks vorbereitet. Mit dem Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern im Jahr 2004 und Bulgarien und Rumänien im Jahr 2007 umfasste die Europäische Union nunmehr 27 Mitgliedstaaten.
Eine ganz wesentliche Weichenstellung hinsichtlich der energiepolitischen Zuständigkeiten und eine klare Festlegung der energiepolitischen Kompetenz der Europäischen Union erfolgte mit dem Vertrag von Lissabon 200729. Er reformierte in erheblichem Umfang den Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag). Letzterer