Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage - Группа авторов страница 23

Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage - Группа авторов

Скачать книгу

das Apostolikum positioniert hat. Diese Positionierung liegt vor in Gestalt eines Zirkularerlasses vom 25. November 1892 »betreffend den Gebrauch und die Wertschätzung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses«.[83] In diesem Votum lassen sich drei für die hier behandelte Thematik relevante Aspekte identifizieren.

      a) Eine atmosphärische Bemerkung bezieht sich auf die »sowohl bei vielen evangelischen Geistlichen, als auch in weiten Kreisen des evangelischen Volkes« verbreitete »Beunruhigung«, die »durch die Auslassungen des Professors D. Harnack« hervorgerufen worden sei. Diese Beunruhigung sei, so stellt der Text weiter fest, »in ihrem innersten Grunde darauf zurückzuführen, daß man durch die Äußerungen jener Kundgebung über das Apostolische Glaubensbekenntnis [gemeint ist das Votum Harnacks vom 18. August] den Vollbestand des Christenglaubens, insbesondere auch die zum Grundbestande gehörende Lehre von der Menschwerdung des Sohnes Gottes für gefährdet erachtet« (677).

      c) Die Pointe des Zirkularerlasses wird man freilich eher in einer pragmatischen Erwägung finden. Der Oberkirchenrat betont seine Verantwortung für die Aufrechterhaltung der kirchlichen Ordnung, gerade auch »in Betreff des liturgischen Gebrauches des Apostolikums«. Eine Freigabe der gottesdienstlichen Nutzung des Apostolikums ist damit nachdrücklich abgelehnt. Dabei wird aber zugleich die Auffassung zurückgewiesen, nach der die Zustimmung zum Apostolikum als ein schlichtes Für-wahr-Halten des Wortlauts all seiner Einzelaussagen zu verstehen sei. Der Oberkirchenrat möchte also »bei aller evangelischen Weitherzigkeit und entfernt davon, aus dem Bekenntniß oder aus jedem Einzelstück desselben ein starres Lehrgesetz zu machen, doch etwaige agitatorische Versuche, das Apostolikum aus seiner Stellung zu verdrängen, […] nicht dulden« (678).

      Evangelische Weitherzigkeit – an dieser Formel lässt sich am besten zeigen, wie jedenfalls das pragmatische Argument des Zirkularerlasses faktisch zu Schleiermacher zurücklenkt. Denn dieser war ja der Auffassung, dass der innerprotestantische Pluralismus am ehesten dann gewahrt bleibt und kultiviert werden kann, wenn die Bekenntnisse einerseits unverändert belassen werden, andererseits aber ein freier Umgang mit den in den überlieferten Texten enthaltenen Aussagen konzediert und gefördert wird. Schleiermachers Überlegungen aus dem ersten Drittel des 19. Jh. stehen also ebenso für einen pragmatischen Konservatismus wie das Oberkirchenrats-Votum von 1892. Und in beiden Fällen ist damit die Absage an einen ideologischen Konservatismus (im Sinne einer Einschärfung des Wortlauts |82|der antiken und/oder reformatorischen Bekenntnisse als obligatorisches Glaubensgut) verbunden. Hinzu kommen die (freilich nur bei Schleiermacher explizit gemachten) Vorbehalte gegenüber neuen (und vermeintlich unanstößigen) Bekenntnisaussagen, deren Formulierung Harnack vorgeschwebt hat.

      Wenn nicht alles täuscht, ist der beschriebene pragmatische Konservatismus in besonderer Weise dazu geeignet, die Differenz zwischen dem christlichen Glauben selbst und seiner in den kirchlichen Bekenntnissen fixierten symbolischen Form festzuhalten. Insofern kann diese usualistische Lösung, ungeachtet dessen, dass sie weit davon entfernt ist, innovativ zu sein, auch gegenwärtig als die angemessenste Form der Bearbeitung des für den Protestantismus konstitutiven ambivalenten Verhältnisses zwischen Bekenntnisbindung und Freiheit gelten.

      Fußnoten

       1

      Im Unterschied zum lutherischen Verständnis, dem gemäß den Aussagen der Bekenntnistexte eine dauerhafte Verbindlichkeit für die kirchliche Lehre zukommt, betrachtet der reformierte Protestantismus die Bekenntnisschriften als einen zunächst situativ verbindlichen Ausdruck menschlichen Glaubens und wahrheitsgemäßer Schriftauslegung, dessen Geltung weitgehend auf den Kontext der Bekenntnisentstehung beschränkt ist. Daher sind, anders als im Luthertum, auch in den Jahrhunderten nach der Reformation zahlreiche reformierte Bekenntnistexte entstanden. Aus lutherischer Sicht ist dagegen die Bekenntnisbildung mit dem Konkordienbuch abgeschlossen. Dem widerspricht nicht die etwa in der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 7. Januar 2012 begegnende Nennung der Barmer Theologischen Erklärung, von der lediglich gesagt wird, in ihr sei das »in den altkirchlichen Bekenntnissen und in den lutherischen Bekenntnisschriften« ausgelegte »Evangelium von Jesus Christus […] aufs Neue bekannt worden« (http://www.kirchenrecht-nordkirche.de/document/24017#s00000040 – Zugriff am 29.08.2017).

       2

      Textgrundlagen: (1) Unser Glaube. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Ausgabe für die Gemeinde. Im Auftrag der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) hg.v. Amt der EKD. Redaktionell betreut von Johannes Hund und Hans-Otto Schneider, 6., völlig neu bearbeitete Auflage, Gütersloh 2013 (= UG); (2) I. DINGEL (Hg.), Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Vollständige Neuedition, im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland, Göttingen 2014 (= BSELK).

       3

      G. KRETSCHMAR, Die Bedeutung der Confessio Augustana als verbindliche Bekenntnisschrift der Evangelisch-Lutherischen Kirche, in: H. Fries (Hg.), Confessio Augustana. Hindernis oder Hilfe?, Regensburg 1979, 31–77, 63. Speziell im Blick auf die Konkordienformel von 1577 hat Kretschmar festgestellt, dass eine lutherische Bekenntnisgemeinschaft zwar ohne, »aber nicht gegen sie möglich ist« (a.a.O., 76 Anm. 61); vgl. auch G. WENZ, Theologie der Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Eine historische und systematische Einführung in das Konkordienbuch I; Berlin/New York 1996, 31.

       4

      https://de.lutheranworld.org/sites/default/files/documents/Constitution%20DE%20final.pdf – Zugriff am 29.08.2017 (Hervorh. R.L.). In der Präambel der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 13. Dezember 1950 in der Neufassung vom 14. Dezember 2007 werden dagegen etliche weitere Texte aus dem Konkordienbuch aufgezählt: »Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens steht getreu dem Glauben der Väter auf dem Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben und in den drei altkirchlichen Symbolen, in der unveränderten Augsburgischen Konfession von 1530, in der Apologie, in den Schmalkaldischen Artikeln, in den Katechismen Martin Luthers und in der Konkordienformel als den Bekenntnisschriften unser evangelisch-lutherischen Kirche bezeugt ist« (http://www.evlks.de/landeskirche/kirchenrecht/rechtssammlung/doc/1.1.1_Verfassung_Ev.-Luth._Landeskirche_Sachsens.pdf – Zugriff am 29.08.2017).

       5

      Gemeint ist die Lehre von der Mitteilbarkeit der göttlichen Allgegenwart an die menschliche Natur Jesu Christi, die in den Artikeln 7 und 8 der Konkordienformel eine Rolle spielt; vgl. dazu T. MAHLMANN, Das neue Dogma der lutherischen Christologie. Problem und Geschichte seiner Begründung, Gütersloh 1969; O. BAYER, Das Wort ward Fleisch. Luthers Christologie als Lehre von der Idiomenkommunikation, in:

Скачать книгу